Wie Conway wußte, konnten Alpträume von Aliens wirklich entsetzlich alptraumhaft sein. Und die sexuellen Phantasien von Aliens oder die Träume, in denen sich ihre Begierden erfüllten, reichten aus, um in dem Betreffenden den Wunsch hervorzurufen — falls er überhaupt noch imstande war, einen zusammenhängenden Wunsch zu äußern —, lieber tot zu sein. Conway schluckte.
„Ehrlich gesagt, erwarte ich schon irgendeine Reaktion von Ihnen“, merkte O'Mara sarkastisch an, wobei aus seinem Verhalten hervorging, daß er wieder ganz der alte unliebenswürdige Chefpsychologe war und die Unterredung mit Conway für ihn keinen Grund zur Besorgnis mehr darstellte. „Oder soll dieses Gaffen der Versuch einer Verständigung ohne Worte sein?“
„Ich. ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken“, stammelte Conway.
„Zum Nachdenken werden Sie massenhaft Zeit haben“, antwortete O'Mara. Dann stand er auf, blickte demonstrativ auf die Schreibtischuhr und fügte hinzu: „Und zwar auf dem Planeten Goglesk.“
4. Kapitel
Den Offizieren des Auffklärungsschiffs Trennelgon vom Monitorkorps war Conway sowohl dem Namen nach bekannt als auch durch den Umstand, daß er ihrem Kommunikationsoffizier während der Such- und Bergungseinsätze nach den weit verstreuten Trümmern der Lebenserhaltungskapseln des gewaltigen Spulenschiffes, das zu dem CRLT-Gruppenwesen gehörte, gleich zu drei verschiedenen Anlässen Anweisungen erteilt hatte.
Praktisch waren sämtliche Aufklärungsschiffe aus drei galaktischen Sektoren herbeigerufen worden, um bei dieser Operation zu helfen, und in einer gewissen Phase hatte Conway mit den meisten von ihnen freundschaftlich kommuniziert; offenbar sah sich die Besatzung der Trennelgon durch diese eher flüchtigen Bekanntschaften Conways bereits dazu veranlaßt, sich ihm gegenüber zu verhalten, als wäre er ein berühmter Verwandter. Man trieb es damit so weit, daß Conway keine Zeit blieb, nachzudenken oder gar trübsinnig zu werden oder irgend etwas anderes zu tun, als ihre höfliche Neugier über die Rhabwar und deren Rettungsaktionen zu stillen, bis er seine neugierigen Zuhörer unkontrollierbar anzugähnen begann.
Nachdem ihm berichtet worden war, daß für den Flug nur zwei Sprünge erforderlich seien und man im gogleskanischen System in schätzungsweise knapp zehn Stunden eintreffen werde, gestattete man ihm, wenn auch nur schweren Herzens, sich endlich zurückzuziehen.
Aber als er sich auf dem schmalen Dienstbett ausstreckte, mußte er zwangsläufig an Murchison denken, die nicht neben ihm ausgestreckt lag. Seine Erinnerungen an das, was sie zusammen unternommen, getan oder miteinander gesprochen hatten, waren scharf und deutlich wie immer, so daß O'Maras gedächtnisförderndes Medikament mehr als überflüssig war.
Das Abschiedsgespräch hatte Murchison damit begonnen, indem sie die Folgen von Priliclas neuer Stellung und den Nutzen von Danaltas gestaltwandlerischen Fähigkeiten für die routinemäßigen Rettungsverfahren erörtert hatte. Erst nach und nach hatte sie die Unterhaltung auf Conways mögliche Beförderung zum Diagnostiker gelenkt. Zu jenem Zeitpunkt war zwar ganz offensichtlich, daß sie genauso ungern auf das Thema zu sprechen kam wie Conway, aber Murchison war nun einmal in moralischer Hinsicht weniger feige als ihr Lebenspartner.
