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Wurme hüllte ihn ein, als er erwachte. Er blinzelte, öffnete für einen Moment die Augen und ließ die Lider darin wieder zurücksinken. Er hatte Schwierigkeiten, in die Realität zurückzufinden, wenigstens für einen Augenblick. Auf der einen Seite war er hellwach, wie immer, wenn er geruht hatte, aber ein Teil seines Bewußtseins schien noch in der Umarmung des Schlafes gefangen zu sein. Er fühlte sich benommen und matt, als hätte er Drogen genommen oder zuviel getrunken. Er setzte sich auf, fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und gähnte ungeniert. Seine Glieder fühlten sich seltsam an - taub und gleichzeitig leicht und matt, und es fiel ihm schwer, seine Bewegungen zu koordinieren. Er ballte prüfend die Fäuste, aber die Bewegung war ohne Kraft; vielleicht eine Nachwirkung des Trankes, den ihm Thoranda eingeflößt hatte. Er würde die Heilerin danach fragen.

Durch die dünnen geflochtenen Wände drangen gedämpfte Geräusche zu ihm herauf; Stimmen, Gelächter und das harte Stampfen von Pferdehufen, und das schmale Fenster direkt über dem Kopfende seines Lagers war von flirrendem Sonnenlicht erfüllt. Er setzte sich vollends auf und blieb so lange reglos sitzen, bis das Schwindelgefühl in seinem Kopf nachließ. Danach vermied er rasche Bewegungen, so gut es ging.

Der Ausblick aus dem Fenster war faszinierend, aber nicht sonderlich aufschlußreich. Seine Kammer mußte sich in der obersten Etage des Baumhauses befinden - direkt unter der Stelle, an der sich der mächtige Stamm gabelte und allmählich in das dichte Blätterdach Wents überging. Eine schmale, geländerlose Brücke führte fast auf Armeslänge am Fenster vorbei, und tief unter sich am Boden erkannte er winzige, braun und grün gekleidete Menschen, die mit der Emsigkeit von Ameisen hin- und herzueilen schienen. Skar wandte sich enttäuscht vom Fenster weg und bückte sich nach seinen Kleidern. Er konnte sich nicht erinnern, sie ausgezogen zu haben. Trotzdem war er nackt gewesen, als er aufgewacht war. Aber er hatte ohnehin nur Lendenschurz, Sandalen und Waffengurt getragen. Er band Schurz und Waffengurt um, schnürte mit zitternden Fingern seine Sandalen und wog die leere Schwertscheide sekundenlang unentschlossen in der Hand, ehe er sie mit einem Achselzucken am Gürtel befestigte. Bevor er die Kammer verließ, trat er noch einmal zum Fenster und blickte in den Himmel hinauf. Die Sonne stand nahezu im Zenit. Mittag. Er hatte also nicht allzulange geschlafen. Trotzdem hatte die Ruhe seinem Körper sichtlich wohlgetan. Trotz der Mattigkeit, die noch immer von seinen Gliedern Besitz hatte, fühlte er sich frisch und ausgeruht. Er wandte sich um, trat mit gesenktem Kopf auf den Gang hinaus und wandte sich nach rechts, um auf dem gleichen Weg wieder hinunterzugehen, auf dem er heraufgekommen war.

Das Haus schien verlassen. Der große Raum, an dem er am Morgen Larynn und die Heilerin getroffen hatte, war leer, und als er stehenblieb und lauschte, hörte er nicht das geringste Geräusch, sah er von seinen eigenen Atemzügen und dem leisen Wispern und Knacken des Gebäudes ab. Er drehte sich noch einmal um seine Achse und besah sich die Einrichtung des Raumes genauer. Das Zimmer war leer bis auf einige niedrige Bänke an den Wänden und eine schwere Truhe mit eisernen Beschlägen. Skar ging zum Ausgang, lugte den Gang hinunter und lauschte wieder. Das Gebäude schien tatsächlich verlassen zu sein; etwas, das ihm - trotz der freundlichen Art, in der man Del und ihn aufgenommen hatte - doch recht verwunderlich erschien.

Skar schob den Gedanken mit einem Achselzucken beiseite und ging mit raschen Schritten auf den Ausgang zu. Niemand hatte ihm verboten, das Haus zu verlassen, und er gewann nichts, wenn er hier herumstand und tatenlos wartete, daß irgend etwas geschah.

Eine Gruppe von Reitern bewegte sich unter ihm auf das Tor zu. Sie waren nicht gepanzert wie Coars oder Bernecs Leute, sondern in fließende grüne und braune Gewänder gehüllt, und die Packtaschen ihrer Pferde quollen über von Werkzeug und etwas, das auf die Entfernung wie dürres Reisig aussah. Skar versuchte, mehr Einzelheiten zu erkennen, aber er war zu weit entfernt und die Reiter zu schnell fort.

