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Er kroch zurück, richtete sich lautlos auf und gab Del einen Wink. Der junge Satai huschte zur anderen Seite der Tür, nickte stumm, hob erst drei, dann zwei und schließlich nur noch einen Finger. Als er die Faust ein viertes Mal und geballt in die Höhe stieß, stürmten sie los.

Die Posten hatten nicht einmal mehr Zeit, einen Hilferuf auszustoßen. Die beiden Satai stürmten nebeneinander durch die Tür und brachen wie ein Wirbelsturm aus heiterem Himmel über sie herein. Skar riß den der Tür am nächsten sitzenden Mann in die Höhe und schmetterte ihm die Faust ins Gesicht. Del warf sich gegen den Tisch, stieß ihn um und begrub die beiden verbliebenen Soldaten kurzerhand unter der schweren, hölzernen Platte. Der Kampf war vorüber, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte.

»In Ordnung«, sagte Del laut. »Ihr könnt kommen.« Coar und Bernec traten hinter ihnen in die Wachstube. Bernec nickte anerkennend, als er die reglos daliegenden Soldaten sah. »Gute Arbeit«, lobte er. »Werden sie lange genug bewußtlos bleiben?«

»Wir fesseln sie sicherheitshalber«, bestimmte Skar. »Sie werden sowieso bald gefunden.« Er bückte sich, stemmte die Tischplatte hoch und zog einen der bewegungslosen Männer an den Armen über den Boden. »Helft mit, sie auszuziehen«, sagte er.

»Ausziehen?« echote Bernec verwirrt. »Aber wozu?«

»Weil wir ihre Uniformen brauchen«, murrte Del ungeduldig. »Eine bessere Tarnung können wir uns gar nicht wünschen.«

»Aber es sind nur drei«, gab Bernec zu bedenken.

Del schnaubte ungeduldig. »Das sehen wir selbst«, erklärte er spitz. »Dann werden Skar, du und ich eben Coar durch die Festung eskortieren. Kannst du dich jetzt wenigstens allein umziehen, oder muß ich das auch noch machen, wenn ich schon für dich denken soll?«

»Del!« sagte Skar warnend.

»Das klappt nie«, murmelte Bernec, ohne auf Dels beleidigenden Tonfall zu reagieren. »Ich bin hier viel zu bekannt. Und Coar auch.«

»Halt mich fest, Skar!« flehte Del in gespielter Verzweiflung. »Sonst erkennt ihn gleich nicht mal seine eigene Mutter wieder!« Er knurrte, ballte die Fäuste und trat drohend auf Bernec zu. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte die Situation vielleicht komisch gewirkt, aber Bernec schien sich mit einemmal nicht mehr so sicher zu sein, daß Del wirklich nur herumflachste. Er wich einen Schritt zurück, hob hastig die Hände und begann, seinen Rock aufzuknöpfen.

»Hört mit dem Quatsch auf«, sagte Skar rauh. »Für so etwas haben wir keine Zeit. Coar - geh zur Tür und paß auf.«

Coar gehorchte. Sie entkleideten die Posten bis auf die Unterwäsche, fesselten und knebelten sie und zogen sich in aller Eile um. Skar und Del streiften die einfachen, braunen Gewänder kurzerhand über ihre Harnische und verbargen ihre Schwerter unter den Umhängen, so gut es ging. Kein Bewohner Ipcearns würde sich durch die Verkleidung ernsthaft täuschen lassen; aber vielleicht verschaffte sie ihnen einige wertvolle Sekunden.

»Wohin führen diese Türen?« fragte Skar, als er fertig umgezogen war.

Bernec zuckte unglücklich die Achseln. »So genau kenne ich mich hier nicht aus«, murmelte er. »Ich war schon oft hier, aber die Wege der Wächter kenne ich nicht. Wir müssen versuchen, einen der Hauptgänge zu erreichen. Dort fallen wir auch weniger auf. Selbst um diese Zeit sind dort ständig Menschen.«

»Gut«, sagte Skar. »Dann gehen wir.« Er öffnete vorsichtig die rechte der beiden Türen, spähte auf den dahinterliegenden Gang hinaus. Er war dunkel und schmal und erinnerte ihn für einen Moment an die finsteren Stollen tief unter der Nonakesh. Aus dem Inneren der Festung wehten ihm leise Geräusche entgegen; einzeln nicht unterscheidbar, aber in ihrer Gesamtheit fast so etwas wie die Lebensgeräusche eines großen, geduldigen Tieres bildend.

Er öffnete die Tür weiter und trat an der Spitze ihrer kleinen Gruppe auf den Gang hinaus. Sie gingen eine kurze Treppe hinauf, durchquerten einen zweiten, menschenleeren Raum und standen schließlich vor einem nur mit einem schweren, dunkelroten Vorhang verschlossenen Durchgang. Dahinter lag, wie Skar mit einem raschen Blick feststellte, einer der Säulengänge, auf dem Mergell ihn bei seinem ersten Besuch auf Ipcearn zu den Gemächern des Königs geleitet hatte.

