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»Das würden sie wahrhaftig tun«, warf Meralda verächtlich ein, während auch sie ihren Schwertgürtel schloß, »und noch um Gnade bitten.« Meralda war dunkel und stämmig und so groß wie Faile, aber die Tairenerin zog auf einen finsteren Blick von Selande hin den Kopf zwischen die Schultern und murmelte eine Entschuldigung. Es bestand kein Zweifel, wer die Cha Faile — nach Faile — anführte.

Faile war froh gewesen, daß kein Grund bestanden hatte, die Rangordnung zu ändern, die sie aufgestellt hatten. Selande war, von Parelean vielleicht abgesehen, die klügste von allen, und nur Arella und Camaille waren flinker. Selande besaß zudem noch eine zusätzliche Eigenschaft, eine Unerschrockenheit, als hätte sie bereits der schlimmsten Bedrohung in ihrem Leben gegenübergestanden, so daß nichts jemals wieder so schlimm werden könnte. Natürlich wollte sie eine Narbe haben, wie die Töchter des Speers sie hatten. Faile besaß mehrere kleine Narben, fast alle Ehrenmale, aber es war Dummheit, eine Narbe regelrecht anzustreben. Zumindest war die Frau in dieser Angelegenheit nicht allzu eifrig.

»Wir haben eine Landkarte erstellt, wie Ihr gefordert habt, Mylady«, bemerkte die kleine Frau mit einem letzten warnenden Blick zu Meralda. »Wir haben die Rückseite von Lord Telabins Palast so deutlich wie möglich aufgeführt, aber ich fürchte, es handelt sich nur um Gärten und Ställe.«

Faile versuchte nicht, die Linien auf dem Papier, das sie im Mondlicht entfaltete, zu erkennen. Schade, daß sie nicht selbst hatte gehen können. Sie hätte auch das Innere aufzeichnen können. Nein. Was geschehen war, war geschehen, wie Perrin gerne sagte. Und es genügte. »Und Ihr seid sicher, daß niemand die aus der Stadt hinausfahrenden Wagen durchsucht?« Sie konnte selbst in dem fahlen Licht Verwirrung auf vielen der vor ihr befindlichen Gesichter erkennen. Niemand wußte, warum sie einige von ihnen nach Bethai geschickt hatte.

Selande wirkte nicht verwirrt. »Ja, Mylady«, sagte sie ruhig.

Der Wind frischte einen Moment auf und ließ das Laub auf den Bäumen und das tote Laub am Boden rascheln. Faile wünschte, sie besäße Perrins Gehör und auch seine Nase und Augen. Es war unwichtig, wenn jemand sie hier mit ihren Gefolgsleuten sah, aber Lauscher wären etwas anderes. »Ihr habt es sehr gut gemacht, Selande. Ihr alle.« Perrin kannte die Gefahren, die hier genauso real waren wie irgendwo weiter im Süden. Er wußte darum, aber er dachte wie die meisten Männer ebenso oft mit dem Herzen wie mit dem Verstand. Eine Ehefrau mußte praktisch denken, um ihren Gemahl aus Schwierigkeiten herauszuhalten. Das war der allererste Rat gewesen, den ihre Mutter ihr zum Thema Ehe gegeben hatte. »Ihr werdet beim ersten Tageslicht nach Bethai zurückkehren, und wenn Ihr Nachricht von mir erhaltet, werdet Ihr Folgendes tun...«

Selbst Selandes Augen weiteten sich entsetzt, während Faile fortfuhr, aber niemand äußerte auch nur den geringsten Protest. Es hätte Faile auch überrascht, wenn jemand dies getan hätte. Ihre Anweisungen waren sehr genau. Ihr Vorhaben würde Gefahren bergen, aber unter den gegebenen Umständen nicht annähernd so viele, wie sonst zu erwarten waren.

»Gibt es noch Fragen?« sagte sie schließlich. »Haben alle verstanden?«

Cha Faile antwortete einstimmig. »Wir leben für den Dienst an unserer Lady Faile.« Und das würde bedeuten, daß sie ihrem geliebten Wolf dienen würden, ob er diese Leute nun wollte oder nicht.

Maighdin regte sich unter ihren Decken auf dem harten Boden, während sich der Schlaf ihr entzog. Das war jetzt ihr Name. Ein neuer Name für ein neues Leben. Maighdin für ihre Mutter und Dorlain für eine Familie auf Ländereien, die ihr gehört hatten. Ein neues Leben für ein altes, vergangenes, aber Herzensbande konnten nicht getrennt werden. Und jetzt ... jetzt...

Das schwache Knacken von totem Laub ließ sie den Kopf heben, und sie beobachtete, wie ein dunkler Schatten durch die Bäume schlich. Lady Faile, die von dort, wo auch immer sie gewesen war, zu ihrem Zelt zurückkehrte. Eine angenehme junge Frau, freundlich und höflich im Ausdruck. Woher ihr Gemahl auch stammen mochte — sie war gewiß adliger Herkunft. Aber jung. Unerfahren. Das half vielleicht.

