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»Du tust mir weh!« keuchte sie.

Skar lachte rauh. »Wirklich? Vielleicht macht es mir Freude, jemandem weh zu tun.«

»Skar, bitte! Du ... du ...«

»Schweig!« zischte Skar.

»Du wolltest doch, daß eure Männer so werden wie wir, oder? Oder möchtest du nur einen Helden auf Abruf, eine Kampfmaschine, die sich in einen Märchenprinzen verwandelt, wenn der Feind geschlagen ist?« Er lachte erneut, ergriff mit der anderen Hand Coars Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Den Märchenprinzen, den du dir wünschst, Coar, den gibt es nicht! Es wird ihn nie geben, verstehst du das endlich?«

Coar wand sich verzweifelt unter seinem Griff, aber gegen seine überlegene Kraft kam sie nicht an. Er schüttelte sie wie ein Spielzeug und stieß sie schließlich grob von sich, so daß sie gegen einen Baum taumelte. »Sieh mich an!« schrie er. Er machte einen Schritt auf sie zu, hob die Hände in die Höhe und vertrat ihr blitzschnell den Weg, als sie davoneilen wollte. »Sieh dir diese Hände an! Sie sind zum Arbeiten und Streicheln gedacht, aber Del und ich, wir benutzen sie zum Töten! Ich kann einen Menschen mit bloßen Händen in Stücke reißen, und ich tue es, wenn es sein muß, Coar! Und du willst, daß ich mithelfe, euch ebenso werden zu lassen? Willst du das wirklich?!«

Coar begann leise zu weinen.

11.

Mit der Ankunft der Reiter aus Ipcearn breitete sich eine hektische, aufgeregte Atmosphäre über der Stadt aus. Skar sah mehr Menschen als gewohnt in Went, und am frühen Nachmittag versammelte sich auf der Lichtung im Zentrum der Stadt eine fröhliche, lachende Menschenmenge und begann mit den Vorbereitungen für ein Fest - Bänke und eiserne Bratspieße wurden herbeigeschleppt, Feuerstellen vorbereitet und große, bauchige Fässer auf hölzernen Böcken aufgestellt. Skar sah den Vorbereitungen eine Weile vom Waldrand aus zu, aber seine Laune sank mit jedem Augenblick mehr. Coar hatte sich nach der häßlichen Szene, die er ihr gemacht hatte, stumm abgewandt und war gegangen, und er hatte sie seitdem nicht wiedergesehen. Er wußte, daß er ihr weh getan hatte, sehr weh, und er wußte auch, daß es nicht fair gewesen war. Von allen Menschen, die er in Cearn getroffen hatte, mochte Coar der sanfteste sein; seine Vorwürfe waren ungerechtfertigt gewesen, und im Grunde hatte er nicht mehr getan, als seinen Zorn auf Mergell an ihr auszulassen. Aber wie so oft waren die Worte heraus, ehe er sich über ihre Wirkung richtig im klaren gewesen war, und wie so oft fehlte ihm der Mut, ihr einfach nachzugehen und ein paar Worte der Entschuldigung zu sagen. Selbst jetzt wäre es noch nicht zu spät dazu gewesen, und eigentlich wußte er selber nicht zu sagen, warum er es nicht tat.

Vielleicht war es der Zorn auf sich selbst. Mergells Forderung hätte ihn nicht so überraschend treffen dürfen, wie sie es getan hatte. Er hatte genug erlebt, um eigentlich wissen zu müssen, daß man niemals etwas geschenkt bekam. Auch hier nicht.

Nach einer Weile wandte er sich ab und begann ziellos durch die Stadt zu wandern. Stärker denn je spürte er, daß er trotz allem ein Fremder war. Und er würde es auch immer bleiben. Seine Worte Coar gegenüber waren nur halb wahr gewesen - natürlich war er nicht das Ungeheuer, als das er sich selbst hingestellt hatte, und natürlich würden die Männer und Frauen, die er ausbildete, dicht zu blutrünstigen Bestien werden. Aber er spürte instinktiv, laß es unmöglich war, Mergells Ansinnen zu erfüllen. Es gab etwas zwischen ihm und diesen Menschen, einen unsichtbaren Graben, etwas wie eine gläserne Wand, die man weder sehen noch berühren konnte und die sie doch auf immer voneinander trennen würde. Selbst Coar gegenüber spürte er manchmal noch das Gefühl des Fremdseins, eine Empfindung, die, manchmal überraschend und ohne sichtbaren Anlaß, wie ein eisiger Windhauch durch seine Seele zu streifen schien und ihm klarmachte, daß er ein Eindringling war und immer bleiben mußte. Enwor und Went das waren nicht zwei verschiedene Teile einer einzigen Welt, sondern zwei verschiedene Welten, die eine auf der anderen gelegen und doch so unterschiedlich, wie sie nur sein konnten. Er konnte nicht hierbleiben, ohne diese Welt zu zerstören oder selbst zugrunde zu gehen. Es war das erste Mal, daß er begriff, daß Sanftmütigkeit eine ebenso tödliche Waffe sein konnte wie ein Schwert.

