Nach den Regimentspflichten setzte sich Burton an seinen Schreibtisch und versenkte sich bis in den späten Abend hinein in die Grammatiken, die er in Bombay erworben hatte. Er wurde selten gestört. Es hatte sich schnell herumgesprochen, daß der Griffin ein Sonderling war. Es fiel ihm nicht leicht, ruhig sitzen zu bleiben. Kein halbes Jahr her, da war er von Greenwich aus aufgebrochen, in der Erwartung, aus dem Krämeralltag in das Reich famoser Heldentaten und zügiger Aufstiege überzusetzen, Ruhm und Ehre anzulaufen. Männer seines Alters kommandierten dreitausend Sikhs, eroberten Ländereien für Ihre Majestät, die größer waren als Irland.
Schweißtropfen rannen über seine Unterarme, seinen Rücken, Fliegen schwirrten um ihn herum, Afghanistan war anderswo und bereits befriedet, und ihm blieb nichts anderes übrig, als Wörter laut auszusprechen, hundertfach wiederholt. Sobald er schwieg, hörte er das Surren der Moskitos, die er nicht loswurde, egal wie oft er durch die Luft schlug und dabei das Wort brüllte, das er sich gerade aneignete. Es gab nur eine Strategie, diese Plage zu besiegen. Er mußte regungslos in seinem Stuhl verharren, die Augen auf das aufgeschlagene Buch vor sich gerichtet, auf das nächste englische Wort, dem wie so oft zwei Entsprechungen zugeteilt waren — die Doppelzüngigkeit der Einheimischen offenbart sich in ihrer Sprache, hatte der weiblich konjugierende Offizier zum besten gegeben. Er war ein hinterlistiges Opfer, das Gehör geeicht auf die heransurrende Mücke, pratikshaa karna, die eine Entsprechung, langsam zu wiederholen, jede Silbe ein Schluck Wasser, der Moskito war jetzt nahe, intezaar karna, die weitere Entsprechung, die er wiederholte, mehrfach, er spürte, wie sich die Mücke auf seinem Arm niederließ, wie sie hineinstach. Dann schlug er zu.
— Naukaram!
— Ja, Saheb.
— Mit Grammatiken allein komme ich nicht weiter. Ich brauche einen Lehrer, kannst du einen brauchbaren Lehrer auftreiben?
— Ich kann es versuchen.
— In der Stadt?
— Ja, in der Stadt.
— Noch etwas, Naukaram.
— Ja, Saheb!
— Ich verbiete dir, von nun an auch nur ein einziges Wort Englisch in meiner Gegenwart zu reden. Sprich Hindustani! Oder Gujarati oder weiß der Teufel was, aber kein Wort Englisch mehr.
— Und wenn Besuch kommt?
— Das Nötigste. Nur das Allernötigste.
7.
NAUKARAM
II Aum Vighnahartaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II
— Fahre fort.
— Wo waren wir gestern stehengeblieben?
— Hör zu, ich habe, weil ich meine Pflicht ernst nehme, alles Geschriebene gestern abend noch einmal gelesen, auf Fehler und Fragen durchgesehen. Du kannst dich nicht immer auf mich verlassen. Merke dir zukünftig selbst, was du mir schon erzählt hast und was du mir noch erzählen willst.
— Sie sind ein Tyrann, schlimmer als Shivaji. Sie können nicht so mit mir reden. Ich bedarf Ihrer Dienste, ja. Ich bin nicht Ihr Diener.
— Wir sollten keine Zeit verschwenden. Ich habe mich übrigens gefragt, wie dein Herr aussah, als ich deinen Bericht las. Das sollte ich erfahren.
— Wozu? Die Angrezi, an die sich das Schreiben richtet, wissen, wie er aussah, sie erinnern sich an ihn, bestimmt, keiner könnte ihn vergessen.
— Du verstehst von diesen Sachen wenig. Wie soll ich eine angemessene Sprache finden, wenn ich mir von diesem Burton Saheb kein Bild machen kann?
— Er war groß, fast so groß wie ich. Wuchtiger, wie ein schwarzer Büffel, der den ganzen Tag im Feld schuften kann. Genauso war er, unermüdlich. Seine Augen waren sehr dunkel, das fiel sofort auf. Ungewöhnlicher war, wie nackt sie wirkten. Ich muß Ihnen sagen, ich habe nie so nackte Augen gesehen wie jene von Burton Saheb. Sein Blick, er konnte einen einfangen. Ich habe erlebt, manche Menschen waren wie gebannt, als würden seine Augen zaubern. Wenn er zornig wurde, sah er mich an, als würde er mich nicht kennen, als würden bösartige Yakshas herausspringen. Es war zum Fürchten. Er wurde oft zornig, plötzlich, aus irgendeinem Grund, der uns nichtig erschien, völlig nichtig.
— Das hast du mir gestern schon gesagt! Schlug er dich?
— Nein! Schlagen? Wie könnte er, mich schlägt er doch nicht. Ich habe den Eindruck, Sie haben nicht verstanden, welche Position ich in dem Haushalt ausfüllte, was meine Rolle war. Sie haben das überhaupt nicht verstanden!
— Dann erzähle mir mehr von deinen Aufgaben.
— Ich habe alles für ihn erledigt, alles für ihn besorgt.
— Alles?
— Alles, was er von mir verlangte. Alles, was sich aufdrängte, und manchmal auch das, was er sich insgeheim wünschte.
— Beispiele! Gib mir Beispiele.
— Am Anfang die Einrichtung des Hauses, die kaputten Fenster, ich habe sie verglasen und mit Jalousien verhängen lassen. Die Gardinen, ich habe feines Kobbradul aufgetan, günstig, es war nicht meine Angewohnheit, das Geld des Herrn zu verprassen. Sie waren so schön, die Ehefrau des Brigadiers ließ mich fragen, wo ich den Stoff gekauft habe.
— Das werde ich betonen: Ein Fachmann für Kobbradul.
— Ich habe die Einkäufe erledigt, ich habe das Ganja besorgt, er rauchte gerne, abends, wenn er seinen Port trank …
— Port?
— Ja, Portwein, Sie wissen doch, was das ist?
— Gewiß, mußte sichergehen nur, ob ich richtig gehört habe.