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Thoranda berührte ihn sanft an der Schulter, schob seinen Arm beiseite und besah sich stirnrunzelnd den Riß über seinen Rippen. »Leg den Harnisch ab«, sagte sie bestimmt. Etwas war in ihrer Stimme, das keinen Widerspruch duldete. Skar löste die ledernen Halteriemen um Nacken und Hüfte, beugte sich leicht nach vorne und bewegte die Schultern, um den schweren Lederpanzer abzustreifen. Thoranda besah sich den Schnitt mit unbewegtem Gesicht, tastete mit geschickten Fingern über die Wundränder und verschwand dann mit schnellen Schritten im Hintergrund des Raumes, um gleich darauf mit einer hölzernen Schale voll Wasser und einem sauberen Tuchstreifen über dem Arm zurückzukehren.

»Setz dich dorthin«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu einer hölzernen Bank neben dem Eingang. Skar gehorchte, und Thoranda machte sich routiniert an seiner Wunde zu schaffen. Skar zuckte zusammen, als ein scharfer Schmerz wie ein winziges Messer unter seine Rippen und bis in die Schulter hinauffuhr.

Thoranda wusch die Wunde sorgfältig aus und legte einen straffen, mit einer kühlenden Salbe beschmierten Verband um seine Brust. Ihre Hände waren erstaunlich kräftig, aber sie fügten ihm nur soviel Schmerz zu, wie unumgänglich war. Skar wollte aufstehen, aber die Heilerin schob ihn mit sanfter Gewalt auf den Sitz zurück und schüttelte den Kopf. »Bleib«, sagte sie ruhig. »Ich gehe rasch ein paar Kräuter holen. Danach kannst du ruhen, wenn du möchtest.«

Skar nickte. Thoranda hockte dicht vor ihm, und obwohl er in der dämmerigen Beleuchtung des Raumes ihr Gesicht nicht deutlich zu erkennen vermochte, war er plötzlich sicher, daß sie früher einmal eine sehr schöne Frau gewesen sein mußte. Ihr Haar war, obwohl grau und von ersten weißen Strähnen durchzogen, noch immer dicht und lang und verströmte einen angenehmen, harzigen Geruch, und ihre Bewegungen waren trotz ihres Alters noch flüssig und elegant. Sie stand auf, wusch sich flüchtig die Hände und verließ dann rasch den Raum.

Skar setzte sich ebenfalls auf, lehnte sich gegen die Wand und betrachtete das halbe Dutzend Gardistinnen aus zusammengekniffenen Augen. Die Mädchen unterhielten sich leise, steckten die Köpfe zusammen und tuschelten, und ab und zu warf eine von ihnen einen hastigen, verstohlenen Blick zu ihm hinüber. Sie hatten ihre Rüstungen abgelegt und trugen nur noch dünne, sackähnliche Gewänder, und obwohl die meisten Verbände um Arme, Beine oder Köpfe trugen, erinnerte jetzt weder ihr Aussehen noch ihr Benehmen daran, daß diese Kinder noch vor wenigen Stunden in voller Rüstung durch den Wald gesprengt und einen Kampf auf Leben und Tod ausgefochten hatten.

Larynn kam zu ihm hinüber, ließ sich neben ihm auf die Bank sinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Ihr Kleid raschelte, und als Skar genau hinsah, fiel ihm auf, daß der Stoff ganz gegen seinen ersten Eindruck fein und anschmiegsam wie Seide war. Das dünne Material spannte sich um ihre Schultern und ließ ihre kleinen, mädchenhaften Brüste deutlich hervortreten. Wie lange, dachte er, war es her, daß er das letzte Mal eine Frau gehabt hatte?

Er ertappte sich plötzlich dabei, daß er sie anstarrte, und senkte verlegen den Blick. Larynn lächelte, aber sie besaß Takt genug, die Situation zu überspielen. »Du warst bei Logar?«

Skar nickte. »Man merkt es wohl«, sagte er hastig.

»Logar ist ein seltsamer Mann«, nickte Larynn. »Er macht sich einen Spaß daraus, Fremden einen Schrecken einzujagen. Ich glaube, er spielt gerne den Geheimnisvollen. Urteile nicht vorschnell über ihn. Er mag manchmal seltsam erscheinen, aber er ist gerecht.«

»Er ist noch sehr jung, für einen Mann in seiner Position.«

»So alt wie Del - schätze ich«, erwiderte Larynn. Sie nahm die Arme herunter, zog die Beine unter den Körper und legte die Hände dicht nebeneinander auf die Oberschenkel. Vom kleinen Finger ihrer linken Hand fehlte das letzte Glied. Aber es war eine sehr alte Wunde, die sauber vernarbt war. »Hier bei uns zählt ein Mann nach dem, was er leistet. Ist das bei euch anders?«

Skar glaubte, eine leichte Spur von Spott in ihrer Stimme zu vernehmen, aber als er in ihr Gesicht sah, erkannte er nichts außer Neugierde.

