Um sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen, beantwortete er die Frage nicht direkt, sondern beschrieb einige der ausgefalleneren Lebensformen, aus denen sich die Föderation zusammensetzte — allerdings nicht so, wie er sie ihr noch vor kurzem beschrieben hatte. Jetzt stützte er sich auf seine im Hospital gemachten Erfahrungen und schilderte die Aliens als Patienten, die sich bei einer unglaublichen Vielfalt an Krankheiten im Orbit Hospital operieren oder behandeln lassen mußten. Er versuchte, Khone Hoffnung zu machen, wußte aber, daß er in Wirklichkeit nichts anderes tat, als Zeit zu schinden, indem er einem Wesen — das zwar eine Art Arzt war, das aber nicht einmal seine Patienten berühren konnte — Krankheitsbilder und klinische Prozeduren beschrieb. Da er nie viel davon gehalten hatte, seinen Patienten falsche Auskünfte zu erteilen, wollte er auch bei einer Arztkollegin nicht damit anfangen.
„Jedenfalls weiß ich ganz genau, daß das Problem, von dem Ihre Spezies betroffen ist, einzigartig ist“, fuhr er fort. „Wenn ein ähnlicher Fall entdeckt worden wäre, hätte man ihn in der wissenschaftlichen Literatur gründlich untersucht und diskutiert, und in einem Hospital mit vielen verschiedenen Spezies wäre er zur Pflichtlektüre für das Personal geworden.
Es tut mir leid“, entschuldigte er sich, „aber der einzige hilfreiche Vorschlag, den ich machen kann, besteht darin, daß ich die Lage auf Goglesk so genau wie möglich untersuche, und zwar unter Mitwirkung eines Wesens, das sowohl Patient als auch Arzt ist, also mit Ihnen.“
Während er auf Khones Stellungnahme wartete, hörte Conway hinter sich Wainright herankommen, der sich aber nicht in das Gespräch einmischte.
„Die Zusammenarbeit ist möglich und erwünscht, darf aber nicht mit engem Körperkontakt vonstatten gehen“, antwortete die Gogleskanerin schließlich.
Conway stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Im Gebäude hinter mir befindet sich ein Raum zur Haltung und Beobachtung der einheimischen Tierwelt unter geringstmöglicher Einschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit. Zum Schutz der Beobachter ist der Raum durch eine unsichtbare, aber äußerst widerstandsfähige Wand getrennt. Wäre es unter diesen Bedingungen möglich, sich in Ihre unmittelbare Nähe zu begeben, um Ihren Körper zu untersuchen?“
„Sofern die Widerstandsfähigkeit der Wand nachgewiesen wird, ist diese unmittelbare Nähe möglich“, antwortete die Gogleskanerin vorsichtig.
Wainright räusperte sich und sagte: „Sie müssen schon entschuldigen, wenn ich mich einmische, Doktor, aber bis jetzt hat noch keine Notwendigkeit bestanden, diesen Raum zu nutzen. Deshalb lagere ich dort Brennstoffzellen. Sie brauchen mir nur zwanzig Minuten Zeit zum Aufräumen zu geben, und schon steht er Ihnen zur Verfügung.“
Während Khone und Conway langsam zur Rückseite des Gebäudes herumgingen, erklärte er ihr, daß der Raum, wie sie selbst sehen konnte, einen direkten Ausgang ins Freie besaß, der es gefangenen Lebensformen ermöglichte, nach der Freilassung schnell in die eigene Umgebung zurückzukehren. Wie Conway der Gogleskanerin versicherte, werde man in ihrem Fall natürlich keinerlei Mittel einsetzen, die ihre Bewegungsfreiheit einschränken könnten, und zudem stehe es ihr frei, jede Erörterung oder Untersuchung nach Belieben abzubrechen.
Conways Absicht war es, eine Erklärung für das Verhalten der Gogleskaner zu finden, und zwar durch eine genaue physiologische Untersuchung der Spezies unter besonderer Berücksichtigung des Schädelbereichs, der für ihn vollkommen neuartige Merkmale aufwies und der schon deshalb für die Untersuchung möglicherweise von entscheidender Bedeutung sein konnte. Natürlich hegte er keinesfalls die Absicht, Khone physische oder psychische Schmerzen zuzufügen.
„Auf ein wenig Unbehagen ist man innerlich durchaus eingestellt“, bemerkte die FOKT.
