»Unter dem Licht«, sagte sie fest, während sie zu ihm aufblickte. »Ich, Alliandre Maritha Kigarin, gelobe Lord Perrin Aybara von den Zwei Flüssen jetzt und für alle Zeit Treue und Ergebenheit, es sei denn, er beschließt, mich von sich aus freizugeben. Meine Länder und Throne gehören ihm, denn ich lege sie in seine Hände. Das schwöre ich.«
Einen Moment herrschte Schweigen, nur unterbrochen durch Gallennes Keuchen und den gedämpften Laut seines auf dem Teppich aufschlagenden Weinbechers.
Dann hörte er Failes Stimme so leise, daß niemand in ihrer Nähe ihre Worte hätte verstehen können. »Unter dem Licht, ich nehme Euer Gelöbnis an und werde Euch und die Euren im Kampf und in Winterstürmen und vor allem, was die Zeit an Unheil bringen mag, beschützen. Die Länder und Throne von Ghealdan übergebe ich Euch als pflichtgetreue Vasallin. Unter dem Licht, ich werde...« Das mußte die saldaeanische Art der Annahme sein. Dank dem Licht war sie zu beschäftigt mit ihm, um Berelain ihm heftig zunicken und ihn gleichfalls drängen zu sehen. Sie beide wirkten fast, als hätten sie dies erwartet! Annoura erschien mit ihrem offenstehenden Mund jedoch ebenso erstaunt wie er — wie ein Fisch, der gerade das Wasser schwinden sah.
»Warum?« fragte er sanft, Failes enttäuschten Zischlaut und Berelains verärgertes Brummen gleichermaßen mißachtend. Verdammt, dachte er, ich bin ein einfacher Schmied! Niemand schwor einem Schmied die Treue. »Man hat mir gesagt, ich sei ein Ta'veren. Vielleicht wollt Ihr Euch dies noch einmal überlegen.«
»Ich hoffe, daß Ihr ein Ta'veren seid, mein Lord.« Alliandre lachte wenig belustigt und ergriff seine Hände noch fester, als fürchte sie, er könnte sie ihr entziehen. »Ich hoffe es von ganzem Herzen. Ich fürchte, nichts Geringeres wird Ghealdan retten. Ich bin zu dieser Entscheidung gelangt, als die Erste mir sagte, warum Ihr hier seid, und die Begegnung mit Euch hat mich nur in meinem Entschluß bestärkt. Ghealdan braucht Schutz, den ich ihm nicht geben kann, so daß ich verpflichtet bin, Schutz zu suchen. Ihr könnt es beschützen, mein Lord, Ihr und der Wiedergeborene Drache, dessen Name im Licht gesegnet sei. Tatsächlich würde ich meinen Schwur ihm gegenüber leisten, wenn er hier wäre, aber Ihr seid sein Stellvertreter. Indem ich den Schwur Euch gegenüber leiste, leiste ich ihn auch ihm gegenüber.« Sie atmete tief ein und überwand sich zu einem weiteren Wort. »Bitte.« Sie roch jetzt verzweifelt, und ihre Augen schimmerten vor Angst.
Er zögerte dennoch. Dies war fast mehr, als Rand sich wünschen konnte, aber Perrin Aybara war nur ein Schmied! Konnte er sich das noch immer sagen, wenn er hierauf einging? Alliandre blickte flehend zu ihm hoch. Wirkte Taveren auch bei ihnen selbst? fragte er sich. »Unter dem Licht, ich, Perrin Aybara, nehme Euer Gelöbnis an...« Seine Kehle war trocken, als er die Worte ausgesprochen hatte, die Faile ihm zugeflüstert hatte. Nun war es zu spät, innezuhalten und nachzudenken.
Alliandre küßte mit erleichtertem Seufzen seine Hände. Perrin glaubte, noch niemals in seinem Leben so verlegen gewesen zu sein. Er erhob sich rasch und zog Alliandre mit sich hoch. Dann erkannte er, daß er nicht wußte, was er als nächstes tun sollte. Die stolz strahlende Faile flüsterte ihm keine Hinweise mehr zu. Berelain lächelte mit gerötetem Gesicht ebenfalls erleichtert.
Er war sich sicher, daß Annoura die Stimme erheben würde — Aes Sedai hatten stets viel zu sagen, besonders wenn es ihnen die Gelegenheit verschaffte, die Führung zu übernehmen —, aber die Graue Schwester streckte nur ihren Weinbecher aus, um sich von Maighdin nachschenken zu lassen. Sie beobachtete ihn mit unlesbarer Miene, und Maighdin tat dies ebenfalls so angespannt, daß sie den Krug noch neigte, als der gewürzte Wein bereits über das Handgelenk der Aes Sedai lief. Annoura zuckte zusammen und starrte den Becher in ihrer Hand an, als hätte sie vergessen, daß er dort war. Faile legte die Stirn in Falten, Lini runzelte die Stirn noch stärker, und Maighdin eilte nach einem Tuch, um die Hand der Schwester abzutrocknen, während sie wieder leise murrte. Faile würde einen Anfall bekommen, wenn sie dieses Murren jemals hörte.
