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Perrin machte ihr die meisten Sorgen. Sie hatte etwas Bedeutungsvolles erwartet, sobald Alliandre leibhaftig auftauchte, wenn auch nicht das, was dann geschah, aber Perrin war durch ihren Schwur wie benommen gewesen. Wenn es ihm in den Sinn kam zurückzukehren, um einen weiteren Vorstoß zu unternehmen, damit Alliandre sich nicht wegen ihrer Entscheidung grämte... Oh, er dachte mit dem Herzen, wenn er seinen Verstand einsetzen sollte. Und mit dem Verstand, wenn er auf sein Herz hören sollte! Sie empfand bei diesem Gedanken Schuldgefühle.

»Merkwürdige Diener habt Ihr unterwegs aufgelesen«, sagte Berelain neben ihr im Tonfall spöttischen Wohlwollens. Faile zuckte zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, daß die Frau hinter sie getreten war Lini und die übrigen Diener gingen gerade auf die Karren zu, wobei Lini Maighdin mit dem Finger drohte. Berelain blickte von Faile zu ihnen. Sie sprach leise, aber der spöttische Unterton blieb. »Zumindest die Älteste kennt anscheinend ihre Pflichten, anstatt nur davon gehört zu haben, aber Annoura sagte mir, die Jüngste wäre eine Wilde. Sehr schwach, sagt Annoura, und unbedeutend, aber Wilde bereiten stets Kummer. Die anderen werden Geschichten über sie verbreiten, wenn sie es erfahren, und sie wird früher oder später davonlaufen. Das tun Wilde stets, wie ich hörte. Das kommt davon, wenn man Dienerinnen wie streunende Hunde aufliest.«

»Sie geben sich ausreichend Mühe und passen sich an«, erwiderte Faile kühl. Dennoch war eine ausführliche Unterhaltung mit Lini unbedingt nötig. Eine Wilde? Sie könnte sich vielleicht als nützlich erweisen, selbst wenn sie schwach war. »Ich dachte immer, Ihr wärt gut darin, Diener auszuwählen.« Berelain blinzelte. Sie war sich nicht sicher, was das bedeuten sollte, und Faile achtete sorgfältig darauf, ihre Zufriedenheit nicht zu zeigen. Sie wandte sich ab und sagte: »Annoura, würdet Ihr einen Lauschschutz für uns weben?«

Es war nicht zu erwarten, daß Seonid oder Masuri eine Gelegenheit fänden, mit Hilfe der Macht zu lauschen — Faile erwartete, daß Perrin zornig würde, wenn er herausfand, wie stark die Weisen Frauen das Paar im Zaum hielten —, aber die Weisen Frauen selbst mochten hiervon erfahren haben. Faile war sich sicher, daß Edarra und die übrigen Seonid und Masuri geradezu verhörten.

Die geflochtenen Zöpfe der Grauen Schwester wippten leicht, als sie nickte. »Es ist vollbracht, Lady Faile«, sagte sie, und Berelain preßte kurz die Lippen zusammen. Recht zufriedenstellend. Die Verwegenheit, dies hier in Failes eigenem Zelt zu wagen! Sie verdiente mehr, als daß jemand zwischen sie und ihren Berater trat, aber es war zufriedenstellend.

Auf kindische Art zufriedenstellend, gestand Faile sich ein, wobei sie sich auf die vorliegende Sache konzentrieren sollte. Sie hätte sich vor Verärgerung fast auf die Lippen gebissen. Sie zweifelte nicht an der Liebe ihres Mannes, aber sie konnte Berelain nicht so behandeln, wie die Frau es verdiente, und das zwang sie gegen ihren Willen, Perrin zu häufig als Spielball zu benutzen. Und als Preis, wie Berelain glaubte. Wenn Perrin sich nur nicht manchmal so benähme, als wäre er vielleicht genau das. Entschlossen verdrängte sie alle diese Gedanken. Hier mußte die Arbeit einer Ehefrau getan werden. Der praktische Teil der Arbeit.

