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Grady und Neald, die in ihren nachtschwarzen Umhängen nicht schwitzten, grüßten nicht. Sie standen neben dem Herdfeuer, das sie ein Stück von allen anderen entfernt entzündet hatten, und sahen ihn nur an. Erwartungsvolle Blicke, dachte er. Was erwarteten sie? Das war die Frage, die er sich bei ihnen stets stellte. Die Asha'man bereiteten ihm mehr Unbehagen als die Aes Sedai oder die Weisen Frauen. Es war natürlich, daß Frauen die Macht lenkten, auch wenn ein Mann sich dabei nicht wirklich wohl fühlte. Grady mit dem gewöhnlichen Gesicht wirkte trotz Umhang und Schwert wie ein Bauer und Neald mit seinem gezwirbelten Schnurrbart wie ein Geck, und doch konnte Perrin nicht vergessen, was sie waren und was sie an den Brunnen von Dumai getan hatten. Aber andererseits war er auch dort gewesen. Das Licht helfe ihm, so war es. Er nahm seine Hand von der Streitaxt an seinem Gürtel und stieg ab.

Diener — Männer und Frauen von Lord Dobraines Ländereien in Cairhien — liefen von den Reihen angepflockter Pferde herbei und übernahmen ihre Reittiere. Keiner reichte über Perrins Schulter hinaus, ländlich gekleidete Leute, die sich ständig willfährig verbeugten und Hofknickse vollführten. Faile sagte, er verwirre sie, wenn er sie aufforderte, damit aufzuhören oder es ihm gegenüber nicht mehr so häufig zu tun. Tatsächlich rochen sie verwirrt, wenn er es tat, und verbeugten sich eine oder zwei Stunden später doch wieder. Andere, fast so viele wie die Leute von den Zwei Flüssen, beschäftigten sich mit den Pferden oder mit den langen Reihen hochrädriger Karren, auf denen sämtliche Vorräte transportiert wurden. Einige wenige eilten in ein großes rotweißes Zelt oder kamen daraus hervor.

Dieses Zelt veranlaßte Perrin, wie üblich düster zu stöhnen. Berelain besaß im mayenischen Teil des Lagers ein noch größeres Zelt sowie eines für ihre beiden Dienerinnen und ein weiteres für die beiden Diebfänger, die sie unbedingt mitbringen wollte. Auch Annoura hatte ein eigenes Zelt und Gallenne ebenfalls, aber nur er und Faile besaßen hier eines. Was ihn betraf, so hätte er wie die anderen Männer von zu Hause unter freiem Himmel geschlafen. Sie hatten nachts nichts außer einer Decke über sich. Es war gewiß kein Regen zu befürchten. Auch die cairhienischen Diener schliefen im Freien neben den Karren. Er konnte Faile jedoch nicht darum bitten, wenn Berelain ein Zelt hatte. Wenn er Berelain nur in Cairhien hätte zurücklassen können. Aber dann hätte er Faile nach Bethai hineinschicken müssen.

Zwei Banner an hohen, frisch zugeschnittenen Pfählen inmitten einer freien Fläche in der Nähe des Zelts verdüsterten seine Stimmung noch mehr. Die Brise war ein wenig aufgefrischt, obwohl es noch immer zu warm war. Er glaubte, den Donner erneut zu hören, ein schwaches Grollen im Westen. Die Banner entfalteten sich wellenförmig langsam, sackten unter ihrem eigenen Gewicht wieder zusammen und öffneten sich erneut in Wellen. Sein karmesinrot gesäumter Roter Wolfskopf und der Rote Adler des lange versunkenen Manetheren wurden entgegen seinen Befehlen erneut öffentlich gezeigt. Vielleicht hatte er es in gewisser Weise aufgegeben, sich zu verbergen, aber unbestreitbar war, daß Ghealdan ein Teil von Manetheren gewesen war. Alliandre würde nicht beruhigt sein, wenn sie von diesem Banner hörte! Es gelang ihm, eine freundliche Miene und ein Lächeln für die stämmige Frau aufzusetzen, die einen tiefen Hofknicks vollführte und Traber davonführte.

Die Fäuste in die Hüften gestemmt, stand Maighdin da und betrachtete die sich entfaltenden Banner, während ihr Pferd mit den anderen fortgeführt wurde. Überraschenderweise trug Breane ihre beiden Bündel, hielt sie jedoch unbeholfen fest. Sie betrachtete verdrießlich die anderen Frauen. »Ich habe von solchen Bannern gehört«, sagte Maighdin unvermittelt. Kein Zorn klang in ihrer Stimme mit, die ebenso glatt war wie ihr Gesicht, aber Perrin konnte ihre Wut riechen. »Sie wurden von Männern in Andor gehißt, in den Zwei Flüssen, die sich gegen ihren rechtmäßigen Herrscher auflehnten. Aybara ist wohl ein Name aus den Zwei Flüssen.«

