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»Wir werden schon aufpassen«, hatte Del leichthin erwidert. »Erzähl uns lieber eine Geschichte, Alter. Warte - ich spendiere dir noch einen Krug Bier. Eine feuchte Kehle redet besser.« Er hatte den Wirt herangewinkt, auf seinen leeren Krug gedeutet und drei Finger gehoben, eine Geste, die nicht nur hier in Ikne verstanden wurde. »Wenn ihr euch schon nicht davon abbringen laßt, so zieht wenigstens direkt über die Ebenen von Tuan. Die Quorrl sind ein abergläubisches Pack. Sie fürchten die Gesichter von Combat, die dort angeblich herumspuken sollen.« Er hatte sich vorgebeugt, den Zeigefinger in einen Bierfleck getaucht und eine lange, feuchte Linie auf die Tischplatte gemalt. »Die Ebenen von Tuan«, hatte er bedeutungsvoll erklärt. »Und hier« - ein erneutes Eintunken und ein langgestrecktes Dreieck gegenüber der ersten Linie - »die Nonakesh-Wüste.«

»Genau dort ziehen wir entlang. Der kürzeste Weg.«

»Und der gefährlichste. Ihre Randgebiete wimmeln von Quorrl und anderen Halsabschneidern. Ich würde mir fünfmal überlegen, dort entlangzuziehen.« Skar hatte gegen seinen Willen lächeln müssen. »Deshalb bist du wohl auch Händler geworden und nicht Satai.« Er hatte sich vorgebeugt und neugierig auf die Spitze des Dreiecks gedeutet, das der Alte gezeichnet hatte. »Diese Wüste«, sagte er nachdenklich, »kann man den Weg abkürzen, indem man hindurchreitet?«

Der Alte hatte scharf die Luft eingesogen. »Unmöglich! Die Nonakesh ist keine gewöhnliche Wüste. Wer so etwas vorschlägt, muß verrückt sein!« Er hatte bekräftigend den Kopf geschüttelt und den Krug dann mit einem Ruck auf die Tischplatte zurückgestellt. Ein paar Tropfen Bier waren über den Rand gespritzt und hatten seine provisorische Landkarte verschmiert.

»Was wollt ihr überhaupt in Elay?«

Del hatte ruckartig aufgesehen. Das Lächeln war von seinen Zügen verschwunden und hatte einer Miene angespannten Mißtrauens Platz gemacht. »Du bist neugierig, Alter.«

»Eine Hand wäscht die andere. Ich habe euch Informationen gegeben, und ...«

»Nutzlose Informationen!«

»Das ist euer Problem. Es ist nicht mein Hals, der durchgeschnitten wird. Ich habe euch jedenfalls gewarnt.« Die beiden letzten Worte hatten ein wenig schärfer geklungen, nur eine Spur, aber hörbar, und Skar hatte an der Reaktion auf Dels Gesicht gesehen, daß der Jüngere den veränderten Tonfall ebenfalls registriert hatte.

»Das Tribaronat von Kohon stellt ein Söldnerheer auf«, hatte er hastig gesagt, bevor Del vollends Streit mit dem Alten beginnen konnte. »Wir haben davon gehört und wollen sehen, ob nicht irgendwo ein Offizierspatent für uns drin ist.«

»Ihr gebt euch nur mit dem Besten zufrieden, wie?«

»Warum auch nicht? Der Rang eines Gemeinen mag für die unzähligen dahergelaufenen Raufbolde gut sein, die sicherlich mit uns eintreffen. Kohon zahlt gut. Und schließlich sind wir Satai, und wenn ich auch keine Ahnung habe, gegen wen wir ziehen ...«

»Aber ich«, hatte ihn der Alte ruhig unterbrochen.

Skar war hellhörig geworden, hatte aber nichts gesagt. Schweigen war manchmal der bessere Weg, jemanden zum Reden zu bringen.

»Es geht um die Quorrl«, hatte der Malabese nach einer Weile gesagt und dann, mit einem halb mitleidigen, halb spöttischen Lächeln hinzugefügt: »Ihr seht also, ihr werdet auf jeden Fall mit ihnen zu tun haben. Habt ihr von der großen Dürre im letzten Sommer gehört?«

Skar hatte begonnen, mit seinem Krug zu spielen, als interessiere ihn das Thema nur mäßig. »Ein wenig.«

»Es war schlimm. Ich war selbst nicht oben, aber ich habe vieles gehört. Die schlimmste Trockenheit seit Jahrzehnten. Viele sind verhungert, weil die Ernten auf den Feldern verbrannt sind, und noch mehr werden verhungern, wenn der Winter kommt.«