Eine gebückte, in ein knöchellanges graues Gewand gekleidete Gestalt kam ihm entgegen, als er aus der Tür trat und die schräge Rampe hinunterzugehen begann. Er blieb stehen, rieb sich verlegen das Kinn und lächelte schuldbewußt, als er den vorwurfsvollen Ausdruck auf Thorandas Gesicht gewahrte. »Ich ...«, begann er unsicher, »bin aufgewacht, und es war niemand da, und ...«

»Du solltest noch nicht aufstehen«, unterbrach ihn die Heilerin kopfschüttelnd. »Du brauchst noch Ruhe. Ruhe und Schlaf.«

Skar machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es geht mir gut«, sagte er. »Die Wunde schmerzt nicht mehr, und ich fühle mich kräftig und ausgeruht. Es ist nicht meine Art, tatenlos herumzuliegen.«

Thoranda seufzte in einer Art, als hätte sie es mit einem störrischen Kind zu tun, schüttelte erneut den Kopf und griff dann sanft und gleichzeitig energisch nach seinem Arm. »Es ist nicht allein die Wunde, Skar. Ich glaube gern, daß du schon schlimmere Verletzungen überstanden hast. Aber du hast große Entbehrungen hinter dir, und auch ein Held braucht von Zeit zu Zeit Schlaf und Entspannung, das solltest du wissen.«

Skar starrte Thoranda sekundenlang verwirrt an, aber er vermochte nicht zu sagen, ob ihre Worte ernst oder spöttisch gemeint waren. Wahrscheinlich beides. Thoranda führte ihn ins Haus zurück und wies mit einer Kopfbewegung auf die hölzerne Bank neben der Tür. »Setz dich dorthin und warte. Ich bin gleich zurück.«

Skar gehorchte achselzuckend. An einem anderen Ort und bei anderer Gelegenheit hätte ihn ein Verhalten wie das Thorandas vielleicht in Rage versetzt, aber im Moment amüsierte es ihn beinahe.

Die Heilerin schlurfte mit hängenden Schultern durch den Raum, machte sich eine Weile an einer Truhe zu schaffen und kam dann, leise vor sich hinmurmelnd, zurück. Sie erschien Skar plötzlich älter und gebrechlicher als noch am Morgen. »Laß die Wunde sehen«, verlangte sie.

Skar hob gehorsam den Arm, und Thoranda löste den Verband von seiner Brust. Skar fuhr verblüfft zusammen, als er die dünne rote Linie über seinen Rippen gewahrte. Die Wunde war nicht wirklich gefährlich gewesen, aber tief und schmerzhaft, und nun war nicht viel mehr zurückgeblieben als eine kaum sichtbare Narbe, die Monate alt schien statt weniger Stunden.

»Deine Heilkraft«, sagte er unsicher, »muß wirklich gewaltig sein. Die Wunde ist fast verheilt.«

Thoranda fuhr mit dem Fingernagel über seine Rippen. »Fühlst du das?«

»Nein«, antwortete Skar. »Nicht, wenn du meinst, ob es schmerzt. Ich spüre die Berührung, aber ...«

»Das wollte ich wissen«, nickte Thoranda. »Ich denke, wir können den Verband weglassen. Der Rest wird auch so heilen. Aber schone dich noch ein paar Tage, und versuche, die Seite nicht mehr als notwendig zu belasten.«

Skar grinste. »Ich werde versuchen, für die nächste Zeit die Gesellschaft von Hogern und anderen Ungeheuern zu meiden.«

Ein Schatten flog über Thorandas Züge, und Skar senkte verlegen den Blick. Er hatte geglaubt, die Situation durch einen Scherz entspannen zu können, aber er schien, als hätte er kaum etwas Falscheres sagen können. Vielleicht hatte dieses Volk schon zuviel unter den Hogern gelitten, um auch nur noch so etwas wie Galgenhumor zu besitzen.

»Wie hast du es fertiggebracht, die Wunde so rasch zu heilen?« fragte er, weniger aus wirklichem Interesse als aus dem Bemühen, das Thema zu wechseln. »Heute morgen noch ...«

»Du hast drei Tage geschlafen«, unterbrach ihn Thoranda, »nicht einen. Du hattest Fieber, und dein Körper hat das meiste von dem, was zu tun war, selbst getan. Unser Wissen über den menschlichen Körper ist sehr alt, Skar, und wir haben schon vor langer Zeit erkannt, wie widerstandsfähig ein Mensch ist. Ich habe nur die Kräfte geweckt, die in dir waren.«

Skar erschrak. »Drei Tage?« wiederholte er ungläubig.

»Drei Tage und drei Nächte. Der Trank, den ich dir gab, versetzte dich in tiefen Schlaf.« Thoranda lächelte flüchtig. »Zürne mir nicht, Skar. Nach allem, was ich über dich gehört - und selbst gesehen - habe, war es die einzige Möglichkeit, dir die Ruhe zu geben, die du brauchtest.«