Alliandre sah nachdenklich zu Annoura hinüber, als ein Schutz erwähnt wurde — sie mußte erkannt haben, daß es um eine ernsthafte Unterhaltung ging —, aber sie sagte: »Euer Gatte ist ein außergewöhnlicher Mann, Lady Faile. Es ist nicht abwertend gemeint, wenn ich sage, daß sein rauhes Äußeres keinen solch scharfen Verstand vermuten läßt. Da wir Amadicia unmittelbar vor der Haustür haben, spielen wir in Ghealdan notgedrungen Daes Dae'mar, aber ich glaube nicht, daß ich jemals zuvor so rasch, geschickt und leicht zu einer Entscheidung geführt wurde, wie Lord Perrin es getan hat. Die Andeutung einer Drohung hier, ein Stirnrunzeln da. Ein äußerst außergewöhnlicher Mann.«

Dieses Mal fiel es Faile recht schwer, ihr Lächeln zu verbergen. Diese Südländer schätzten das Spiel der Häuser hoch ein, und sie glaubte nicht, daß Alliandre gern erführe, daß Perrin einfach sagte, was er dachte —manchmal entschieden zu offen —, und daß Menschen, die schlecht dachten, seine Ehrlichkeit für Berechnung hielten. »Er hat einige Zeit in Cairhien verbracht«, sagte sie. Sollte Alliandre das auffassen, wie sie wollte. »Wir können hinter Annoura Sedais Schutz offen sprechen. Es ist nicht zu übersehen, daß Ihr noch nicht nach Bethai zurückkehren wollt. Genügt Euer Schwur Perrin und Perrins Schwur Euch gegenüber nicht, ihn an Euch zu binden?« Einige Menschen hier im Süden hatten eigenartige Vorstellungen davon, was Treue bedeutete.

Berelain trat schweigend zu Failes Rechten, und kurz darauf trat Annoura zu ihrer Linken, so daß sich Alliandre ihnen allen dreien gegenübersah. Es überraschte Faile, daß die Aes Sedai ihren Plan unterstützten, ohne zu wissen, was er beinhaltete — Annoura hatte zweifellos ihre eigenen Gründe, und Faile hätte viel dafür gegeben zu erfahren, welcher Art diese Gründe waren —, aber bei Berelain überraschte es sie nicht. Eine beiläufig geäußerte spöttische Bemerkung könnte alles verderben, besonders über Perrins Fähigkeiten im Großen Spiel, und doch war sie sich sicher, daß diese Bemerkung nicht fiel. Das erzürnte sie in gewisser Weise. Sie hatte Berelain einst verachtet. Sie haßte sie noch immer zutiefst, aber widerwilliger Respekt hatte die Verachtung ersetzt. Die Frau wußte, wann ihr ›Spiel‹ ausgesetzt werden mußte. Wäre Perrin nicht gewesen, glaubte Faile, daß sie die Frau tatsächlich hätte mögen können! Um diesen abscheulichen Gedanken auszulöschen, stellte sie sich vor, Berelain kahl zu scheren. Sie war ein Weibsstück und eine Hure! Und nichts, wodurch Faile sich jetzt ablenken lassen würde.

Alliandre betrachtete die drei Frauen vor ihr nacheinander, aber sie zeigte keine Anspannung. Sie nahm ihren Weinbecher wieder auf, trank beiläufig und sprach dann seufzend und mit reumütigem Lächeln, als wären ihre Worte in Wahrheit nicht so wichtig, wie sie klangen. »Ich will meinen Schwur natürlich halten, aber Ihr müßt verstehen, daß ich mehr erhofft hatte. Wenn Euer Ehemann geht, bin ich in der gleichen Lage wie zuvor. Vielleicht sogar in einer noch schlimmeren Lage, bis greifbare Hilfe vom Lord Drachen kommt, dessen Name im Licht gesegnet sei. Der Prophet könnte Bethai oder sogar Jehannah selbst zerstören, wie er es mit Samara getan hat, und ich kann ihn nicht aufhalten. Und wenn er irgendwie von meinem Schwur erfährt... Er sagt, er sei gekommen, um uns zu zeigen, wie man dem Lord Drachen im Licht dient, aber er weist den Weg, und ich kann mir nicht vorstellen, daß er erfreut sein wird, wenn jemand einen anderen Weg findet.«

»Es ist gut, daß Ihr Euren Schwur halten wollt«, belehrte Faile sie trocken. »Wenn Ihr mehr von meinem Ehemann erwartet, solltet Ihr vielleicht mehr tun. So könntet Ihr ihn begleiten, wenn er nach Süden zieht, um den Propheten zu treffen. Ihr werdet natürlich Eure eigenen Soldaten bei Euch haben wollen, aber ich schlage vor, daß es nicht mehr sein sollten, als die Erste mit sich führt. Wollen wir uns setzen?« Sie ließ sich auf dem Stuhl nieder, den Perrin frei gemacht hatte, bedeutete Berelain und Annoura, auf den benachbarten Stühlen Platz zu nehmen und deutete erst dann auf einen weiteren Stuhl für Alliandre.