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Er schüttelte den Kopf und ließ sich auf dem lehnenlosen Hokker zurücksinken, so weit es ging. »Nein«, sagte er noch einmal. »Wir wußten nichts von diesem Wald oder Eurer Stadt. Wir ... hatten bereits aufgegeben, als wir den Wald fanden. Niemand außerhalb der Nonakesh weiß von Euch, glaube ich.«

»Warum seid Ihr dann so tief in die Wüste vorgedrungen?«

Skar lachte rauh. »Freiwillig gewiß nicht, Logar. Wir hatten keine Wahl.«

»Ihr wurdet verfolgt? Von wem?«

Skar seufzte. »Von Banditen. Quorrl, genauer gesagt.«

»Quorrl?« Logar runzelte die Stirn, starrte einen Moment die Tischplatte an, als gäbe es dort etwas Besonderes zu entdecken, und hob dann ruckartig den Blick. »Was ist das: Quorrl?« fragte er.

»Ihr wißt nicht, was Quorrl sind?« Diesmal war Skars Verblüffung echt.

Zwischen Logars Brauen entstand eine steile Falte. »Die Fragen stelle ich hier, Skar«, sagte er barsch. »Nimm an, wir wissen wirklich nicht, was Quorrl sind. Oder nimm an, wir wissen es und wollen nur herausfinden, ob du die Wahrheit sprichst, das bleibt sich gleich.« Er lächelte wieder, aber diesmal war es ein bloßes Verziehen der Gesichtszüge ohne echte Bedeutung. Und Skar hatte den Eindruck, daß dies genau der Effekt war, den Logar beabsichtigt hatte.

»Quorrl ...«, begann er unsicher, »sind ... nun eben Quorrl.« Er lächelte unsicher, aber auf Logars Gesicht war nicht die geringste Reaktion auf seine Worte zu lesen. »Nomadisierende Räuber. Meuchelmörder, Banditen ... es gibt viele Namen, die auf die Fischgesichter zutreffen würden. Del und ich waren auf dem Weg nach Elay, um an einem Feldzug teilzunehmen, als wir in einen Hinterhalt gerieten. Wir mußten fliehen, aber der einzige Weg, der uns blieb, war der in die Nonakesh.« Logar nickte ein paarmal, senkte erneut den Blick und begann mit den Fingerspitzen die Linien auf der Tischplatte nachzuzeichnen. »Und dann habt ihr euch verirrt«, sagte er, ohne aufzusehen. »Ihr wart müde, verängstigt und verletzt, und ihr habt den Rückweg nicht mehr gefunden.«

»Ja. Es war ein wenig dramatischer, aber darauf läuft es wohl hinaus.«

Logar sah nun doch auf, blickte Skar lange und nachdenklich in die Augen und lächelte dann. »Dein Freund ist sehr schwer verwundet«, sagte er ruhig. »Ihr hattet kein Wasser und keine Pferde und keine Nahrungsmittel, und dein Freund war kaum kräftig genug, um aus eigener Kraft laufen zu können. Und in diesem Zustand habt ihr euch fünf Tage lang durch die Wüste geschleppt. Ihr müßt wirklich sehr gewaltige Krieger sein, dein Freund Del und du.«

Skar tauschte einen raschen Blick mit Coar, aber das Gesicht der jungen Kommandantin blieb ausdruckslos. Nur in ihren Augen stand ein warnendes Funkeln.

»Du mußt zugeben, Skar, daß deine Worte nicht sehr glaubhaft klingen«, fuhr Logar ruhig fort. In seiner Stimme war keine Feindschaft, nicht einmal Vorwurf. Und trotzdem spürte Skar, daß sein und Dels Leben nur mehr an einem dünnen Haar hingen. Einem Haar, an das Logar bereits das Messer angesetzt hatte. »Natürlich hatten wir Pferde«, sagte er unwirsch und vielleicht heftiger, als gut war. »Sie starben in der letzten Nacht, kurz bevor wir auf die Grenzen eures Reiches stießen. Wir hatten reines Glück, und ...« Er spürte, wie er mehr und mehr den Faden verlor, und brach verärgert ab, Logar irritierte ihn. Sein Verhalten paßte in kein Schema, das er kannte. Er war nicht feindselig, und seine Freundlichkeit war nicht einmal von jener distanzierten Kühle, die gegenüber einem Fremden angemessen schien, dessen Absichten und Ziele man noch nicht kannte, den man aber auch nicht verletzen wollte. Und trotzdem spürte Skar, daß Logar mit der gleichen lächelnden Ruhe, mit der er ihm einen Platz angeboten hatte, auch sein Todesurteil aussprechen würde.