„Prilicla zweifelt nicht daran, daß du es schaffst, und ich auch nicht“, hörte er sie jetzt wieder sagen. „Aber falls du nicht in der Lage sein solltest, dich darauf einzustellen, oder die Stellung aus irgendeinem anderen Grund nicht annehmen kannst, bleibt es trotzdem ein großes fachliches Kompliment, überhaupt in Betracht gezogen worden zu sein.“
Als Conway daraufhin keine Antwort eingefallen war, hatte sich Murchison zu ihm umgedreht und den Oberkörper auf einen Ellbogen aufgestützt. „Mach dir darum keine Sorgen. Du wirst für ein paar Wochen, vielleicht auch für ein paar Monate fort sein und mich nicht einmal besonders vermissen.“
Daß zumindest das letztere nicht stimmte, wußten beide. Conway blickte nach oben in ihr schwach lächelndes, aber besorgt wirkendes Gesicht und entgegnete: „Als Diagnostiker werde ich vielleicht nicht mehr derselbe Mensch sein wie früher, und das ist es, was mir Sorgen macht. Es könnte sogar damit enden, daß ich für dich nicht einmal mehr dasselbe empfinde wie sonst.“
„Verdammt noch mal, ich werde schon dafür sorgen, daß so etwas nicht passiert!“ protestierte sie wütend und fuhr dann in ruhigerem Ton fort: „Thornnastor ist jetzt seit fast dreißig Jahren Diagnostiker. Da er der Leiter der Pathologie ist, mußte ich schließlich sehr eng mit ihm zusammenarbeiten, und bis auf seinen Hang, über alles und jeden zu tratschen und einen andauernd mit Informationen über die sexuellen Fehltritte sämtlicher Mitglieder des Hospitalpersonals zu überschütten, egal, welcher Spezies diese angehören, sind keine schwerwiegenden Veränderungen in seiner Persönlichkeit zutage getreten.“
„Jedenfalls nicht für eine Nichttralthanerin wie dich“, fügte Conway hinzu.
Jetzt war es an Murchison zu schweigen. „Vor ein paar Jahren mußte ich einen mehrfachen Bruch im Panzer eines Melfaners behandeln“, fuhr Conway fort. „Das war ein langwieriges, stufenweise durchgeführtes Verfahren, und deshalb mußte ich das ELNT-Band drei Tage lang im Kopf behalten. Melfaner haben einen ausgeprägten Sinn für körperliche Schönheit, solange der betreffende Körper ein Ektoskelett und wenigstens sechs Beine aufweist.
Meine Assistentin war damals Operationsschwester Hudson. Du kennst doch Hudson, oder? Als ich die Operation beendet hatte, war ich von ihr jedenfalls sehr beeindruckt, und ich und mein melfanisches Alter ego hielten sie für eine äußerst liebenswürdige, fachlich höchst befähigte Person, aber körperlich für einen unförmigen und reizlosen Teigklumpen. Ich befürchte, ich könnte.“
„Hudson wird sogar von einigen Mitgliedern ihrer eigenen Spezies für einen unförmigen und reizlosen Teigklumpen gehalten“, warf Murchison mit säuselnder Stimme ein.
„Na, na!“ ermahnte Conway sie.
„Ich weiß, das war etwas gehässig. Aber ich mache mir auch Sorgen darum, und es tut mir leid, daß ich die Probleme, vor denen du stehen wirst, nicht richtig einschätzen kann, weil die Schulungsbänder nichts für mich und meinesgleichen sind.“
Spöttisch setzte sie einen finsteren Gesichtsausdruck auf und versuchte, die tiefe, kratzende Stimme von O'Mara nachzuahmen, die er stets anschlug, wenn er sich wieder einmal im Sarkasmus suhlte. „Auf keinen Fall, Pathologin Murchison! Ich bin mir durchaus bewußt, daß Ihnen die Schulungsbänder bei Ihrer Arbeit helfen würden. Aber Sie und die übrigen Frauen des Personals beziehungsweise deren extraterrestrische Entsprechungen werden auch weiterhin ohne Hilfe den eigenen Kopf gebrauchen müssen, und zwar so, wie er ist. Das ist zwar bedauerlich, aber Frauen haben eine tiefe, unauslöschliche und geschlechtsbedingte Aversion, eine Art Überempfindlichkeit, die es ihnen nicht erlaubt, ihre Gehirne mit einer fremden Persönlichkeit zu teilen, die unbeeindruckt von ihren sexuellen.“
Die Anstrengung, die tiefe Stimme beizubehalten, wurde für Murchison zu groß, und sie bekam einen Hustenanfall.
Conway mußte unwillkürlich lachen und fragte dann in flehendem Ton: „Aber was soll ich oder sollen wir denn tun?“