»Wir wissen nicht viel über rechtmäßige Herrscher in den Zwei Flüssen, Herrin Maighdin«, grollte er. Er würde jedem das Fell über die Ohren ziehen, der sie dieses Mal gehißt hatte. Wenn sich die Geschichten über die Aufstände schon so weit verbreitet hatten... Er stand bereits zu vielen Schwierigkeiten gegenüber, als daß er noch mehr hätte gebrauchen können. »Morgase war vermutlich eine gute Königin, aber wir mußten uns allein durchs Leben schlagen, und das haben wir getan.« Ihm wurde jäh bewußt, an wen sie ihn erinnerte. An Elayne. Nicht daß es etwas bedeutet hätte. Er hatte Männer tausend Meilen von den Zwei Flüssen entfernt gesehen, die zu Familien gehören konnten, die er zu Hause gekannt hatte. Dennoch mußte es einen Grund für ihren Zorn geben. Ihr Akzent konnte andoranisch sein. »Die Dinge stehen in Andor nicht so schlecht wie Ihr vielleicht gehört habt«, belehrte er sie. »In Caemlyn war es friedlich, als ich das letzte Mal dort war, und Rand — der Wiedergeborene Drache — will Morgases Tochter Elayne auf den Löwenthron bringen.«

Maighdin war absolut nicht besänftigt, vielmehr drehte sie sich mit blitzenden Augen zu ihm um. »Er beabsichtigt, sie auf den Thron zu bringen? Niemand bringt eine Königin auf den Löwenthron! Elayne wird den Thron von Andor rechtmäßig beanspruchen!«

Perrin kratzte sich den Kopf und wünschte, Faile würde aufhören, die Frau lediglich aufmerksam zu beobachten, und etwas sagen. Aber sie steckte nur ihre Reithandschuhe hinter ihren Gürtel. Bevor er darüber nachdenken konnte, was er erwidern sollte, mischte sich Lini ein, ergriff Maighdins Arm und schüttelte sie so fest, daß ihre Zähne klapperten.

»Ihr werdet Euch entschuldigen!« befahl die alte Frau barsch. »Dieser Mann hat Euch das Leben gerettet, Maighdin, und Ihr vergeßt Euch. Wie kann eine einfache Frau vom Lande so mit einem Lord sprechen! Erinnert Euch daran, wer Ihr seid, und bringt Euch mit Euren Worten nicht in Teufels Küche! Wenn dieser junge Lord Streit mit Morgase hatte — nun, jedermann weiß, daß sie tot ist, und es geht Euch gewiß nichts an! Jetzt entschuldigt Euch, bevor er ärgerlich wird!«

Maighdin sah Lini an, ihre Lippen bebten, und sie war noch bestürzter als Perrin. Sie überraschte ihn jedoch erneut. Anstatt die weißhaarige Frau zurechtzuweisen, richtete sie sich langsam auf, straffte die Schultern und sah ihm in die Augen. »Lini hat vollkommen recht. Es war ungehörig von mir, so mit Euch zu sprechen, Lord Aybara. Ich entschuldige mich. Demütig. Und ich bitte Euch um Verzeihung.« Demütig? Ihr Kinn war angespannt, ihr Tonfall dem Stolz einer Aes Sedai angemessen, und ihr Geruch besagte, daß sie noch immer äußerst wütend war.

»Es ist verziehen«, sagte Perrin hastig. Was sie anscheinend auch nicht besänftigte. Sie lächelte, und vielleicht wollte sie damit Dankbarkeit zeigen, aber er konnte sie mit den Zähnen knirschen hören. Waren Frauen alle verrückt?

»Diese Leute sind von der Reise erhitzt und schmutzig, mein Gemahl«, sagte Faile schließlich einlenkend, »und die letzten Stunden waren gewiß anstrengend für sie. Aram kann den Männern zeigen, wo sie sich säubern können. Ich werde die Frauen mit mir nehmen. Ich werde feuchte Tücher bringen lassen, damit Ihr Euch Gesicht und Hände waschen könnt«, sagte sie an Maighdin und Lini gewandt. Sie bedeutete Breane mit einer Geste, sich anzuschließen, und drängte sie zum Zelt. Auf ein Nicken von Perrin hin forderte Aram die Männer auf ihm zu folgen.

»Sobald Ihr Euch erfrischt habt, Meister Gill, würde ich gern mit Euch sprechen«, sagte Perrin.

Er hätte ebensogut das sich drehende Feuerrad gestalten können. Maighdin fuhr herum und starrte ihn an, und die anderen beiden Frauen erstarrten in der Bewegung. Tallanvor ergriff plötzlich erneut sein Schwertheft, und Balwer stellte sich auf Zehenspitzen und spähte über sein Bündel hinweg, den Kopf einmal hierhin und einmal dorthin geneigt. Vielleicht nicht wie ein Wolf, sondern eher wie ein Vogel, der sich vor Katzen in acht nimmt. Der untersetzte Mann, Basel Gill, ließ seine Habe fallen und schrak zusammen.