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Sie kämpfte, trat und schlug um sich, biß sogar, aber der Bursche war so breit wie Perrin und einen Kopf größer. Er schien ihr auch ebenso unerbittlich wie Perrin. Sie hätte vor Enttäuschung über die erniedrigende Leichtigkeit weinen können, mit der er sie überwältigte, indem er ihr zunächst alle ihre Dolche nahm und sie hinter seinen Gürtel steckte und dann eine ihrer eigenen Klingen benutzte, um ihr die Kleidung zu zerschneiden. Sie lag, fast bevor es ihr bewußt wurde, nackt im Schnee. Er hatte ihr die Hände mit einem ihrer Strümpfe auf dem Rücken gefesselt und den anderen Strumpf als Koppel um ihren Hals gebunden.

Sie hatte keine andere Wahl, als ihm zitternd und durch den Schnee stolpernd zu folgen. Sie bekam vor Kälte eine Gänsehaut. Licht, wie hatte sie diesen Tag jemals für etwas anderes als eiskalt halten können? Und Licht, wenn es nur jemandem gelungen war, mit den Nachrichten über Masema zu entkommen! Perrin würde natürlich auch von ihrer Gefangennahme erfahren, aber sie würde irgendwie entkommen können. Das andere war wichtiger.

Der erste Leichnam, den sie sah, war Pareleans; er lag auf dem Rücken, das Schwert in der ausgestreckten Hand, und überall auf seiner edlen Jacke mit den Satinstreifen an den Ärmeln war Blut. Es folgten noch viele Leichname, Beflügelte Wächter mit ihren roten Brustharnischen, Alliandres Soldaten mit den dunkelgrünen Helmen, einer der Falkner, wobei der Wanderfalke mit der Kappe vergeblich gegen die noch immer fest in der Faust des Mannes gefangenen Riemen anflatterte. Sie gab die Hoffnung jedoch nicht auf.

Die ersten anderen Gefangenen, die sie sah, zwischen einigen Aiel kniend, Männern und Töchtern des Speers, deren Schleier jetzt über ihre Brust herabhingen, waren Bain und Chiad, ebenfalls nackt, die ungefesselten Hände auf den Knien. Blut lief über Bains Gesicht und machte ihr flammendrotes Haar stumpf. Chiads linke Wange war blau und angeschwollen, und ihre grauen Augen wirkten ein wenig erstaunt. Sie knieten gerade aufgerichtet da, unbeteiligt und nicht beschämt, aber als der große Aiel Faile neben ihnen grob auf die Knie zwang, kamen sie wieder zu sich.

»Das ist nicht recht, Shaido«, murmelte Chiad verärgert.

»Sie folgt keinem Ji'e'toh«, erwiderte Bain barsch. »Man kann sie nicht zur Gai'shain machen.«

»Die Gai'shain werden friedlich sein«, sagte eine bereits ergrauende Tochter des Speers gedankenverloren. Bain und Chiad sahen Faile kummervoll an und verlegten sich dann wieder auf schweigendes Abwarten. Faile kauerte sich zusammen, versuchte ihre Nacktheit mit den Knien zu bedecken und wußte nicht, ob sie weinen oder lachen sollte. Dies waren die beiden Frauen, die ihr hätten helfen können zu entkommen, und keine würde es wegen Ji'e'toh auch nur versuchen.

»Ich sage es noch einmal, Efalin«, murrte der Mann, der sie gefangengenommen hatte, »dies ist töricht. Wir kommen auf diesem ... Schnee viel zu langsam voran.« Er sprach das Wort seltsam aus. »Es gibt hier zu viele bewaffnete Männer. Wir sollten nach Osten ziehen und nicht noch weitere Gai'shain gefangennehmen, die uns noch mehr behindern.«

»Sevanna will weitere Gai'shain, Rolan«, erwiderte die bereits ergrauende Tochter des Speers. Sie runzelte jedoch die Stirn, und ihre harten grauen Augen schienen einen Moment Mißbilligung auszudrücken.

Faile blinzelte zitternd, als ihr die Namen ins Bewußtsein drangen. Licht, die Kälte beeinträchtigte ihren Verstand. Sevanna. Shaido. Sie waren doch in Brudermörders Dolch, so weit von hier entfernt, wie man nur sein konnte, wenn man nicht das Rückgrat der Welt überquerte! Aber sie befanden sich eindeutig nicht dort. Das sollte Perrin ebenfalls wissen, ein weiterer Grund, warum sie bald entkommen mußte. Es bestand wohl kaum eine Chance darauf, da sie hier im Schnee kauerte und sich fragte, welche ihrer Körperteile zuerst erfrieren würden. Das Rad wog ihre Belustigung über Berelains Zittern mit dieser Rache auf. Tatsächlich freute sie sich auf die dicken Tuchgewänder der Gai'shain. Ihre Gefangenenwärter machten jedoch keinerlei Anstalten zum Aufbruch. Offenbar sollten noch weitere Gefangene herangebracht werden.

