— Fragt ihn mal, was für ein Zimmer er abbekam! Dann werdet ihr hören: Euer großer Held, Baba Sidi Mubarak Bombay, schlief in einer kleinen Kammer für Dienstboten, und sein Freund mit der hellen Haut und der blonden Mähne, der schlief in den Palastzimmern im obersten Stock.
— Laß gut sein, Mama, sonst kommen wir nie zum Ende.
— Glaubt ihr, er hätte mir zum Abschied seine Jacke geschenkt, wenn er mich nicht geschätzt hätte?
— Diese alte Jacke? Völlig abgerissen, es war wohl bequemer, sie zu verschenken als sie wegzuwerfen.
— Ich erhielt eine Silbermedaille von der Royal Geographical Society, ihr wißt nicht, wer das ist, das ist die Versammlung jener hohen Herren, die meine erste und meine zweite Reise in Auftrag geben hatten. Ich wurde auch photographiert, ich wurde öffentlich vorgestellt.
— Du traust dich, deine eigene Schande auszuplappern! Er wurde ausgestellt wie ein wildes Tier, das sie gefangen hatten, er mußte mit den anderen nachmachen, wie sie durch die Savanne laufen, und er mußte still stehenbleiben, er mußte stundenlang ausharren, während die Menschen von dort vorbeizogen und sich dieses Bild anschauten, ein totes Bild, von Lebenden geschaffen. Und das Schlimmste war, hört ihr, ihr Freunde dieses schamlosen Alten, das Schlimmste war, die Neugierigen haben Geld gezahlt für das Recht, meinen erstarrten Ehemann zu begaffen.
— Ach, wer hört schon auf dich, spare dir die Mühe. Ich weiß, wie es war, weil ich dort war, ich weiß, wie wir geehrt wurden, bei öffentlichen Konzerten und bei Feierlichkeiten, wir wurden vorgestellt als Helfer und Begleiter des großen Entdeckers, Bwana Speke, und wir wurden sogar zu einem Empfang im Palast des Vizekönigs eingeladen, und das war nicht in Kairo, das war nicht auf dem Land, sondern auf einer Insel, die Rhodos hieß, und so wichtig waren wir, wir wurden mit einem Schiff zu dieser Insel gebracht und einige Tage im Palast bewirtet, wir haben so gut und so viel gegessen wie nie zuvor in unserem Leben, und wir haben auch, ich muß es zugeben, viel zuviel getrunken, denn der Alkohol floß wie Wasser. Erst dann kehrten wir nach Sansibar zurück, mit dem Schiff, auf eine lange Fahrt, auf der wir auch noch andere Orte kennenlernten, Orte wie Suez, wie Aden, Inseln wie Mauritius und die Seychellen, wo wir Geldgeschenke erhielten, so weit war unser Ruhm schon vorausgeflogen …
— Bwana! Merkst du nicht, daß dir keiner mehr zuhört. Baba Ishmails Schnarchen, es ist so laut, es dringt bis zum Hafen. Alle anderen sind nach Hause gegangen, als letzter, gerade eben, hat sich Baba Burhan davongestohlen. Du teilst deine Geschichten nur noch mit den Ratten. Hör auf zu quasseln und komm ins Haus, ich will dir das Essen bereiten. Und vergiß nicht, Baba Ishmail zu wecken, rüttel ihn richtig wach, sonst kommt sein Sohn ihn wieder suchen und schimpft mit uns.
Speke hat es eilig. Er hat sich das Haar schneiden lassen, den Bart gestutzt. Vielleicht hat er es selbst getan. Er hastet auf ihn zu mit langen, kräftigen Schritten. Burton sieht einen Jäger vor sich, der ein Tier verwundet hat und nun der blutigen Spur hinterhereilt, um die Beute noch vor Einbruch der Dunkelheit zu stellen. Vielleicht ist das Bildnis ungerecht.
Er reicht ihm die Hand, und er sagt etwas Unverbindliches zum Abschied, so etwas wie: Ich komme bald nach. Es wird nicht lange dauern. Auf die Jovialität dieses Kerls kann er sich verlassen. Sie ist an der Wildnis nicht zerbrochen. Leider. Auf Wiedersehen, mein alter Knabe. Du kannst ganz beruhigt sein, daß ich die Royal Geographical Society nicht aufsuchen werde, bevor du nicht nachgekommen bist, dann gehen wir gemeinsam hin. Du wirst das nächste Schiff nehmen, und ich werde auf dich warten. Sei unbesorgt. Wenn dir jemand sagt, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, fange sofort an, dich zu sorgen — eine Weisheit seiner Mutter. Burton nickt und murmelt, er wünsche eine sichere Reise. Dann dreht er sich um und läßt John Hanning Speke am Hafen zurück. Er traut diesem Mann jetzt alles zu, er kann sich auf dessen Versprechen so sehr verlassen wie auf den genau berechneten Zeitpunkt der Apokalypse. Nein, das Zerwürfnis zwischen ihnen lag nicht an seiner mangelnden Menschenkenntnis. Wenn das Schicksal dich mit jemandem zusammenwirft, wenn du keine andere Wahl hast, was hätte selbst die beste Menschenkenntnis ausrichten können? Das Schicksal hatte sich gegen ihn verschworen, das war es, und dagegen war er machtlos gewesen.
