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„Uns statten viele Wesen aus der geriatrischen Abteilung, die ein hudlarisches Physiologieband im Kopf gespeichert haben, einen Besuch ab“, fuhr die Schwester fort, ohne sich des Chaos bewußt zu sein, das sie in Conways Kopf verursachte. Dessen hudlarisches Alter ego verwirrte ihn mit Wissen, Erinnerungen, Erlebnissen und Wunscherfüllungsphantasien vom Umwerben, vom Liebesspiel und von gewaltigen Paarungen, vor denen sein terrestrisches Gehirn entsetzt zurückschreckte. Doch in diesem Augenblick stand Conway nicht mehr unter der Kontrolle des eigenen Verstands.

Verzweifelt versuchte er, wieder Herr über sich selbst zu werden, den überwältigenden primitiven Instinkt zu bekämpfen, der ihm das Denken unmöglich machte. Während die Schwester weitersprach, bemühte er sich, nur die nichthudlarischen Finger in den dünnen Handschuhen anzusehen, die er um das Geländer gekrallt hatte. „Ein Besuch in der geriatrischen Abteilung ist für einen Hudlarer oder für ein Wesen, das ein Hudlarerband im Kopf gespeichert hat, immer erschütternd. Ich selbst würde, sofern man mich nicht darum bittet, keinen Fuß hineinsetzen, und denjenigen, die das aus rein beruflichem Pflichtgefühl heraus tun, gilt meine uneingeschränkte Hochachtung und Bewunderung. Ein Besuch bei uns soll, wie es heißt, den allzu bedrückten Köpfen oft zu angenehmeren Gedanken verhelfen.

Es steht Ihnen natürlich frei, so lange hierzubleiben, wie Sie es für nötig halten, Doktor, egal, aus welchem Grund“, fügte sie verständnisvoll hinzu. „Und falls ich Ihnen irgendwie helfen kann, brauchen Sie es nur zu sagen.“

Der Verstand von Conways hudlarischem Gehirnpartner war inzwischen auf die Urinstinkte reduziert worden. Der Diagnostiker auf Probe krächzte irgend etwas, mit dem der Translator wahrscheinlich nichts anfangen konnte, und hastete beinahe im Laufschritt den Steg entlang zum Ausgang.

Jetzt reiß dich, um Himmels willen, zusammen! fuhr er sich selbst im stillen an. Die wiegt zwanzigmal soviel wie du…!

12. Kapitel

Dem Meneldensystem waren Katastrophen nicht unbekannt. Vor etwa sechzig Jahren war es von einem Aufklärungsschiff des Monitorkorps entdeckt worden, dessen Captain das traditionelle Recht wahrgenommen hatte, ihm einen Namen zu geben, da keine Anzeichen für im System beheimatetes intelligentes Leben mit einem eigenen Namen für den Planeten bestanden hatten. Sollte es in ferner Vergangenheit solches Leben gegeben haben, dann war davon jede Spur ausgelöscht worden, als ein gewaltiger Erzbrocken vom Umfang eines Planeten in das System raste, mit dem größten äußeren Planeten kollidierte, schwere Zerstörungen anrichtete und zum Schluß auch mit den übrigen Planeten zusammenstieß, die sich alle im engen Orbit um den Hauptplaneten herum befanden.

Als sich das System schließlich wieder stabilisiert hatte, war Menelde eine alternde gelbe Sonne, die von einer schnell umherwirbelnden, zum Großteil aus Metall bestehenden Asteroidenwolke umgeben war. Direkt nach ihrer Entdeckung kam aus allen Ecken der galaktischen Föderation Leben in das Meneldensystem, und zwar in Form von Bergwerksbetrieben und Metallverarbeitungsfabriken sowie des dazugehörigen Personals. Natürlich ereigneten sich in dieser kosmischen Illustration der Brownschen Molekularbewegung auch etliche Unfälle.

Die Einzelheiten von einem dieser Unfälle wurden erst Wochen später bekannt, und wer letztendlich die Verantwortung dafür zu tragen hatte, sollte nie festgestellt werden können.

Von Schleppern wurde gerade eine riesengroße Wohneinheit zur Unterbringung der vielen verschiedenen Spezies, aus denen sich das Personal für den Bergbau und die Metallverarbeitung zusammensetzte, von einem ausgebeuteten Gebiet zu einem noch nicht erschöpften befördert und verfolgte dabei schwerfällig eine Bahn zwischen den sich langsam bewegenden oder relativ reglosen Asteroiden und dem übrigen Bergwerksverkehr, der in ähnlich heiklen dreidimensionalen Navigationsmanövern begriffen war.

