Выбрать главу

Burton bleibt stehen, er wartet, bis Speke ihn einholt. Sie sehen sich lange an. Es gibt nichts zu bereden. Die Unsicherheit über das, was ihnen bevorsteht, kann mit keinem Wort beschwichtigt werden. Sie einigen sich darauf, ihren verkaterten Gesichtern ein ermutigendes Grinsen abzuringen. Du quälst dich wohl gerne, sagt Burton zu Speke. Und dieser antwortet: Da haben wir etwas gemeinsam.

SIDI MUBARAK BOMBAY

Meine Brüder, meine Freunde, mitten im Land der Wagogo hätten meine Vorfahren mich fast zu sich geholt. Sie haben lange überlegt, und während sie überlegten, verkrustete meine Zunge, mein Gaumen, mein Zahnfleisch, ich spürte meine Zunge nicht mehr, das Fleisch in meinem Mund riß auf, es platzte auf, aber kein Blut drang durch die Ritzen, ich versuchte mir in die Lippen zu beißen, um wenigstens den weichen runden Geschmack meines Blutes zu spüren, aber es kam kein Blut heraus, vielleicht biß ich nicht fest genug, vielleicht war mein Blut schon verdunstet. So geht auch mein drittes Leben dahin, dachte ich, aus meinem ersten Leben wurde ich geraubt, am Ende meines zweiten Lebens wurde mir einiges wieder zurückgegeben, und nun sollte mir alles weggenommen werden, mitten im Land der Wagogo. Die Verzweiflung ist ein Mann, sagen wir, die Hoffnung eine Frau, vielleicht aber auch ein Mganga, ein Mganga, wie jener, den wir aufgesucht hatten, der uns andere Aussichten mit auf den Weg gegeben hatte. Wieso sollte er sich geirrt haben, dachte ich, die Zunge wird einschrumpfen, und trotzdem werde ich herauskommen aus dieser Wüste. Und wir wurden gerettet, wir wurden eingeholt von unseren Rettern, von einer anderen Karawane, die genau wußte, wo wir, keinen Tagesmarsch entfernt, Wasser finden konnten. Diese Karawane war nicht irgendeine Karawane, es war die Karawane von Omani Khalfan bin Khamis, und wenn ihr noch nie gehört habt von diesem Mann, so wißt, er war Grauen und Schrecken und nichts sonst, obwohl er uns gerettet hat aus der Wüste der Wagogo, nach zwei Tagen und zwei Nächten ohne einen einzigen Tropfen Wasser. Wenn ihr heute den Namen Omani Khalfan bin Khamis vernehmt, so denkt ihr an Handel und an Reichtum, aber wer damals auf Reisen war, der erzitterte, wenn er diesen Namen hörte. Der Mann war ein Verbündeter des Blitzes, er war der Pharao seiner Karawane, sein Herz, so flüsterten uns seine Sklaven zu, nachdem wir die Schrecken eines Marsches mit ihnen geteilt hatten, sein Herz war nicht in seinem Körper, es war eingepackt in schwere Tücher, es ruhte in der Truhe mit seinem Habgut, und nachts nur, nach dem letzten Gebet, dem er wie jedem Gebet beiwohnte, ohne teilzunehmen, in der Einsamkeit seines Zeltes, holte er es heraus, faltete er die Tücher auseinander und betrachtete sein Herz, denn selbst ein Mann, so vertrauten uns seine Sklaven an, nachdem sie mehrmals über ihre Schulter geblickt hatten, der ohne Herz lebt, muß sich seines Herzens gelegentlich vergewissern.

