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Jemand hatte ihm die Kehle von einem Ohr zum anderen aufgeschlitzt.

»Seshar«, murmelte Bernec, »ich bin sicher, daß Seshar dahintersteckt. Er, Mergell oder ein anderer dieser Speichellecker.«

Er war der letzte gewesen, der vom Grund der Höhle hinaufgestiegen war, und nun war er der erste, der das betäubte Schweigen, das sich wie ein Hauch klammer Angst über der Gruppe ausgebreitet hatte, brach. Er beugte sich vor, drückte dem Toten mit einer fast zärtlichen Bewegung die Augen zu und stand schwerfällig auf. Die Männer hatten die restlichen Fackeln entzündet, und der niedrige Stollen war auf eine Länge von dreißig, vierzig Schritt beinahe taghell erleuchtet. Skar sah es mit gemischten Gefühlen. Die Fackeln brannten rasch herunter, und sie hatten keinen sehr großen Vorrat davon mitgenommen. Aber er verstand die Männer nur zu gut. Mehr als alles andere war die Dunkelheit ihr Feind; eine Finsternis, die ganz anders zu sein schien als jene, die sie bisher kennengelernt hatten. Es war eine Dunkelheit, die ihn erneut an seinen bizarren Traum erinnerte, die wie die Leere auf jener gläsernen Ebene nicht bloß die Abwesenheit von Licht, sondern vielmehr die Anwesenheit von etwas anderem, Bösen zu bedeuten schien.

»Sie könnten sich gegenseitig getötet haben«, murmelt Del, aber er schien selbst zu spüren, was er für einen Unsinn redete. »Du hast keinen Beweis, daß ...« Bernec fuhr mit einer abrupten Bewegung herum. »Keinen Beweis?« schrie er. »Sind zwei tote Männer nicht Beweis genug? Keiner, der je diese Höhlen betreten hat, ist zurückgekommen, Del! Keiner! Bisher haben wir geglaubt, daß die Hoger jeden Eindringling getötet hätten, aber ich habe noch keinen zu Gesicht bekommen, seit wir hier herabgestiegen sind!«

»Trotzdem beweist das nichts«, beharrte Del.

»Und wer soll es sonst gewesen sein?« schnappte Bernec. »Vielleicht ein Volk von kleinen blinden Männchen, das in diesen Höhlen lebt und Pilze züchtet, wenn es nicht gerade neugierige Eindringlinge umbringt, wie?«

Del seufzte. »Natürlich nicht«, sagte er, »aber ...«

»Laß ihn, Del«, unterbrach ihn Skar. »Er hat recht. Es ist die einzige Erklärung. Wenn Seshar wirklich von diesem unterirdischen Fluß weiß, dann muß er auf jeden Fall verhindern, daß sein Geheimnis gelüftet wird.«

Del starrte ihn fassungslos an. »Sag mal - weißt du, was du da behauptest?« fragte er.

Skar nickte grimmig. »Ich weiß es«, sagte er. »Seshar hat nicht nur sein Volk belogen, sondern auch mich. Ein Grund mehr«, fügte er entschlossen hinzu, »hier herauszukommen.«

»Worauf warten wir dann noch?« fragte Del. »Gehen wir.«

»Aber sicher«, nickte Skar. »Am besten gehst du allein vor, und wir kommen etwas später nach. Ich verspreche dir ein anständiges Begräbnis.« Er wurde übergangslos wieder ernst und deutete mit einem Kopfnicken auf die Dunkelheit, die wie eine massive schwarze Wand am Ende des Stollens lauerte. »Wer immer diese Männer getötet hat«, fuhr er fort, »ist noch hier. Und ich kann dir sogar sagen, wo sie uns erwarten werden. Irgendwo dort vorne, an einer Stelle, an der wir vollkommen ohne Deckung und hilflos sind. Zwei oder drei Mann mit Bögen oder Armbrüsten reichen, um diesen verdammten Gang gegen eine ganze Armee zu halten.«

»Und was schlägst du vor, daß wir tun sollen?« fragte Coar. Sie schien sich jetzt wieder vollkommen in der Gewalt zu haben. Ihrer Stimme war nichts mehr von dem Schmerz anzumerken, der in ihrem Inneren tobte. Skar wußte nicht, ob er erschrecken oder die Kraft dieser zarten Frau bewundern sollte.

