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Während die Gogleskanerin etwa einen Meter von der Trage entfernt umhertaumelte, verfluchte Conway seine eigene Dummheit. Als die Darstellung nicht viel mehr als eine Anhäufung dünner Linien gewesen war, hatte Khone nur wenig Interesse gezeigt, da ihr die Erfahrung fehlte, die dreidimensionale Realität zu erfassen, die durch die Linien dargestellt wurde. Aber das letzte Bild des Lieutenant war zu realistisch gewesen, als daß es irgendein Gogleskaner hätte betrachten können, ohne dabei durchzudrehen.

Conway sah den rundlichen Körper der FOKT auf sich zukommen und an sich vorbeitorkeln. Die vielfarbigen Haare standen ihr zu Berge und zuckten, die vier Stacheln waren in voller Länge aufgerichtet, aus den Spitzen rannen Gifttröpfchen, doch der von der Membran erzeugte Laut schien etwas weniger ohrenbetäubend geworden zu sein. Conway blieb vollkommen reglos liegen und folgte Khone nicht einmal mit den Augen, als sie sich erst entfernte und dann wieder an die Trage zurückkehrte.

Die verminderte Lautstärke des Notrufs war ein klarer Beweis, daß Khone gegen ihren Instinkt anzukämpfen versuchte, und Conway mußte ihr dabei auf die einzig mögliche Weise helfen, indem er sich absolut regungslos verhielt. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie die Gogleskanerin stehenblieb, wobei sich einer ihrer Stacheln nur Zentimeter neben seinem Gesicht befand und das steife, borstige Haar seinen Overall streifte. Er konnte ihren Atem spüren, der sanft über seine Stirn strich, und er nahm den schwachen Pfefferminzduft wahr, der offenbar ihr Körpergeruch war. Ob Khone aus Angst vor der Darstellung des Lieutenant zitterte oder aus Unschlüssigkeit, ob sie angreifen sollte oder nicht, konnte er nicht sagen.

Wenn er sich absolut still verhielt, sagte er sich verzweifelt, dürfte er für Khone keine Bedrohung darstellen. Rührte er sich jedoch, das wußte er mit einer furchtbaren Sicherheit, dann würde ihn die Gogleskanerin instinktiv stechen, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken. Doch an dem Verhaltensmuster der FOKTs gab es noch eine andere Seite, die er vollkommen vergessen hatte.

Zwar griffen sie Feinde blind an, aber jedes Lebewesen, das keine Bedrohung darstellte und es geschafft hatte, in solch unmittelbarer körperlicher Nähe zu bleiben wie Conway, mußte ein Freund sein.

Und in Momenten wie diesem schlossen sich Freunde zusammen.

Plötzlich bemerkte Conway, wie die Borsten an seinem Overall kratzten und sich im Schulter- und Nackenbereich in den Stoff zu schlängeln versuchten. Zwar befand sich der Stachel immer noch unangenehm dicht neben seinem Gesicht, doch irgendwie wirkte er weniger bedrohlich, und deshalb blieb Conway vollkommen reglos. Da erblickte er ganz deutlich einen der langen, dünnen Fühler, der sich nur wenige Zentimeter über seinem rechten Auge bewegte und sich ihm federleicht auf die Stirn legte.

Wie er wußte, schlossen sich die Gogleskaner sowohl geistig als auch körperlich zusammen, doch für die telepathische Verbindung sah er noch geringere Erfolgsaussichten als für die körperliche.

Er irrte sich.

Mit einem starken, nicht zu ortenden Jucken im Kopf fing es an, und wenn seine Hände und Arme nicht festgeschnallt gewesen wären, hätte er wie rasend mit den Fingern in den Ohren herumgestochert. Außerdem war er sich eines unerträglichen Durcheinanders von Geräuschen, Bildern und Gefühlen bewußt, die nicht seine eigenen waren. Dieselbe Empfindung hatte er schon oft nach der Speicherung extraterrestrischer Physiologiebänder im Orbit Hospital gehabt, doch in den Fällen waren die fremden Eindrücke logisch zusammenhängend und geordnet gewesen. Jetzt hatte er das Gefühl, auf einem Fernseher, bei dem die Steuerung des Kanalwählers nicht richtig funktionierte, einen 3-D-Film mit Sinnessteigerung zu sehen. Die hellen, aber chaotischen Bilder und Eindrücke wurden immer intensiver, und er wollte die Augen schließen, weil er hoffte, daß sie dann verschwinden würden; aber er wagte nicht einmal zu blinzeln.