Skar blieb stehen, als er merkte, daß ihn seine Schritte unbewußt zu Thorandas Haus zurückgeführt hatten. Er wollte sich abwenden und wieder gehen, zuckte aber dann nur mit den Achseln und begann langsam die schräge Rampe hinaufzusteigen.

Thoranda kam ihm entgegen, als er durch den Vorraum in Richtung der Treppe ging, die zu Dels Kammer hinaufführte. Er blieb stehen, lächelte verlegen und deutete mit einer Kopfbewegung nach oben. »Ich wollte dich nicht stören«, sagte er entschuldigend.

»Wenn du Del suchst«, gab Thoranda zurück, »kannst du dir den Weg sparen. Er ist nicht mehr dort oben.«

»Er ist ...« Skar brach erschrocken ab. »Was ist mit ihm?«

»Nichts, was dich in Sorge versetzen könnte«, sagte Thoranda lächelnd. »Er ist wach, schon seit dem frühen Morgen. Ich hätte dich gerufen, aber ich glaubte, du wärest noch bei Mergell und den anderen.«

»Wo ist er?« fragte Skar hastig.

Thoranda machte eine besänftigende Handbewegung. »Nicht so eilig, Skar. Du hast eine Woche Geduld gehabt, da wird es nicht mehr auf wenige Augenblicke ankommen. Ich bringe dich zu ihm.« Sie schüttelte den Kopf und drehte sich langsam um, um vor ihm tiefer ins Innere des Gebäudes zu schlurfen.

Skar folgte ihr voller Ungeduld. »Wie geht es ihm?« fragte er. »Hat er etwas gesagt?«

»Gut und eine Menge, um deine Fragen zu beantworten«, sagte Thoranda resignierend. »Die Wunde ist gut verheilt, und in ein paar Wochen wird er nicht einmal mehr wissen, daß er überhaupt verletzt war. Er ist sehr stark. Aber auch sehr ungeduldig«, fügte sie mit einem milden Lächeln hinzu. »Ich mußte meine ganze Überredungskunst aufbieten, um ihn davon abzuhalten, aus dem Haus zu rennen und nach dir zu suchen. Er fühlt sich stärker, als er bereits ist. Die Wunde ist verheilt, aber sechs Tage ununterbrochener Schlaf haben seinem Körper Kräfte geraubt.« Sie blieb stehen und deutete mit einer Kopfbewegung auf einen niedrigen halbrunden Durchgang am Ende des Flures. »Geh zu ihm«, sagte sie auffordernd. »Aber gib acht, daß er sich nicht zuviel zumutet.«

Aber Skar hörte schon gar nicht mehr zu. Er drängte sich an ihr vorbei, schlug den Vorhang mit einer ungeduldigen Bewegung zur Seite und stürmte in den dahinterliegenden Raum.

Del hockte mit untergeschlagenen Beinen auf einer geflochteten Matte unter dem Fenster und redete mit leiser Stimme mit Larynn, die dicht neben ihm Platz genommen hatte. Als er Skar erblickte, sprang er auf und kam ihm mit weit ausgebreiteten Armen entgegengelaufen. »Skar! Ich dachte schon, ich würde dich nie wiedersehen!« Er stürmte heran, umarmte ihn und drückte ihn für einen Moment so fest an sich, als wollte er ihn zerquetschen.

Skar machte sich mit sanfter Gewalt los und schob Del auf Armeslänge von sich. »Und ich dachte, du würdest überhaupt nicht mehr wach. Endlich ausgeschlafen?« fragte er grinsend. Er trat einen Schritt zurück, legte den Kopf schräg und musterte Del eingehend. Der Satai hatte abgenommen; seine Gestalt wirkte ausgemergelt und blaß, und seine Wangen waren eingefallen, die Haut grau und schlaff wie bei einem Jahrzehnte älteren Mann. Und trotzdem hatte Skar das Gefühl, ein Wunder zu erleben. Del dürfte nicht mehr leben, nicht nach der fürchterlichen Verletzung und der endlosen Wanderung durch die Wüste, dem Hunger und dem Durst. Er grinste, um seine Unsicherheit zu überspielen, boxte Del spielerisch und sanft in die Rippen und deutete mit einer Kopfbewegung auf Larynn. »Wie ich sehe, hast du dich bereits angefreundet«, sagte er halb im Scherz, halb ernst. Larynn errötete und senkte den Blick.