Es fiel ihm nicht leicht, sie zu fragen, es brauchte einige Tage, bis er genügend Courage aufbrachte. Es soll dir gefallen, mein Herr, sagte sie besorgt. Es hat mir gefallen. Dann bin ich auch glücklich. Es war nicht der Tonfall, in dem sie das sagte, und auch nicht ihr Gesichtsausdruck, es war etwas anderes, das sein Mißtrauen erregte. Die Worte schienen ihm vorbedacht. Er mußte Naukaram fragen. Nicht direkt, natürlich nicht. Was würde der für ein Gesicht machen, wenn er ihn zu sich rufen würde, während er sein Bad nahm, zum Beispieclass="underline" Finde heraus, ob ich Kundalini befriedige. Schade fast, daß er sich diesen Spaß nicht gönnen konnte. Statt dessen tastete er sich, von Andeutung zu Andeutung, an eine verschlüsselte Sprache heran. Naukaram war trotz aller Vorsicht entsetzt. Gelegentlich reagierte er unverhältnismäßig. Er zierte sich, wie eine Gouvernante. Du bist ein prüder Zuhälter, hätte ihm Burton fast an den Kopf geworfen. Saheb, Sie sind mit ihr unzufrieden? Nein, nicht im geringsten. Ich möchte nur, daß Kundalini und ich uns noch besser verstehen. Geht sie auf Ihre Wünsche nicht ein, Saheb? Ich möchte mehr über ihre Wünsche erfahren, darum geht es. Es ist nicht üblich, daß sie Wünsche hat. Ich verstehe, du kannst mir nicht behilflich sein. Doch, Saheb, ich kann Ihnen immer behilflich sein, immer.
Am nächsten Abend äußerte Kundalini mit zaghafter Mißbilligung, er rasiere sich dort, wo alle Frauen hinsehen, und nicht dort, wohin nur sie ihren Blick richte. Zugegeben, das war ein Widerspruch. Vielleicht hatte der Hajaum ihn deshalb im Halbschlaf rasieren wollen. Nun mußte er es selber machen. Eines anderen Tages, er lag ausgelaugt auf dem Rücken, sie auf der Schulter neben ihm, redete sie leichtzüngig, scherzhaft, von ihrer Großmutter, die Männer in verschiedene Gruppen eingeteilt habe, so als seien sie Tiere. Zu welchen gehörte er? Zu den Hasen, sagte sie. Es klang nicht schmeichelhaft. Wie lauten die anderen Kategorien? Es gibt noch Bullen und Hengste. Die sind wahrscheinlich besser? fragte er. Nein, nicht der Hase ist von Nachteil, nur der schnelle Hase. Gibt es auch langsame? Sie schüttelte den Kopf, bejahend. Langsame, und halbschnelle. Auch bei den Bullen und Hengsten? Ja. Die Geschwindigkeit, was bedeutet sie? Warte, ich kann es mir denken, es geht um die Verlängerung des Genusses? Ja, es geht darum, auf die Frau zu warten, auf ihren Höhepunkt. Die Frau hat einen Höhepunkt? Burton hatte zu rasch gesprochen, und er bereute es sogleich. Sie sah ihn bestürzt an. Und du, fragte er zaghaft, hast du ihn erlebt, bei uns beiden? Sie nickte, verneinend. Weil ich ein schneller Hase bin? Ja, es dauert bei mir. Wie lange? Das hängt davon ab, ob dir die Zeit auf der Zunge liegt. Hast du noch nie von Ishqmak gehört, von der Kunst, den Höhepunkt zu verzögern? Nein, bestimmt nicht. Ich kenne andere vornehme Künste, die Kunst der Fuchsjagd, die Kunst des Fechtens, die Kunst, kleine Kugeln über grünen Filz zu stoßen, aber die Kunst, den Höhepunkt zu verzögern, nein, die kenne ich nicht. Sie wird bei uns nicht praktiziert, bei uns jagt ein Höhepunkt den anderen. Sie lächelte nicht einmal. Ich werde sie dir beibringen, sagte sie, ernsthaft, ohne auf sein Schmunzeln zu achten. Wenn du es möchtest. Und er antwortete, mit einem Ernst, zu dem er sich zwingen mußte: Ja, ich will deinen Höhepunkt miterleben. Ich will seine Ursache sein. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und betrachtete den Kontrast. Wieso bist du so dunkelhäutig? Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihn streng an, als habe er eine ungebührende Frage gestellt. Sie beugte sich zu ihm, bis er sie vor lauter Nähe fast nicht mehr sehen konnte. Weil ich am Neumondtag geboren worden bin, flüsterte sie. Und ihre Augen platzten wie Feuerwerkskörper.