Bei einem der Schiffe, das auf seinem Kurs sicher aber auch unangenehm nah an der Wohneinheit und den Schleppern vorbeizufliegen pflegte, handelte es sich um einen bis obenhin mit Metallträgern und — platten beladenen Frachter. Zwischen den Triebwerken am Heck und der winzigen Kommandokapsel am Bug war der Frachter vollkommen offen gebaut, um das Be- und Entladen zu erleichtern. Das führte dazu, das die deutlich sichtbare und anscheinend nicht allzu sicher an den Vertäuungspunkten befestigte Metallmasse den ranghöchsten Schlepperkapitän unter übermäßigen psychischen Druck setzte und ihn veranlaßte den Kapitän des Frachters zum Abdrehen aufzufordern.

Der Kapitän des Frachters protestierte und beteuerte beharrlich, daß sie absolut gefahrlos aneinander vorbeifliegen könnten, während sich sein Schiff und die gewaltige Wohneinheit schwerfällig aufeinander zuschoben. Das letzte Wort hatte jedoch der ranghöchste Schlepperkapitän, der die Verantwortung für ein Gebilde trug, das nicht selbst manövrieren konnte und in dem sich, im Gegensatz zum Frachter mit seiner dreiköpfigen Besatzung, mehr als tausend Lebewesen befanden.

Wegen des ungeheuren Gewichts und der Trägheit seiner Ladung schwenkte der Frachter äußerst langsam quer zur Wohneinheit, um sich auf diese Weise mit den Haupttriebwerken aus der Gefahrenzone zu bringen, bevor sich ihre Pfade kreuzen konnten. Die beiden Schiffe näherten sich, allerdings nur langsam, und es war noch jede Menge Zeit.

In diesem Augenblick entschloß sich der Aufseher der Wohneinheit, obwohl er keinerlei Anlaß zur Besorgnis hatte, eine Notfallübung abzuhalten.

Das eindringliche Aufblitzen der Warnleuchten und das Kreischen der Alarmsirenen, die der ranghöchste Schlepperkapitän im Hintergrund hören konnte, als er mit der Wohneinheit in Sprechverbindung stand, mußten auf ihn beunruhigend gewirkt haben. Er kam zu der Überzeugung, der Frachter wende zu langsam, und schickte zwei seiner Schlepper los, um das Manöver mit Pressorstrahlen zu unterstützen. Ungeachtet der wiederholten bissigen Beteuerungen des Frachterkapitäns, für das Manöver sei noch reichlich Zeit und man habe alles unter Kontrolle, wurde der Frachter schnell quer zur sich nähernden Wohneinheit geschoben, also in die Position, aus der ihn ein kurzer Schub der Triebwerke innerhalb weniger Sekunden herausbringen würde.

Da zündeten die Triebwerke nicht.

Ob das Versagen auf die Wirkung der eiligst auf die freiliegenden, zwischen der Kommandokapsel und den Triebwerken verlaufenden Steuerungsgestänge des Frachters gebündelten Pressorstrahlen zurückzuführen war — die Gestänge konnten durchaus so verbogen worden sein, daß sie sich nicht mehr bewegen ließen —, oder ob das Schicksal entschieden hatte, das Steuerungssystem in genau diesem entscheidenden Moment ausfallen zu lassen, sollte man nie in Erfahrung bringen können. Doch bis zum Zusammenstoß blieben noch ein paar Minuten Zeit.

Ohne das geordnete Durcheinander an Bord der Wohneinheit zu beachten, wo der Aufseher seinen Leuten verzweifelt klarzumachen versuchte, daß die Notfallübung mittlerweile zu einem echten Einsatz geworden war, setzte der Frachterkapitän die Lagesteuerungsdüsen mit maximaler Überlastung ein, um das Schiff wieder auf den ursprünglichen, sicheren Steuerkurs zu bringen. Doch das gewaltige Gewicht eines mit Schwermetallen bis oben hin beladenen Schiffs war mehr, als die Düsen bewältigen konnten. Langsam, beinahe sanft, stieß der Bug des Frachters schließlich gegen den vorderen Teil der Wohneinheit.

Durch den plötzlichen auf die Längsachse einwirkenden Stoß brach der Frachter, dessen Rumpf nur für vertikale Lasten gebaut war, auseinander. Gigantische Metallträger rissen sich von den Vertäuungspunkten los, die Haltegurte aus Metall zerrissen wie Bindfäden, und die langen offenen Gestelle, in denen die Metallplatten lagen, fielen beim Auseinanderbrechen des Schiffsrumpfs zusammen und schleuderten ihre Ladung wirbelnd wie einen langsam fliegenden Wurfmesserhagel auf die Seitenwand der Wohneinheit zu. Und unter den sich drehenden Metallplatten und — trägern und Teilen des Frachterrumpfs befand sich auch radioaktives Material aus dem Schiffsreaktor.