Maighdin ließ den Kopf wieder auf die Jacke sinken, die sie als Kissen zusammengerollt hatte. Licht, was tat sie hier? Den Dienst für eine Lady aufzunehmen! Nein. Sie würde letztendlich an ihrer Zuversicht festhalten, die konnte sie noch immer finden. Sie konnte es. Wenn sie tief genug forschte. Sie hielt beim Geräusch von Schritten in der Nähe die Luft an.

Tallanvor kniete sich anmutig neben sie. Er trug kein Hemd, und das Mondlicht glänzte auf seinen geschmeidigen Brust- und Schultermuskeln, während sein Gesicht im Schatten lag. Eine leichte Brise zauste sein Haar. »Welcher Wahnsinn ist das?« fragte er leise. »In Dienst zu treten? Was habt Ihr vor? Und erzählt mir nichts von dem Unsinn, ein neues Leben beginnen zu wollen. Ich glaube es nicht. Niemand glaubt es.«

Sie versuchte, sich abzuwenden, aber er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Er übte keinen Druck aus, und doch ließ er sie sofort innehalten, Licht, bitte laß mich nicht zittern. Das Licht hörte nicht auf sie, aber es gelang ihr zumindest, ihre Stimme ruhig zu halten. »Falls Ihr es noch nicht bemerkt habt — ich muß jetzt meinen Weg in der Welt gehen. Besser als Dienerin einer Lady denn als Schankmädchen. Ihr könnt gern allein weiterziehen, wenn Euch der Dienst hier nicht gefällt.«

»Ihr habt Euren Verstand oder Euren Stolz nicht abgelegt als Ihr den Thron aufgegeben habt«, murrte er. Verdammt sei Lini, daß sie das enthüllt hatte! »Wenn Ihr vorgeben wollt, das getan zu haben, solltet Ihr Lini lieber aus dem Weg gehen.« Der Mann verspottete sie! Er spottete — und wie! »Sie will sich mit Maighdin unterhalten, und ich argwöhne, daß sie mit ihr nicht so sanft umgehen wird wie mit Morgase.«

Sie setzte sich verärgert auf und streifte seine Hand ab. »Seid Ihr blind und taub? Der Wiedergeborene Drache hat Pläne für Elayne! Licht, es würde mir schon nicht gefallen, wenn er auch nur ihren Namen wüßte! Es muß mehr als ein Zufall sein, was mich zu einem seiner Gefolgsleute geführt hat, Tallanvor. So muß es sein!«

»Verdammt, ich wußte, daß es das sein mußte. Ich hoffte, ich würde mich irren, aber...«Er klang ebenso verärgert wie sie. Er hatte kein Recht, verärgert zu sein! »Elayne ist in der Weißen Burg in Sicherheit. Der Amyrlin-Sitz wird sie nicht in die Nähe eines Mannes gelangen lassen, der die Macht lenken kann, selbst wenn er der Wiedergeborene Drache ist —besonders wenn er es ist! —, und Maighdin Dorlain kann am Amyrlin-Sitz, dem Wiedergeborenen Drachen oder dem Löwenthron nichts ändern. Ihr kann nur das Genick gebrochen oder die Kehle durchschnitten werden, oder...!«

»Maighdin Dorlain kann aufpassen!« unterbrach sie ihn, um diese schreckliche Litanei zu beenden. »Sie kann zuhören! Sie kann...!« Sie brach verärgert ab. Was konnte sie tatsächlich tun? Plötzlich erkannte sie, daß sie nur in ihrem dünnen Nachthemd dasaß, und schlug rasch die Decken um sich. Die Nacht schien wirklich ein wenig kühl. Oder vielleicht kam die Gänsehaut von Tallanvors unsichtbar auf ihr ruhendem Blick. Der Gedanke ließ sie erröten, was er hoffentlich nicht sehen konnte. Glücklicherweise verlieh es aber auch ihrer Stimme Kraft. Sie war kein Mädchen mehr, das errötete, weil ein Mann es ansah! »Ich werde tun, was ich kann, was auch immer das ist. Die Gelegenheit wird kommen, etwas zu erfahren oder zu tun, was Elayne helfen wird. Und ich werde die Gelegenheit ergreifen!«

»Eine gefährliche Entscheidung«, belehrte er sie ruhig. Sie wünschte, sie könnte sein Gesicht in der Dunkelheit erkennen. Natürlich nur, um seine Miene zu ergründen. »Ihr habt gehört, wie er gedroht hat, jedermann zu hängen, der ihn schief ansähe. Ich kann das einem Mann mit solchen Augen glauben. Augen wie ein Tier. Ich war überrascht, daß er diesen Burschen gehen ließ. Ich dachte, er würde ihm die Kehle herausreißen! Wenn er entdeckt, wer Ihr seid, wer Ihr früher wart... Balwer könnte Euch verraten. Er hat niemals glaubhaft erklärt, warum er uns geholfen hat, aus Amador zu entkommen. Vielleicht hoffte er, Königin Morgase würde ihm eine neue Stellung geben. Jetzt weiß er, daß er keine Aussicht darauf hat, und will bei seinem neuen Herrn und seiner neuen Herrin vielleicht um Gunst buhlen.«