Als sie das nächste Mal beisammenlagen, sie auf ihm, sein Stöhnen verriet den Sturm, der sich in ihm zusammenbraute, hielt sie inne, bewegte sich nicht mehr, ließ ihre Hände auf seiner Brust liegen und begann zu sprechen, während sie auf seinem pulsierenden Staunen sitzenblieb, sprach in vollständigen Sätzen, in einem vertrauten Tonfall, der beiläufig erzählte, und doch seine ganze Aufmerksamkeit einforderte. Er mußte seine Stöße besänftigen, um ihren Worten folgen zu können, die von Kobrakurtisanen berichteten, deren Körper über Jahre an das Gift gewöhnt wurden, einen Tropfen zunächst, dann mehrere, die Menge wurde gesteigert, bis sie einen Teelöffel am Tag einnahmen. Schließlich waren sie in der Lage, ein Glas voller Gift zu trinken, ohne daß es ihnen schadete. Doch ihr Schweiß, ihre Spucke, ihre Liebessäfte waren so giftig, daß jeder, der mit ihnen schlief, zum Tode verurteilt war. Selbst wer eine ihrer Tränen abwischte und zum Mund führte, wäre gestorben. Verstehst du, sie durften sich ihrer Lust nur hingeben, wenn sie einen Mann ermorden sollten. Sie waren nichts anderes als gedungene Mörder im Dienste eines Herrschers. Sie durften niemanden lieben. Sie vergifteten jeden, der sie berührte, jeden, der sie küßte, unabhängig davon, ob sie ihn verachteten oder ob sie ihn liebten. Kannst du dir ihr Unglück überhaupt vorstellen? Burton lag unbewegt auf dem Bett, sein Glied eine Behauptung, die er zurücknahm. Sie kratzte über seine Brust. Die Geschichte ist nicht zu Ende, sagte sie. Es gab einen Dichter, vielleicht der begabteste des Landes, der sich in eine dieser Kurtisanen verliebte, kaum hatte er sie, die wohl schönste Frau jener Zeit, erblickt. Er war kein unbeherrschter, schwärmerischer Jüngling, nein, er war ein erfahrener Mann, er kannte die Regeln des Hofes und die Gesetze der Gefühle. Er quälte sich lange, er war voller Zweifel, ob er ihr seine Liebe gestehen sollte. Als er sich gerade dazu durchgerungen hatte, sprach sie ihn an, am Ufer des Jamuna. Sie wünschte, von ihm in Sanskrit unterrichtet zu werden. Allein diese Kenntnis fehlte ihr unter den Künsten, die einer Kurtisane zustanden. Er erhielt die Erlaubnis des Herrschers, sie täglich zu unterrichten. Kundalini lehnte sich nach vorne, ihre Haare streichelten über sein Gesicht, dann richtete sie sich wieder auf, ihre Hände verschwanden, er spürte ihre Fingernägel über die Innenseiten seiner Schenkel streichen. Höre gut zu, sagte sie. Die Kurtisane verliebte sich in den Dichter, allmählich, über die Jahre ihres gemeinsamen Studiums hinweg, so langsam, wie sie sich einst an das Gift gewöhnt hatte. Und eines Tages legte sie ein zweifaches Geständnis ab, ein Geständnis ihrer Liebe zu ihm und zugleich ein Geständnis ihrer Todzucht. Ich überlege mir oft, was der Dichter in diesem Augenblick gefühlt hat, da ihre wechselseitige Liebe ausgetragen wurde, als Stillgeburt. Er hat sich nicht von ihr abgewandt. Er beschloß, sich mit der Geliebten zu vereinen, auch wenn es nur für ein einziges Mal sein würde. Verstehst du, er hat es auf sich genommen, den Mißbrauch, der mit dieser Frau getrieben wurde, auszugleichen. Ein Schauder durchlief Burton. Und dann? Das ist das Merkwürdige, diese Geschichte kennt unzählige Fassungen, nur in einem sind sie sich alle gleich: Er starb, natürlich, aber im Sterben entspannten sich seine Gesichtszüge zu einer Glückseligkeit, die nur jene erfahren, die das Eingangstor zur Erlösung erblickt haben. Kundalini ließ von ihm ab, sie streckte sich neben ihm aus und zog mit dem Nagel ihres Zeigefingers über sein erschlafftes Glied. Das, mein Herr, sagte sie, war die Kunst, den Höhepunkt zu verzögern. Wenn du dich von meiner Geschichte erholt hast, können wir wieder anfangen. Er blickte sie mit neuen Augen an. Er hätte ihr gerne einen Kuß gegeben, in dem er vergaß, wer sie war, und warum sie in diesem Zimmer lag. Er war nicht wie der Dichter. Er hatte in sich selbst eine Feigheit entdeckt, wo er sie am wenigsten vermutet hätte.