»Keinen Laut mehr jetzt«, sagte er warnend, bevor sie auf den Gang hinaustraten. »Bernec - du gehst voraus, dann Coar. Del und ich folgen.«

»Und was ist, wenn wir angesprochen oder aufgehalten werden?« fragte Bernec nervös.

Skar lächelte. »Frag mich das, wenn es soweit ist.« Er schlug den Vorhang beiseite, trat aus der Tür und wartete ungeduldig, bis Bernec und Coar an ihm vorbeigegangen waren. Natürlich hatte Bernec mit seinen Befürchtungen durchaus recht - die verstärkten Wachen bewiesen, daß man in Ipcearn mit einem Angriff rechnete und auf der Hut war, und das Volk von Cearn war einfach nicht groß genug, als daß nicht die meisten Bewohner der Festung sowohl ihn als auch Coar kennen mußten. Aber sie waren schon zu weit gegangen, um jetzt noch zurück zu können. Bisher hatten sie Glück gehabt, und wenn ihnen das gleiche Glück noch wenige Augenblicke treu blieb, konnten sie es schaffen.

Und dann? wisperte die dunkle Stimme in ihm. Was wirst du dann tun? Wirst du Seshar einen Dolch ins Herz rammen? Oder wirst du nur zusehen, wie Bernec es tut? Sie werden euch lynchen, so oder so, und dann werden die Bewohner von Went Ipcearn stürmen. Ganz egal, was du tust, es ist sinnlos.

Bernec schritt rasch vor ihnen aus. Von Zeit zu Zeit begegneten sie Bediensteten oder uniformierten Soldaten, aber es waren weniger, als er befürchtet hatte. Ipcearn befand sich in Alarmstimmung, aber die Männer schienen genug mit sich selbst und ihren Gedanken zu tun zu haben, um auf die drei abgelösten Wachen und die Frau in dem unauffälligen grünen Mantel zu achten. Sie gingen bis zum Ende des Säulenganges, bogen nach rechts ab und stiegen über eine schmale Treppe wieder in die Höhe. Skar durchlebte einige bange Sekunden, als sie dicht an einer Gruppe aufgeregt miteinander diskutierender Soldaten vorbei mußten, aber keiner der Männer beachtete sie auch nur mit einem Blick. Ihr Vorankommen erschien ihm beinahe zu leicht. Er war zu lange selbst Soldat gewesen und hatte in zu vielen verschiedenen Heeren gedient, um nicht zu wissen, daß Soldaten im allgemeinen ein schwatzhaftes Völkchen waren, zumindest dann, wenn sie dienstfrei hatten. Aber niemand sprach sie an, selbst dann nicht, als sie tiefer ins Innere Ipcearns vordrangen und sich dem Bereich näherten, in dem die Privaträume der Könige lagen.

Bernec blieb schließlich vor einer niedrigen, von zwei steinernen Adlern flankierten Holztür stehen.

»Dahinter muß es irgendwo sein«, erklärte er. »Aber den genauen Weg kenne ich auch nicht. Ich war nie in Seshars Gemächern.«

»Aber ich«, knurrte Skar. Er schob sich an ihm vorbei, warf einen sichernden Blick über die Schulter zurück und streckte die Hand nach der geschmiedeten Türklinke aus. Der Moment war günstig. Außer ihnen schien sich niemand in diesem Teil des Schlosses aufzuhalten, und wahrscheinlich würde auch - mit Ausnahme der regelmäßig patrouillierenden Wachen, denen sie auf dem Herweg begegnet waren und die ihre Aufgabe nicht sonderlich ernst zu nehmen schiene n - so rasch kein Besucher kommen. Die frühe Stunde erwies sich als unerwartet glücklich gewählt. Selbst bei einem König würde es kaum Mißtrauen erregen, wenn er, auch gegen seine sonstigen Gewohnheiten, nach Sonnenaufgang ein wenig länger in seinen Gemächern blieb.

Er öffnete die Tür, schlüpfte hindurch und schob sie hastig hinter Del wieder ins Schloß. Vor ihnen lag ein heller, lichtdurchfluteter Raum, der von den breiten Stufen einer kunstvoll geschnitzten Treppe in zwei unregelmäßige Hälften geteilt wurde. An ihrem oberen Ende lag die wuchtige Doppeltür, hinter der sich Seshars Privaträume verbargen. Skar war schon einmal hier gewesen, aber es fiel ihm schwer, den Raum wiederzuerkennen. Das Sonnenlicht, das durch die weit zurückgezogenen Vorhänge hereinströmte, veränderte sein Aussehen mehr, als er für möglich gehalten hätte.