Er lächelte. »Manchmal schon«, gestand er. »Aber hier bei euch ist vieles anders als da, wo ich herkomme.« Er unterdrückte ein Gähnen, ließ den Kopf gegen die Wand sinken und schloß die Augen. Die Müdigkeit kehrte nun mit Macht zurück, und diesmal wehrte er sich nicht dagegen. In seinen Gliedern breitete sich eine wohltuende, bleierne Schwere aus.

»Wie ist es dort, wo du herkommst?« fragte Larynn.

»Wo ich herkomme?«

»Deine Heimat. Deine Stadt.«

Skar zuckte die Achseln. »Heimat ...«, murmelte er. »Ich habe keine ... Heimat.« Larynn runzelte verwirrt die Stirn. »Aber jeder Mensch hat irgendeinen Ort, an den er gehört.«

»Mag sein«, gestand Skar. »Aber Del und ich sind Satai. Wir ... wir leben nicht an einem bestimmten Ort. Manchmal bleiben wir eine Zeit, wenn es uns irgendwo gefällt, aber meist ziehen wir durch das Land, ohne länger als ein paar Tage an einem bestimmten Ort zu bleiben.«

»Und dieses Leben macht euch Spaß?«

»Warum nicht?« sagte Skar. »Es bringt auf jeden Fall Abwechslung.«

»Und Gefahren.«

»Natürlich.« Er schwieg für einen Moment, konnte sich aber die Spitze nicht verkneifen, zu sagen: »Zumindest gibt es dort, wo wir herkommen, keine Hoger.« Thorandas Rückkehr bewahrte sie davor zu antworten. Die Heilerin kniete erneut neben Skar nieder und reichte ihm eine Schale mit einer farblosen, scharf riechenden Flüssigkeit.

»Was ist das?«

»Ein Tee aus Kräutern und Moos«, antwortete Thoranda. »Trink. Er wird dich müde machen und deinem Körper die Kraft zurückgeben, die er verbraucht hat.« Skar schob die Schale von sich weg und schüttelte den Kopf.

»Zuerst möchte ich Del sehen.«

»Trink trotzdem«, beharrte Thoranda. »Der Trank wirkt nicht sofort. Ich führe dich zu deinem Freund.«

Skar zögerte noch einen Moment, setzte dann die Schale an die Lippen und trank mit kleinen, vorsichtigen Schlucken. Trotz ihres scharfen Geruches schmeckte die Flüssigkeit mild und angenehm, und er spürte beinahe augenblicklich, wie sich ein wohltuendes Gefühl der Wärme in seinem Magen ausbreitete. Er leerte die Schale bis auf einen winzigen Rest und stellte sie neben sich auf den Boden. Dann stand er auf und sah die Heilerin auffordernd an.

Thoranda wandte sich um und forderte ihn mit einer stummen Geste auf, ihr zu folgen. Auch Larynn erhob sich und ging hinter ihm und der Heilerin her. Sie durchquerten den Raum und stiegen über eine breite Treppe nach oben. Thoranda begleitete ihn bis zu einer kleinen, dunklen Kammer dicht unter dem Dach des Gebäudes und deutete wortlos auf den Eingang.

Skar schob sich an ihr vorbei und kniete neben dem einfachen Lager aus Blättern und Stroh nieder, auf das man Del gebettet hatte. Der junge Satai schlief. Sein Gesicht glänzte noch immer fiebrig, aber sein Atem ging jetzt ruhiger. Seine verwundete Schulter war unter einem dicken Verband verborgen, der Arm war geschient und zusätzlich mit dünnen Lederriemen am Körper festgebunden, um ihn ruhigzustellen.

Er blieb lange neben dem reglos daliegenden Körper des jungen Satai hocken. Seine Augen brannten plötzlich, aber das schob er auf die Müdigkeit, die nun immer machtvoller über ihm zusammenschlug. Schließlich stand er auf, wandte sich um und trat, zu Larynn und Thoranda auf den Gang hinaus.

Die Heilerin deutete auf einen zweiten Durchgang auf der anderen Seite des Korridors. »Deine Kammer«, sagte sie. »Leg dich jetzt hin und schlafe.«

Diesmal widersprach Skar nicht.

6.