»Und was haben wir damit zu schaffen? Elay ist weit.«

»Ihr nichts. Aber die Quorrl. Aber ...« Er hatte abgebrochen und gedankenverloren mit seinem leeren Krug gespielt, bis Skar seufzend eine neue Runde bestellte. »Sie haben sich zusammengerottet«, hatte er dann mit neu erwachter Redseligkeit hinzugefügt. »Zuerst waren es nur kleine Banden, die durch das Land zogen und Reisende oder wehrlose Dörfer überfielen. Aber als die Dürre schlimmer wurde, war bald bei den Bauern nichts mehr zu holen. Der Not gehorchend, rotteten sich die Quorrl mehr und mehr zusammen. Jetzt sind auch die befestigten Städte nicht mehr sicher. Das Tribaronat befürchtet wohl einen direkten Angriff auf Kohon. Man will der Gefahr zuvorkommen.«

Skar hatte sekundenlang geschwiegen. Was der Alte erzählte, gefiel ihm nicht. Er hatte nie etwas gegen eines der drei Herzogshäuser Kohons gehabt, aber er hatte auch nicht besonders viel für sie übrig. Es war eine Sache, einem in Not geratenen Herzog gegen einen übermächtigen Feind beizustehen oder den Belagerungsring um eine Stadt zu sprengen, aber der Gedanke an einen gewissermaßen vorweggenommenen Rachezug, einen Krieg, der nur auf die Gefahr hin geführt wurde, daß ein Angriff eines Tages stattfinden könnte, behagte ihm nicht. »Woher weißt du das alles?« hatte er schließlich gefragt.

»Man hört so dies und jenes. Außerdem ... was erregst du dich so? Ihr Satai verdient doch euer Brot mit dem Kriegshandwerk.«

»Aber wir kämpfen nicht gegen Strauchdiebe!« hatte Del gereizt eingeworfen. »Ihr solltet die Quorrl nicht unterschätzen. Habt ihr schon einmal einen gesehen?«

»Natürlich«, hatte Del mit der ihm eigenen Großspurigkeit erklärt. »Sie sind keine Gegner. Sie mögen stark sein, doch Stärke allein nützt nichts. Sie sind plump. Plump und langsam. Außerdem sind sie feige.«

»Sonst fällt dir nichts ein?« Der Alte hatte Del beinahe mitleidig angesehen und dann achselzuckend seinen Krug geleert. »Ihr werdet es erleben«, hatte er gesagt. »Aber ganz gleich, wie ihr euch entscheidet, hört auf meinen Rat und meidet die Nonakesh!«

Dels Aufschrei riß Skar abrupt in die Wirklichkeit zurück.

Er fuhr auf und sah sich einen Moment lang erschrocken um. Del hatte sich auf den Bauch gewälzt und grub mit bloßen Händen im Boden. Sein Gesicht hatte eine hektische rote Färbung angenommen, und in seinen Augen flackerte der beginnende Wahnsinn.

»Wasser!« keuchte er. »Wasser! Hilf mir, Skar! Hilf mir!«

Skar lief mit raschen Schritten die Düne hinunter und betrachtete verwirrt Dels Treiben. Der Junge grub wie ein Wahnsinniger. Das Delirium mußte noch einmal alle Kraftreserven in ihm mobilisiert haben.

»Hilf mir!« keuchte er noch einmal. Seine Stimme klang verzerrt und kaum mehr wie die eines Menschen.

Skar zögerte immer noch. Mit einemmal fühlte er sich furchtbar hilflos und verloren.

»Du sollst mir helfen!« Del fuhr plötzlich herum, richtete sich mit einem Ruck auf und riß Skar brutal zu sich herunter.

»Du ... du willst mich umbringen!« keuchte er. »Du siehst, daß ich Wasser gefunden habe, aber du hilfst mir nicht! Ich weiß, warum du das tust! Du willst warten, bis ich erschöpft bin, und mich dann umbringen! Du denkst, du kannst das Wasser dann ganz für dich allein behalten!«

Skar griff nach Dels Handgelenken und versuchte, seinen Griff zu sprengen. Aber Del entwickelte ungeheure Kräfte. Seine Finger preßten sich wie Stahlklammern um Skars Hals und drückten unbarmherzig zu.

Skar keuchte. Er bekam keine Luft mehr. Sein Herz begann wild und protestierend zu hämmern, und vor seinen Augen flimmerten bunte Kreise. Er zerrte verzweifelt an Dels Armen, aber seine Anstrengung schien den tödlichen Würgegriff eher noch zu verstärken. Schließlich warf er sich mit einer verzweifelten Bewegung zurück und schlug Del gleichzeitig die gefalteten Fäuste ins Gesicht.

Dels Kopf flog in den Nacken. Der tödliche Griff lockerte sich. Seine Finger glitten haltlos an Skars Harnisch hinab und verkrallten sich in seinen Gürtel. Skar schlug noch einmal zu, nicht so hart diesmal, aber dafür gezielt. Seine Handkante traf Del genau hinter dem Ohr. Der junge Satai stieß einen kläglichen Seufzer aus, verdrehte die Augen und sackte bewußtlos zusammen.