Um Khone noch mehr zu beruhigen, betrat Conway den Raum als erster, und während ihm die Gogleskanerin vom Außeneingang zusah, bewies er ihr mit Fäusten und Füßen die Widerstandsfähigkeit der Wand. Dann deutete er auf die Decke des Raums und beschrieb dabei kurz den Zweck des in beiden Richtungen arbeitenden Kommunikators und der Projektoren der nichtmateriellen Halte- und Greifvorrichtungen, wobei er Khone versicherte, diese nur mit ihrem ausdrücklichen Einverständnis einzusetzen. Anschließend ging er durch die Tür, die weiß umrandet war, damit man sie in der völlig unsichtbaren Wand sehen konnte, und gab dann der Gogleskanerin Zeit, sich an den Raum zu gewöhnen.
Inzwischen hatte Wainright die Brennstoffzellen bereits aus der für den Beobachter bestimmten Hälfte des Raums entfernt und sie durch einen 3-D-Projektor und Conways gesamte medizinische Ausrüstung ersetzt. Außerdem hatte er die Aufnahmen vom Vortag bereitgelegt sowie einige Videoaufzeichnungen mit grundlegenden Informationen, wie sie beim Erstkontakt mit fremden Spezies benutzt wurden.
„Ich werde das Ganze vom Kommunikationszentrum nebenan überwachen und aufnehmen“, sagte Wainright und blieb einen Moment im Inneneingang stehen. „Khone hat die Informationsvideos zwar schon gesehen, aber ich dachte, Sie wollen Ihr vielleicht noch einmal die fünfminütige Sequenz über das Orbit Hospital vorspielen. Falls Sie sonst noch etwas brauchen sollten, lassen Sie es mich wissen, Doktor.“
Nur durch eine dünne, durchsichtige Wand und einen Zwischenraum von etwa drei Metern — was eigentlich viel zuviel war — voneinander getrennt, blieben Khone und Conway allein im Raum zurück.
Auf Hüfthöhe legte Conway die Handfläche gegen die transparente Wand und sagte: „Bitte kommen Sie so nah wie möglich heran, und versuchen Sie, eins Ihrer Greiforgane von Ihrer Seite aus dort auf die durchsichtige Wand zu legen, wo sich meine Hand befindet. Es eilt nicht. Der Zweck des Ganzen ist, Sie an die unmittelbare Nähe zu mir zu gewöhnen, ohne wirklich Körperkontakt herzustellen.“
Während er weiterhin beruhigend auf Khone einredete, kam diese langsam immer näher, und nach mehreren Versuchen, die stets mit einem überhasteten Zurückweichen endeten, legte sie schließlich ihre Fingerbüschel von der anderen Seite der Wand gegen Conways Hand. Jetzt waren sie weniger als einen Zentimeter voneinander entfernt. Mit der freien Hand holte Conway vorsichtig den Scanner hervor und drückte ihn auf gleicher Höhe mit dem Schädel der FOKT ebenfalls an die Wand. Ohne erst gebeten werden zu müssen, preßte die Gogleskanerin ihren Kopf mit der Seite gegen die durchsichtige Oberfläche.
„Ausgezeichnet!“ rief Conway und stellte die Abtasttiefe des Scanners neu ein. „Obwohl die Physiologie der Gogleskaner Elemente aufweist, die mir völlig fremd sind, gleicht die Lebensform im großen und ganzen den übrigen warmblütigen und Sauerstoffatmenden Spezies“, erklärte er. „Die Unterschiede konzentrieren sich auf den Kopfbereich, und diese Tatsache bedarf der Untersuchung, bei der man womöglich auf eine Erklärung stößt, die eventuell keine rein physische Grundlage hat.
Kurz gesagt, wir untersuchen hier eine ziemlich normale Lebensform, die sich lediglich hin und wieder anomal verhält“, faßte er zusammen. „Wenn wir davon ausgehen, daß Verhaltensmuster durch Umwelt- und Evolutionseinflüsse geprägt werden, sollten wir mit der Untersuchung Ihrer Vergangenheit beginnen.“
Er ließ Khone einen Moment lang Zeit zum Nachdenken und fuhr dann fort: „Nach Aussage von Lieutenant Wainright, der von sich selbst mit Recht behaupten kann, ein recht guter Freizeitarchäologe zu sein, ist Ihr Planet seit der Entwicklung Ihrer noch nicht intelligenten Vorfahren beachtlich stabil gewesen. Es hat keine Veränderungen der Umlaufbahn gegeben, keine größeren seismischen Störungen und keine Eiszeiten oder irgendwelche merklichen Klimaveränderungen. All das deutet darauf hin, daß sich Ihr spezielles Verhaltensmuster, das gegenwärtig den Fortschritt Ihrer Zivilisation hemmt, als Reaktion auf eine sehr frühe Bedrohung durch natürliche Feinde entwickelt hat. Was für Feinde sind beziehungsweise waren das?“