Auf einmal veränderten sich die Bilder nicht mehr, die Empfindungen waren scharf und deutlich, und ein paar Sekunden lang wußte Conway, wie es war, ein äußerst einsames und geistig verzweifeltes Lebewesen wie ein erwachsener Gogleskaner zu sein. Die große Intelligenz und Sensibilität von Khones Verstand flößte ihm Ehrfurcht ein, und er war sich der vielen verschiedenen Arten bewußt, auf die ihn die Ärztin eingesetzt hatte, um die geisteszerstörende Ausrichtung zu bekämpfen und auszuschalten, die die Evolution der gogleskanischen Spezies auf gezwungen hatte. Dabei handelte es sich um Überlegungen, die Khone allesamt angestellt hatte, lange bevor das Monitorkorps oder er selbst auf Goglesk eingetroffen waren.

Weil sein Geist mit Khones verschmolzen war und die Ärztin keine Zweifel hatte, wußte auch Conway genau, daß ihr Verstand, was die Auffassungsgabe der FOKTs betraf, nichts Außergewöhnliches war. Doch an ihrer hohen Intelligenz konnte er lediglich über die langsame, unpersönliche und undeutlich artikulierte Sprache teilhaben, und zu einer wirklichen Geistesverschmelzung kam es nur in der kurzen Zeitspanne zwischen dem Beginn des Zusammenschlusses und der geistigen Abstumpfung und Verwirrung, die unmittelbar darauf folgte. Seine Bewunderung für Khone, die einer Spezies angehörte, deren Mitglieder nur mit höchstem Widerwillen Individualisten waren, wuchs dabei fast ins Unermeßliche.

Die Gedanken, die wir miteinander austauschen, verlieren weder an Schärfe noch an Genauigkeit.

Die Worte, die sich in Conways Kopf bildeten, waren von Gefühlen wie Freude, Dankbarkeit und Neugier begleitet, und von Hoffnung.

Durch die Herstellung der geistigen Verschmelzung zwischen Ihren Mitwesen muß ein bestimmter Bereich des endokrinen Drüsensystems angeregt werden, der die gesamte Gehirntätigkeit desensibilisiert, wahrscheinlich um die in der Vorgeschichte erlittenen Qualen nach einem Zusammenschluß und bei Angriff eines Raubtiers zu lindern. Doch ich bin kein Gogleskaner, deshalb fehlt mir auch der Mechanismus, der mich unempfindlich macht. Jedenfalls sollte unverzüglich eine genaue Untersuchung der entsprechenden endokrinen Drüse vorgenommen und diese isoliert werden. Und falls ein operativer Eingriff angezeigt sein sollte…

Zu spät bemerkte er, wohin ihn dieser Gedankengang führte und welche weitreichenden — und für Khone erschreckenden — Assoziationen er eröffnete. Unter gewaltigen geistigen Anstrengungen hatte sich die Gogleskanerin auf die unmittelbare Nähe und den Körperkontakt mit einem Außerplanetarier eingestellt, und Conway wußte ganz genau, was für eine Mühe das gemacht hatte. Aber jetzt teilte die Ärztin Conways Geist, teilte seine Gedanken, Gefühle und Erfahrungen mit Lebewesen, die am Orbit Hospital arbeiteten oder dort geheilt worden waren und die den im Meer lebenden Alptraum aus der gogleskanischen Vergangenheit im Vergleich wie ein Haustier aussehen ließen.

Das konnte Khone nicht verkraften, und ihr Notsignal, das im Laufe der letzten paar Minuten leiser geworden war, brach wieder in voller, verzweifelter Lautstärke hervor. Doch das kleine Wesen hielt den Kontakt trotz des fremden Alptraums aufrecht, den ihr telepathischer Fühler empfing, und Conway litt mit ihr.

Er bemühte sich, etwas Beruhigendes zu denken, versuchte, sowohl den Verstand der Gogleskanerin als auch den eigenen zu einem geistigen Themenwechsel zu bringen. Zwar hatte er mehrmals geblinzelt, sich aber ansonsten nicht gerührt, und er glaubte — oder hoffte vielmehr —, daß ihn Khone weiterhin als ein regungs- und hilfloses Wesen behandeln würde, das keine Bedrohung darstellte. Doch war das nur die eigene Einbildung oder hatte sich Khones Aussehen tatsächlich auf einmal verändert?

Das steife, vielfarbige Haar zeichnete sich klarer ab, und der Stachel, der Conway am nächsten war, hatte neue Glanzpunkte entwickelt. Einen Moment lang bekam er noch größere Angst als Khone. Da bemerkte er, was gerade vor sich ging.

„Nein, nicht.!“ rief er so laut, wie er ohne Lippenbewegungen konnte. Doch die Membran der Gogleskanerin vibrierte zu heftig, als daß ihn Wainright gehört hätte.