Die erste war Maighdin, ebenso wie Faile all ihrer Kleidung beraubt und gefesselt und jeden Schritt des Weges sich widersetzend. Bis die Tochter des Speers, die sie vorwärts stieß, ihr jäh die Füße wegtrat. Maighdin tauchte mit dem Gesäß in den Schnee ein, und ihre Augen weiteten sich so stark, daß Faile vielleicht gelacht hätte, wenn sie kein Mitleid für die Frau empfunden hätte. Als nächste kam Alliandre, in dem Versuch, sich zu schützen, stark vornübergebeugt, und dann Arrela, die durch ihre Nacktheit halbwegs gelähmt schien und von zwei Töchtern des Speers beinahe vorangezerrt werden mußte. Schließlich erschien ein weiterer großer Aiel mit einer wie ein Paket unter dem Arm geklemmten, wild um sich tretenden Lacile.

»Die übrigen sind tot oder entkommen«, sagte der Mann und ließ die kleine cairhienische Frau neben Faile fallen. »Sevanna wird sich mit diesen begnügen müssen, Efalin. Sie legt zuviel Wert auf Leute, die Seide tragen.«

Faile wehrte sich nicht, als man sie drängte aufzustehen und sie dann an der Spitze der übrigen Gefangenen mühsam durch den Schnee stapfen ließ. Sie war zu benommen, um sich zu wehren. Parelean tot, Arrela und Lacile gefangen, und Alliandre und Maighdin ebenfalls. Licht, jemand mußte Perrin vor Masema warnen. Irgend jemand. Es schien ein letzter Schlag zu sein. Doch sie war hier, zitternd und die Zähne zusammenbeißend, damit sie nicht klapperten, und bemühte sich nach besten Kräften vorzugeben, sie wäre nicht völlig nackt und gefesselt und auf dem Weg in eine Ungewisse Gefangenschaft. Obendrein mußte sie noch hoffen, daß es dieser hinterhältigen Katze — dieser schmollenden Hure! — Berelain gelungen war, zu entkommen, damit sie Perrin erreichen könnte. Abgesehen von allem anderen schien dies das schlimmste.

Egwene führte Daishar die Kolonne der Neulinge entlang, Schwestern auf ihren Pferden zwischen den Wagen und Aufgenommene und Novizinnen trotz des Schnees zu Fuß. Die Sonne schien hell, und es standen nur wenige Wolken am Himmel, aber es stieg dennoch Dampf aus den Nüstern ihres Wallachs. Sheriam und Siuan ritten hinter ihr und unterhielten sich leise über von Siuans Augen-und-Ohren erfahrene Neuigkeiten. Egwene hatte die Frau mit dem feuerroten Haar schon für eine tüchtige Behüterin der Chroniken gehalten, als sie sich damit abgefunden hatte, daß sie nicht die Amyrlin war, und Sheriam schien ihren Pflichten von Tag zu Tag emsiger nachzukommen. Chesa folgte auf ihrer stämmigen Stute, und sie murrte, was ihr nicht ähnlich sah, darüber, daß Meri und Selame davongelaufen waren, diese undankbaren Geschöpfe, und ihr die Arbeit für drei überließen. Sie ritten langsam voran, und Egwene mied es sehr sorgfältig, die Kolonne zu betrachten.

Ein Monat der Aushebungen, in dem das Novizinnenbuch jedermann offenstand, hatte eine erstaunliche Anzahl Frauen zu ihnen geführt, die danach strebten, Aes Sedai zu werden, Frauen jeden Alters, von denen einige Hunderte von Meilen weit gereist waren. Es befanden sich jetzt doppelt so viele Novizinnen in der Kolonne wie zuvor. Fast eintausend! Die weitaus meisten würden niemals die Stola tragen, und doch erregte ihre bloße Anzahl Aufsehen. Einige würden vielleicht hin und wieder Schwierigkeiten bereiten, und eine Frau, eine Großmutter namens Sharina mit einem noch größeren Potential als Nynaeve, hatte gewiß jedermann verblüfft, aber es war nicht der Anblick einer Mutter und einer Tochter, die miteinander stritten, weil die Tochter eines Tages die weitaus Stärkere sein würde, den Egwene zu meiden versuchte, oder adlige Frauen, die zu glauben begannen, sie hätten die falsche Wahl getroffen, als sie darum baten, geprüft zu werden, und auch nicht Sharinas beunruhigend direkte Blicke. Die grauhaarige Frau befolgte jede Regel und zeigte allen angemessenen Respekt, aber sie hatte ihre große Familie durch die reine Macht ihrer Anwesenheit geführt, und selbst einige der Schwestern behandelten sie mit Vorsicht. Was Egwene nicht sehen wollte, waren die jungen Frauen, die sich ihnen vor zwei Tagen angeschlossen hatten. Die beiden Schwestern, die sie hierher gebracht hatten, waren äußerst bestürzt gewesen, Egwene als Amyrlin vorzufinden, aber ihre Schützlinge konnten es schlichtweg nicht glauben, nicht Egwene al'Vere, die Tochter des Bürgermeisters von Emondsfelde. Sie wollte niemanden bestrafen lassen, aber sie würde es tun müssen, wenn noch jemand ihr die Zunge herausstreckte.