Perrin wurde sich bewußt, daß er sich zuviel Zeit nahm. Alliandre leckte sich besorgt die Lippen. Sie erwartete mehr, aber was? »Jetzt, da wir hier zu einem Ende gelangt sind, muß ich als nächstes den Propheten finden«, sagte er und zuckte zusammen. Zu unverblümt. Er hatte kein Gefühl für den Umgang mit Adligen, geschweige denn mit Königinnen. »Ihr wollt vermutlich nach Bethai zurückkehren, bevor jemand erfährt, daß Ihr fort wart.«
»Zuletzt habe ich gehört«, entgegnete Alliandre, »der Prophet des Lord Drachen sei in Abila. Das ist eine ziemlich große Stadt in Amadicia, vielleicht vierzig Meilen südlich von hier.«
Perrin runzelte wider Willen die Stirn, obwohl er seine Züge rasch wieder glättete. Also hatte Balwer recht gehabt. Wenn er in einem Punkt recht gehabt hatte, bedeutete das allerdings nicht, daß er in allen Punkten recht hatte, aber es wäre es vielleicht wert, sich anzuhören, was der Mann über die Weißmäntel zu sagen hatte. Und über die Seanchaner. Wie viele Taraboner waren beteiligt?
Faile glitt neben ihn, legte eine Hand auf seinen Arm und lächelte Alliandre herzlich zu. »Du kannst sie jetzt noch nicht fortschicken, mein Herz. Die Königin ist doch gerade erst angekommen. Laß uns noch etwas hier im Schatten plaudern, bevor sie den Rückweg antreten muß. Ich weiß, daß du dich um wichtige Dinge kümmern mußt.«
Es gelang ihm mit Mühe, Faile nicht anzustarren. Was konnte wichtiger sein als die Königin von Ghealdan? Mit Sicherheit nichts, was ihm jemand zu tun überlassen würde. Sie wollte eindeutig ohne ihn mit Alliandre sprechen. Mit etwas Glück würde sie ihm später erzählen, warum. Mit etwas Glück würde sie ihm alles erzählen. Elyas glaubte die Saldeaner vielleicht zu kennen, aber Perrin hatte gelernt, daß nur ein Narr alle Geheimnisse seiner Frau herauszufinden versucht. Oder sie von jenen wissen läßt, die er bereits herausgefunden hat.
Alliandre zu verlassen sollte zweifellos ebenso zeremoniell vonstatten gehen wie sie zu begrüßen, und es gelang ihm, sich angemessen zu verbeugen und sich zu entschuldigen, woraufhin sie einen tiefen Hofknicks vollführte und murmelte, er erwiese ihr zuviel der Ehre — das war alles. Mit einer Kopfbewegung bedeutete er Gallenne, ihm zu folgen. Er bezweifelte, daß Faile ihn davonschicken, Gallenne aber bleiben lassen würde. Worüber wollte sie mit der Königin allein sprechen?
Draußen versetzte der einäugige Mann Perrin einen Schlag auf die Schulter, der einen kleineren Mann ins Straucheln gebracht hätte. »Verdammt, ich habe so etwas noch nie gehört! Jetzt kann ich behaupten, daß ich wahrhaftig einen Ta'veren bei der Arbeit beobachtet habe. Was soll ich tun?« Und was sollte er darauf antworten?
In diesem Moment hörte er Schreien aus dem Lager der Bewohner von Mayene, den Klang eines Streits, laut genug, daß die Männer aus den Zwei Flüssen aufstanden und durch die Bäume spähten, obwohl die Hügelflanke die Sicht verdeckte.
»Laßt uns zuerst nachsehen, was dort vor sich geht« erwiderte Perrin. Das würde ihm Zeit zum Nachdenken verschaffen. Darüber, was er auf Gallennes Frage erwidern sollte, und über andere Dinge.
Faile wartete einige Momente, nachdem Perrin gegangen war, bevor sie den Dienern beschied, sie und die übrigen würden sich selbst einschenken. Maighdin war so damit beschäftigt, Alliandre anzustarren, daß Lini sie am Ärmel ziehen mußte, damit sie sich rührte. Faile würde sich später darum kümmern müssen. Sie stellte ihren Becher ab und folgte den drei Frauen zum Zelteingang, als wollte sie sie zur Eile antreiben, aber dort hielt sie inne.
Perrin und Gallenne gingen durch die Bäume auf das Lager der Bewohner von Mayene zu. Gut. Die meisten der Cha Faile kauerten nicht weit entfernt. Sie machte Parelean auf sich aufmerksam und vollführte in Hüfthöhe eine Geste, die hinter ihr niemand sehen konnte. Eine schnelle Kreisbewegung, gefolgt von einer geballten Faust. Die Tairener und Cairhiener teilten sich sofort in Zweier- und Dreiergruppen auf und schwärmten aus. Weitaus weniger beredt als die Zeichensprache der Töchter des Speers, genügten die Gesten der Cha Faile jedoch. Innerhalb weniger Augenblicke umstand ein lockerer Ring ihrer Leute anscheinend zufällig das Zelt, die sich müßig unterhielten oder das Fadenspiel spielten. Aber niemand würde näher als zwanzig Schritte ans Zelt herankommen, ohne daß Faile gewarnt würde.