»Ich weiß nicht, wofür du uns hältst«, sagte er barsch. »Aber wir sind weder Spione noch Diebe oder Räuber. Wir sind nichts als zwei erschöpfte Satai, die sich hierhergeschleppt haben und nach Ruhe und Wasser gesucht haben. Denn wir eines eurer Gesetze übertreten oder ein Tabu verletzt haben, so bitte ich um Verzeihung, und -«

Logar brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Niemand unterstellt euch so etwas«, sagte er sanft. »Aber ihr müßt verstehen, daß wir vorsichtig sind. Es kommen nicht oft Fremde nach Cearn, doch seid ihr auch nicht die ersten, denen es gelungen ist. Die Wüste - die Nonakesh, wie du sie nennst - mag schrecklich und tödlich sein, doch von Zeit zu Zeit gelingt es einem besonders Mutigen - oder Verzweifelten -, sie zu überwinden. Nicht alle, die in friedlicher Absicht zu kommen vorgaben, waren es wirklich. Und nicht alle, die es waren, blieben es.«

Skar nickte müde, obwohl er sich darüber im klaren war, wie Logars Worte wirklich gemeint waren. Sie mochten sich wie eine Entschuldigung anhören, aber sie waren es nicht. Eine Erklärung, gemischt mit - wenn überhaupt - einer winzigen Spur des Bedauerns, aber der gleichen Art des Bedauerns, die ein Scharfrichter verspüren mochte, wenn er das Schwert niedersausen ließ. Er hatte von Anfang an geargwöhnt, daß Del und er keineswegs die ersten waren, die die tödlichen Sanddünen der Nonakesh durchquert und diesen Wald gefunden hatten. Schon die Tatsache, daß Logar das Tekanda beinahe wie seine Muttersprache beherrschte, bewies diesen Verdacht. Aber der Gedanke führte einen anderen, wesentlich beunruhigenderen im Geleit. Er hatte noch nie von diesem Wald - von Cearn, Went und seinen Bewohnern - gehört, weder direkt noch in Form von Gerüchten. Dachte man den Gedanken konsequent zu Ende, so blieb nur eine einzige logische Schlußfolgerung: Daß schon viele Cearn erreicht, aber noch keiner den Rückweg gefunden hatte.

»Andererseits«, drängte sich Logars Stimme in seine Überlegungen, »berichtete mir Coar, daß du der Garde im Kampf gegen die Hoger beigestanden hast. Wenn nur die Hälfte von dem, was sie erzählt hat, stimmt, möchte ich einen Mann wie dich nicht zum Feind haben.« Sein Blick heftete sich auf den wuchtigen Griff des Sataischwertes in Skars Gürtel. »Findest du es nicht auch seltsam, daß ein Mann, der fünf Tage gedurstet hat und angeblich mehr tot als lebendig ist, wie zehn meiner besten Krieger kämpfen soll?« Skar hielt Logars Blick gelassen stand. »Du sagst es«, gab er mit absichtlicher Herablassung zurück. »Zehn deinerbesten Krieger.«

Logar zuckte zusammen, aber wenn ihn Skars Worte ärgerten, so gab er sich wenigstens Mühe, sich nichts anmerken zu lassen.

»Außerdem«, fuhr Skar im gleichen Tonfall fort, »habe ich um mein Leben gekämpft, nicht um das deiner Reiter. Ich kenne weder dein Volk noch seine Gebräuche, Logar, aber dort, wo ich herkomme, ist es üblich, bis zum letzten Atemzug um sein Leben zu kämpfen. Wenn dies bei euch anders ist, bitte ich um Vergebung, daß ich mich euren Sitten in diesem Punkt nicht angeschlossen habe.« Logar lachte leise. »Du gefällst mir, Skar«, sagte er leise. »Auch wenn ich immer noch nicht weiß, ob du die Wahrheit sagst oder mir etwas vormachst. Trotzdem wirst du Verständnis dafür haben, wenn ich dich um deine Waffe bitte. Wenigstens so lange, bis beschlossen ist, was weiter mit euch geschieht. Ich verstehe Coars Gefühl dir gegenüber durchaus. Ohne dein Eingreifen wären mehr unserer Krieger gefallen, vielleicht alle. Trotzdem ist sie in ihrem Bedürfnis, ihre Dankbarkeit auszudrücken, vielleicht ein wenig zu weit gegangen.« Er stand auf, kam mit federnden Schritten um den Tisch herum und streckte auffordernd die Hand aus. Skar zog die Waffe halb aus dem Gürtel, zögerte einen Herzschlag lang und warf Logar dann mit einer trotzigen Bewegung das Tschekal zu. Logar fing die Klinge geschickt auf und legte sie in Griffweite neben sich auf den Tisch.

»Coar wird dich nun zu unserer Heilerin geleiten«, sagte er. »Danach kannst du ausruhen. Ich werde dich rufen lassen, wenn ich entschieden habe, was geschehen soll.«

Skar wollte noch etwas sagen, aber Coar trat rasch hinzu und legte ihm die Hand auf die Schulter. Ihre Finger drückten kurz und heftig zu; zu rasch, daß Logar die Bewegung sehen konnte, aber fest genug, um Skar zum Schweigen zu bringen. »Komm«, sagte sie.