Einige Tage lang begleiteten wir die Karawane von Omani Khalfan bin Khamis, wir mußten Schritt halten, denn wir waren von ihm abhängig. Er ließ kein Rasten zu, er erlaubte kein Atemholen, es war eine Geschwindigkeit für rasende Büffel, für jagende Löwen, nicht für Menschen mit schmalen Schultern und Beinen wie die Zweige des Dornenbusches. Er trieb seine Träger an mit allen Mitteln, er vertraute nicht allein der Wirkung seiner Worte, die erbarmungslos auf dich einschlugen, er bediente sich aller List, die je ein Kopf ersonnen hat, er teilte Essen für drei Tage aus, und er verkündete, die Träger würden erst wieder Essen erhalten, wenn sie einen Ort erreichten, der einen Wochenmarsch entfernt lag. Der Hunger trieb die Träger an, sie waren in Fellstreifen und Fetzen gekleidet, sie waren am Ende ihrer Kräfte, der Hunger feuerte sie an. Aber der Wille kann nur erreichen, was der Körper zuläßt, und manche von ihnen brachen zusammen, und keiner richtete sie wieder auf, ihnen wurde der Packen abgenommen, das Gewicht auf die anderen verteilt, sie wurden liegengelassen auf dem Weg, egal, ob sich ein Dorf in der Nähe befand oder ob sie in einer Gegend waren, die sie sich mit wilden Tieren teilten. Einige von ihnen versuchten wegzulaufen. Er ließ sie verfolgen von seinen Schergen und blutig bestrafen. Omani Khalfan bin Khamis, merkt euch diesen Namen, wenn ihr ihn nicht schon kennt, denn eines Tages, wenn ihr aufgefordert werdet, die Namen der Ungeheuer zu nennen, die aus dieser Welt eine Hölle machen, die den Menschen wegnehmen, was der Schöpfer ihnen gegeben hat, dann nennt diesen Namen, und nennt ihn zweimal, soviel Schlechtes hat er getan. Aber wir verdankten ihm unser Leben, er hat uns gerettet, indem er uns überholt hat, er hat uns zum Wasser geführt. Als wir gestärkt waren, trennten wir uns von seiner Karawane, denn selbst Bwana Burton, der sich gerne als der jüngere Bruder des Teufels ausgab, sagte zu mir, wir sollten uns hüten vor Männern, von denen wir nicht wissen, ob sie eine Mutter haben. Bwana Burton selbst redete manchmal, als sei er ein Mensch ohne Mutter, aber er redete nur so, sein Handeln widersprach seinen Worten, er war ein nachgiebigerer, ein mitfühlsamerer Mann als jener, für den er sich ausgab.

— In letzter Zeit sind einige Wagogo nach Sansibar gekommen, und ich habe gehört, es gebe mit ihnen immer Ärger.

— So sind sie, die Wagogo. So wurden sie uns schon beschrieben, als wir sie noch nicht kannten. Wir hatten genug Warnungen erhalten, um uns vor ihnen zu hüten. Sie erwiesen sich als elende Lügner und schlimme Diebe, diese Wagogo aus den Wäldern ohne Bäume, die soviel über uns gehört hatten wie wir über sie, die uns mit heißhungrigen Fragen empfingen, und die uns erst etwas Ziegenmilch anboten, als ihnen die Fragen ausgegangen waren. Stimmt es, fragten sie, diese Weißhäutigen besitzen nur ein Auge und vier Arme? Nein, sagte ich. Das stimmt nicht. Stimmt es, fragten sie, diese Weißhäutigen sind voller Wissen? Nein, sagte ich, sie kennen nicht einmal Magie. Stimmt es, fragten sie, wenn sie durch das Land reisen, fällt vor ihnen Regen, und hinter ihnen bleibt Dürre zurück? Nein, sagte ich, auch sie müssen die Dürre durchschreiten. Stimmt es, fragten sie, diese Weißhäutigen erzeugen die fleckige Krankheit, weil sie Wassermelonen kochen und die Kerne wegwerfen? Nein, sagte ich, das sind Märchen von schwangeren Frauen. Stimmt es, sie erzeugen die Viehseuche, weil sie die Milch kochen und dann hart werden lassen? Nein, sagte ich, auch dies stimmt nicht. Stimmt es, fragten sie, diese Weißhäutigen mit den geraden Haaren sind die Herrscher des großen Wassers? Nein, sagte ich, sie fahren auf dem Meer in Booten, in denen euer ganzes Dorf Platz fände, aber bei Sturm ertrinken sie so, wie du und ich ertrinken würden. Stimmt es, fragten sie, sie sind gekommen, unser Land zu rauben? Unfug! Völliger Unfug! Das sagte Bwana Burton, jedesmal, wenn er sich über die Worte eines anderen Menschen ärgerte. Diese Barbaren, sagte er, je weniger sie besitzen, desto mehr befürchten sie, jemand wolle ihnen das wenige wegnehmen. Sie erinnern mich an die hageren Männer in Somalia, die vor unseren eigenen Augen langsam verhungerten, die aber genug Kraft hatten, um uns lautstark zu verdächtigen, wir würden den Reichtum ihres Landes ausspionieren. Welchen Reichtum denn? Ich weiß nicht wieso, bei diesem Thema redete sich Bwana Burton in Rage. Begreift ihr denn nicht, schrie er mich an, als sei ich die Quelle allen Mißtrauens, was für ein gewaltiges Opfer es für uns wäre, wenn wir uns in eurem Land niederlassen würden, und was für ein wundervoller Segen für euch. Es ist nicht mein Land, sagte ich zu ihm, und ich kann die Ängste dieser Menschen nicht übersetzen. Doch nach dem heutigen Tag, meine Brüder, zweifle ich um so mehr an den Worten von Bwana Burton, sie sind überführt worden von den Flaggen, die heute, hier in Sansibar, von den Wazungu gehißt wurden. Denn so, wie ich die Wazungu kennengelernt habe, sind sie gewiß nicht gewillt, sich für uns zu opfern.