»Wir haben nur zwei Möglichkeiten«, antwortete er irritiert. »Wir können wieder in die Höhle hinuntersteigen und versuchen, einen anderen Weg zur Oberfläche zu finden. Oder wir versuchen, uns den Weg freizukämpfen. Beides wäre Selbstmord. Wir werden nichts davon tun.«

Coar schien verwirrt. »Wie meinst du das?« fragte Bernec verwirrt. »Ich sehe keinen anderen Weg.«

»Hoffentlich denken die, die deine beiden Kameraden umgebracht haben, ebenso«, murmelte Skar. »Wenn sie wirklich irgendwo dort vorne auf uns warten, werden sie früher oder später zurückkommen und nachsehen. Und wir werden sie empfangen.«

»Empfangen?« echote Bernec. »Aber wie ...?«

Del grinste flüchtig. »Wir gehen zurück in die Höhle«, sagte er. »Jedenfalls sollen sie das glauben. Skar und ich bleiben hier.«

Bernec verzog mißbilligend die Lippen. »Das ist Wahnsinn«, sagte er. »Sie sehen euch lange, bevor ihr sie seht. Es gibt hier keine Deckung, und ...«

»Hier nicht«, unterbrach ihn Skar. »Aber dort draußen.« Er drehte sich um, ging mit raschen Schritten zum Ende des Stollens und deutete auf das Gewirr schwarzer Linien und Striche, das die Höhle durchzog. »Du wirst mit den anderen wieder hinuntersteigen und dich ein Stück weit entfernen. Del und ich warten dort draußen. Wir brauchen das Seil und ein bißchen Glück, mehr nicht.«

Bernec keuchte überrascht. Er schien nur langsam zu begreifen, was Skar vorhatte. »Du bist verrückt!« stieß er hervor. »Ihr werdet dort draußen wie lebende Zielscheiben sitzen. Sie schießen euch herunter, ehe ihr auch nur eine Hand heben könnt.«

»Natürlich«, nickte Skar. »Wenn sie uns sehen, sicher. Aber ich glaube kaum, daß sie nach oben schauen werden.«

»Das ist Wahnsinn«, beharrte Bernec. »Ihr könnt nicht stundenlang an diesem Zeug hängen und warten. Vielleicht ... vielleicht kommen sie nie.«

»Sie werden kommen«, sagte Skar überzeugt. »Seshar ist zu vorsichtig, um auch nur das geringste Risiko einzugehen. Er kann nicht riskieren, auch nur einen einzigen von uns hier wegzulassen. Sie werden kommen. Und es wird noch nicht einmal sehr lange dauern.« Im stillen betete er, daß er recht hatte. Es war ebensogut möglich, daß die Mörder darauf vertrauten, daß ihre Opfer ohne Hilfe niemals den rettenden Stollen erreichen und hier unten elend verhungern und verdursten würden. Und es war denkbar, daß sie sich nur geduldig irgendwo dort vorne in der Dunkelheit auf die Lauer legen und einfach abwarten würden. Aber das wagte er gar nicht erst einzukalkulieren. Sie hatten nur diese eine Chance. Zu versuchen, einen anderen Weg zur Oberfläche zu finden, hieße Selbstmord zu begehen. »Los jetzt«, sagte er. »Es tut mir zwar leid, daß die Anstrengung vergebens war, aber ihr werdet wohl noch einmal hinuntersteigen müssen.«

»Und wie kommt ihr hinab?«

»Gar nicht«, antwortete Del an Skars Stelle. »Einer von euch muß an dem Zeug heraufklettern, bis er hier über uns ist, und uns das Seil zuwerfen. Es ist nicht so schwer, wie es aussieht.« Er packte das Seil, ließ etwa einen Meter überhängen und wickelte sich die Schnur sorgsam um beide Hände. Skar ergriff das überstehende Ende und verfuhr genauso. Dann trat er einen Schritt von der Kante zurück, spreizte die Beine und suchte mit den Füßen nach festem Halt. »Beeilt euch«, sagte er, als Bernec immer noch keine Anstalten machte, nach dem Seil zu greifen. »Wir haben noch eine Menge zu tun, ehe sie kommen. Oder möchtest du vielleicht zehn Meter über dem Boden hängen, wenn wir hier oben angegriffen werden?« Bernec zuckte sichtlich zusammen, griff nach dem Seil und begann zum zweiten Mal in die Höhle hinabzusteigen.

Nach Skars Zeitgefühl schienen Stunden zu vergehen, ehe sich das Seil zum letzten Mal in seinen Händen entspannte und er seine verkrampften Muskeln endlich lockern konnte. Er keuchte, wankte einen Schritt zur Seite und ließ sich erschöpft gegen die Wand sinken. Sein Rücken schmerzte unerträglich. Seine Unterarme waren verkrampft und schienen hart wie Holz, und er hatte das Gefühl, seine Hände niemals wieder bewegen zu können. Sein Herz dröhnte, und unter seinen Rippen hatte sich ein kleiner, stechender Schmerz eingenistet. Er blieb sekundenlang schweratmend gegen die Wand gelehnt stehen, richtete sich dann mühsam auf und bückte sich nach dem Seil, das er fallen gelassen hatte. Del schien kaum weniger erschöpft als er selbst zu sein. Er hockte auf Händen und Knien neben dem Abgrund, rang keuchend nach Atem und schüttelte unablässig den Kopf, als versuche er das Dröhnen in seinem Schädel wegzublinzeln.