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»Sie haben Patrouillen ausgeschickt, die nach euch suchen sollen«, fuhr Nopath fort. »Jeder Mann in Cearn hat den Auftrag, euch zu verhaften und sofort nach Ipcearn zu bringen.«

Skar lächelte humorlos. »Wir sind einer diese Patrouillen begegnet«, sagte er grimmig. »Weiter.«

»Nichts weiter«, murmelte Nopath schulterzuckend. »Wir haben uns nach Dunkelwerden aus der Stadt geschlichen und ein paar Pferde gestohlen, um euch entgegenzureiten.« Er stand auf, rieb nervös die Handflächen aneinander und sah erst Skar, dann Del und schließlich Bernec an. »Went wartet auf deine Rückkehr«, sagte er entschlossen. »Wir sind bereit zuzuschlagen, sobald du es befiehlst.«

»Nicht so voreilig«, sagte Skar hastig. »Es nutzt niemandem, wenn wir Mergell und seine Soldaten aus der Stadt werfen. Seshar wird neue Truppen schicken.«

»Dann besiegen wir auch sie«, gab Nopath trotzig zurück. »Went ist stark genug, sich zu wehren. Wir haben Seshars Terror lange genug geduldet. Auch Ipcearn ist nicht uneinnehmbar.«

Skar seufzte. Er schüttelte den Kopf, bedachte Nopath mit einem fast mitleidigen Blick und wandte sich dann wieder an Bernec. »Ein Bruder von dir?« fragte er leise.

Aber Bernec blieb ernst. »Viele von uns denken so«, sagte er. »Nicht nur ich, Skar. Seshar hat den Bogen überspannt. Diesmal werden wir kämpfen.«

»Und dann?« gab Skar ruhig zurück. »Werdet ihr Ipcearn stürmen und die Könige hinrichten, oder begnügt ihr euch damit, eine freie Republik Went auszurufen und euch die nächsten hundert Generationen in einem Bruderkrieg aufzureiben?« Bernecs Lippen zitterten vor Wut. »Du verstehst nichts, Skar!« schnappte er. »Nichts. Unser Volk ...«

»Ich verstehe mehr, als du glaubst, Junge«, unterbrach ihn Skar. »Ich habe Dutzende wie dich erlebt - Kinder, die glauben, die Fähigkeit, ein Schwert zu führen, würde ausreichen, um die Zukunft zu verändern. Nichts wirst du erreichen, Bernec, gar nichts. Du wirst Cearn zerstören und alles vernichten, wofür dein Volk generationenlang gekämpft und gelitten hat. Sieh dich doch an!« fuhr er, etwas lauter und mit absichtlicher Herablassung fort. »Es ist noch keine zehn Minuten her, da hast du im Sand gelegen und gewimmert vor Angst, und deine sogenannten Krieger sind keinen Deut besser! Ich zweifle nicht daran, daß ihr Mergell und die Handvoll Soldaten, die er mitgebracht hat, aus Went hinauswerfen könnt, aber wenn Seshar mehr Soldaten schickt, werdet ihr euch keinen Tag halten können.«

Bernec erbleichte. »Du ...«, keuchte er, »du ...«

Skar brachte ihn mit einem leisen, höhnischen Lachen zum Verstummen. »Aparte wenigstens, bis du wieder genug Kraft hast, dich mit mir zu streiten«, sagte er ruhig. »Und dann versuche, auf ein Pferd zu steigen. Vielleicht schaffst du es noch, bis Went zu kommen.« Er starrte Bernec noch einen Herzschlag lang durchdringend an, ehe er mit einem Ruck herumfuhr und sich auf den Rücken des nächstbesten Pferdes schwang.

»Sitzt auf! Wir müssen weiter!« Jemand berührte ihn an der Seite. Es war Coar. »Die Männer brauchen Ruhe«, sagte sie flehend. »Nur eine Stunde, Skar. Sie... sie sind am Ende.«

»Oh, natürlich«, spottete Skar. »Die Krieger müssen sich vor der Schlacht ausruhen, nicht? Nur eine Stunde. Warum nicht drei oder vier, bis die Sonne aufgeht und uns entweder die Hoger oder Mergells Späher entdeckt haben?« Er riß das Pferd wütend an den Zügeln herum, ritt auf Bernec und Nopath zu und beugte sich im Sattel vor. »Wenn ihr auch nur eine verschwindend geringe Chance haben wollt, Cearn lebend zu erreichen, dann steigt auf die Pferde und reitet. In drei oder vier Stunden geht die Sonne auf. Bis dahin müssen wir hier verschwunden sein!«

Bernec rührte sich nicht von der Stelle, aber Skar sah, daß das, was er vielleicht für Kraft halten mochte, in Wirklichkeit nur Trotz war. Insgeheim hatte er wohl erkannt, daß Skar recht hatte. Aber er war zu stolz, es zuzugeben. Noch. »Nun mach schon«, sagte er, etwas sanfter, aber immer noch so laut, daß ihn jeder verstand. »Wir müssen weg.«

Wenige Minuten später brachen sie auf. Aber die Sonne ging bereits wieder unter, ehe sie Went erreichten.