SIDI MUBARAK BOMBAY
Die Frau, seine mit Messingdraht erworbene, mit Zuneigung gehaltene Frau, raspelt Kokosnuß in der Küche, sie weicht den Reis ein, sie legt die Fischstücke in den Topf, in dem das Curry chilirot köchelt. Sie hört seine Stimme, aus dem Nebenzimmer, er spricht weiter, es gibt keine Windstille bei Sidi Mubarak Bombay, wenn er einmal zu einer Geschichte ausgelaufen ist. Keine Flaute. Sie hört nicht wirklich zu, während sie das Wasser aus dem Reis preßt, sie achtet auf den zuckenden Schmerz in ihrer linken Seite, ein Schmerz, der sich unauffällig angekündigt hat, wie ein Gast, der anfangs bescheiden in der Ecke sitzt und sich mit Brosamen begnügt, doch mit den Monaten ist dieser Schmerz gieriger geworden, und nun vertilgt der Gast mehr, als sie bereit war zu geben, und keines der Kräuter, die der Arzt ihr gegeben hat, und die sie zerstampft hat, genau nach seinen Vorgaben, hat ihr Linderung verschafft. Auf diesen Schmerz achtet sie, während sie kocht und ihr Mann weitererzählt, sie ist aufgehoben in ihren Verrichtungen, als ein Wort fällt, vielleicht sind es mehrere Worte, die sie aufhorchen lassen, weil sie auf eine Geschichte deuten, die sie noch nicht kennt. Nach all den Jahren, die sie mit ihm teilt, kann dieser eitle, laute, um sich selbst gekrümmte Knorren immer noch mit neuen Geschichten aufwarten, er kann nachwürzen, wenn die Gewohnheit fad zu werden droht. Er kann sie immer noch überraschen, nach all diesen Jahren, er kann sie überraschen mit der Erinnerung an einen Mann, den er bei seiner allerletzten Reise getroffen habe, einer Reise, die er unmittelbar nach der Hochzeit von Hamid antrat, einer Reise, über die er selten spricht, seine vierte Reise, ein Fremder, der seinen Hals und seinen Kopf mit Gegenständen verziert habe, mit den erstaunlichsten Gegenständen.
Dieser seltsam verzierte Mann habe die weggeworfene Zukunft gesammelt, so spricht der Knorren dort draußen vor der Küche, und sie versteht nicht, was er damit meint, mit diesen Worten, die durch ihre Müdigkeit treiben, und trotzdem hält sie inne beim Kochen und tritt näher an den Durchgang, um kein Wort zu verpassen, so wie sie zuvor darauf geachtet hat, kein einziges Reiskorn zu verschwenden. Jedesmal, fährt der Knorren fort, wenn dieser seltsame Mann irgendein abgebrochenes Stück Metall, irgendeine alte Patronenhülse, irgendeine leere Flasche auf dem Wege fand, konnte er nicht an sich halten, er mußte sie auflesen, er mußte sie betrachten und er konnte sich nicht mehr von ihnen trennen, er konnte sie nicht wegwerfen, er mußte ein Loch durch jeden dieser aufgelesenen Gegenstände bohren und sie alle aufschnüren zu einer Halskette, die er stets trug, auf seiner Brust, diese seltsame Kette, an der ein halbes Dutzend Medizinflakons, der Schlüssel einer Sardinendose und einige Metallteile baumelten. Jetzt begreift sie: Der Fremde trug Abfall an seinem Körper, dieser verzierte Mann, den Abfall der Karawanen, die durch das Land gezogen waren, und Sidi Mubarak Bombay, ihr Ehemann, an dessen Merkwürdigkeiten sie sich niemals gewöhnen wird, nicht solange sie noch etwas empfinden kann, war an vier von diesen Karawanen beteiligt gewesen, er hat sie sogar geführt, wenn sie seinen Erzählungen glauben will, und deswegen ist er auf seine verquere Art beglückt über diesen Fremden, der die Häutungen seiner eigenen Reisen am Körper trug. Ein Lächeln fließt über ihr Gesicht, er ist wahrlich wie kein anderer, dieser kindliche Alte, der sie immer wieder aufs neue überrascht.