»Wie willst du vorgehen?« fragte Del leise.

Skar blickte sekundenlang zu den geschlossenen Toren Wents hinüber, ohne zu antworten. Sie hatten Cearn beim ersten Schimmer des Morgengrauens erreicht und sich und ihre Tiere unweit des Waldrandes versteckt, um bis zum Abend abzuwarten und auszuruhen. Die Männer hatten geschlafen und gegessen, aber die wenigen Stunden Ruhe reichten kaum aus, die Spuren der überstandenen Strapazen zu tilgen. Keiner von ihnen war fähig zu kämpfen.

»Wir werden ganz offen in die Stadt hineinreiten«, murmelte er nach einer Weile. »Durch dieses Tor.«

Del runzelte mißbilligend die Stirn. »Hältst du das für eine gute Idee?«

»Wir sind zu viele, um ungesehen über die Hecke zu kommen«, gab Skar zurück. »Und Mergell wird es nicht wagen, uns einfach niederschießen zu lassen, auch wenn es vermutlich nichts gibt, was er lieber täte.« Er lachte leise und tätschelte geistesabwesend den Hals seines Pferdes. »Er sitzt auf einem Pulverfaß, und er weiß es. Die fünfzig Männer, die er hat, würden sich keine Minute halten können, wenn ganz Went gegen ihn aufsteht.« Er drehte sich halb im Sattel um und blickte zum Waldrand zurück.

Bernec war mit dem Rest ihrer kleinen Streitmacht zurückgeblieben, um ihnen Deckung zu geben, falls sie wider Erwarten angegriffen werden sollten. Aber bisher war nichts geschehen. Skar zweifelte nicht daran, daß Mergell bereits wußte, daß sie zurück waren. Del und er hatten sich keine sonderliche Mühe gegeben, unentdeckt zu bleiben, und die Posten auf den hölzernen Wachtürmen jenseits der hohen Dornenhecke trugen die Uniformen lpcearns.

Er hob die Hand, winkte und wartete ungeduldig, bis sich das Unterholz teilte und die Reiter langsam herankamen. Das graue Licht der Dämmerung ließ sie zu schwarzen Schatten werden, die sich gegen den Hintergrund des Waldes einzig durch ihre Bewegungen abhoben. Skar glaubte die Nervosität, die sich über der Gruppe ausgebreitet hatte, regelrecht sehen zu können. Die Hände der Männer ruhten auf den Griffstücken ihrer Waffen.

Er nickte Bernec aufmunternd zu, drehte sich wieder um und preßte seinem Pferd sanft die Schenkel in die Seite. Das Tier warf den Kopf zurück und wieherte: ein leiser, heller Ton, der selbst jenseits der doppelten Dornenhecke noch deutlich zu hören sein mußte. Es spürte wohl die Nähe des Stalles und tänzelte nervös. Skar kraulte es sanft zwischen den Ohren: eine Bewegung, die wohl eher zu seiner eigenen Beruhigung diente als der des Tieres.

Das schwere, hölzerne Tor wurde von innen geöffnet, als sie noch wenige Meter davon entfernt waren. Dunkelroter Feuerschein fiel auf den schmalen Waldweg heraus und ließ die Risse und Unebenheiten des Bodens überdeutlich hervortreten. Skar ritt in gleichmäßigem Tempo weiter und beugte sich tief im Sattel vor, um nicht mit dem Kopf gegen den niedrigen Torbogen zu stoßen. Rechts und links des Weges, der durch den schmalen Verteidigungsgürtel führte, brannten flackernde Feuer. Die Stadt war still; unheimlich still. Eine Ruhe, die wie in Erwartung irgendeines schrecklichen Ereignisses zu pulsieren schien.

»Gib auf Bernec acht«, flüsterte Skar.

Del nickte unmerklich. Sein Blick tastete nervös über die Doppelreihe schweigender Krieger, die den Weg jenseits der inneren Hecke flankierten. Es mußten an die fünfzig sein. Mergell hatte seine gesamte Streitmacht aufgeboten, um sie zu empfangen.

Skar ritt unbeeindruckt weiter, passierte das zweite, innere Tor und brachte sein Tier wenige Schritte vor Mergell zum Stehen. Die gespannten Bögen in den Händen der Ipcearner folgten jeder seiner Bewegungen.

»Ich wußte, daß wir uns wiedersehen«, sagte Mergell leise. Er sprach langsam und übermäßig betont, aber es gelang ihm nicht völlig, den nervösen Unterton in seiner Stimme zu leugnen. »Ihr habt es also geschafft«, fuhr er fort, deutlich zwischen Resignation und widerwilliger Anerkennung schwankend.