Выбрать главу

Viele Platten stießen mit der Kante gegen die Einheit und schlitzten die Außenhaut mehrere hundert Meter weit auf, bevor sie wieder weggeschleudert wurden. Dann krachten die Metallträger gegen die bereits beschädigte Außenhaut und rissen in Dutzende von Wohnräume Löcher oder bohrten sich wie riesengroße Speere tief ins Innere der Einheit. Durch die Kollision wurde die vorwärts fliegende Wohneinheit schlagartig zum Stehen gebracht und in ein sich langsam drehendes, halbes Wrack verwandelt, das abwechselnd eine Seite zeigte, die unbeschädigt war, und eine, die ein Bild vollkommener Verwüstung bot. Einer der Schlepper flog der sich ausbreitenden Metallwolke hinterher, die einst der Frachter mitsamt seiner Ladung gewesen war, um deren Kurs für die spätere Bergung zu verzeichnen und nach eventuellen Überlebenden von der Besatzung zu suchen. Die übrigen Schlepper brachten die sich drehende Wohneinheit zum Stillstand und halfen, wo sie nur konnten, bis die Hilfstrupps aus den nahegelegenen Bergbaubetrieben und schließlich die Rhabwar eintrafen.

Bis auf einige Hudlarer, denen das Vakuum nichts ausmachte, und eine Anzahl von Tralthanern, die ebenfalls kurze Zeit im luftleeren Raum existieren konnten, indem sie sich in den Winterschlafzustand versetzten und sämtliche Körperöffhungen schlossen, hatte niemand auf der aufgerissenen Seite der Wohneinheit überlebt.

Selbst die ungeheuer starken und mit widerstandsfähiger Haut versehenen Hudlarer und Tralthaner konnten nicht unter Nulldruck leben, wenn ihre Körper offene Wunden hatten, denn bei starker, explosionsartiger Dekompression zogen sich die bedauernswerten Geschöpfe Leiden zu, die nicht einmal im Orbit Hospital geheilt werden konnten.

Am schwersten waren die Unterkünfte der Hudlarer und Tralthaner von den Folgen des Zusammenstoßes betroffen worden. An allen übrigen Stellen war keine Luft aus der Wohneinheit entwichen, obwohl die Bewohner aufgrund der Bestimmungen für Notfallübungen sowieso Raumanzüge trugen und ein Druckabfall somit kein Problem gewesen wäre.

Dafür hatten in diesen Bereichen die abrupte Geschwindigkeitsabnahme und der Drall nach der Kollision zu Unfallopfern geführt — und zwar zu Hunderten, deren Verletzungen zwar ernsthaft, wegen der schützenden Anzüge aber nicht kritisch ausgefallen waren. Nachdem man in der Wohneinheit die künstliche Schwerkraft wiederhergestellt hatte, wurden diese Verletzten von den Ärzten der eigenen Spezies behandelt, die im Industriekomplex des Meneldensystems arbeiteten, und dann auf provisorische Stationen gebracht, wo sie auf den Transport zum jeweiligen Heimatplaneten zur weiteren Behandlung oder Erholung warteten.

Nur die wirklich schweren Fälle verlegte man ins Orbit Hospital.

Die Nachricht vom Unfall im Meneldensystem hatte das Hospital gerade rechtzeitig erreicht, um Conway die Auseinandersetzung mit einem anderen ernsthaften Problem zu ersparen, obwohl es nach Conways eigenem Dafürhalten weder bewundernswürdig noch selbstlos war, einen schweren Unfall als willkommenen Vorwand für das Verschieben einer besonders beunruhigenden Begegnung zu nehmen.

Allmählich hatten die Schulungsbänder nämlich einen derart starken Einfluß auf ihn genommen, daß er kaum noch sagen konnte, ob bestimmte Gefühle von ihm selbst oder von einem oder allen seiner Gehirnpartner stammten. Dieser Zustand wirkte sich bereits so stark auf ihn aus, daß er, je näher die dienstfreie Zeit rückte, in zunehmendem Maße die Zusammenkunft mit Murchison fürchtete, wenn sie sich unter Umständen, die zwangsläufig zu körperlichen Intimitäten führten, in ihrer Unterkunft begegneten. Er wußte einfach nicht, wie er auf seine Lebenspartnerin reagieren sollte, wie gut er — wenn überhaupt — die Situation in den Griff bekommen könnte und, was am wichtigsten war, wie Murchison seine Reaktionen aufnehmen würde.

Da wurde die Rhabwar plötzlich zum Meneldensystem gesandt, um die Rettungsaktion zu koordinieren und die schwerer Verletzten ins Hospital zu bringen, und Murchison, ein maßgebendes Mitglied des medizinischen Teams, befand sich an Bord.

Zuerst war Conway überaus erleichtert. Doch als früherer Leiter des medizinischen Teams des Schiffs war er sich der Gefahr bewußt, die Murchison von solch einem Unfall drohte, der im Verlauf einer großangelegten Rettungsaktion sehr leicht passieren konnte, und er machte sich allmählich Sorgen. Anstatt sich zu freuen, ihr etwa einen Tag lang nicht begegnen zu müssen, sah er sich auf die Unfallaufnahmeschleuse zusteuern, kurz bevor das Ambulanzschiff nach dem ersten Rückflug andocken sollte.

Er erspähte Naydrad und Danalta, die bei der Schleuse für den Weitertransport standen und einen recht großen Abstand zum Unfallaufnahmeteam hielten, das bei seiner Tätigkeit offenbar keinerlei Hilfe benötigte.

„Wo ist Pathologin Murchison?“ wollte Conway sofort wissen, als eine Trage mit etwas vorbeikam, das wie ein Tralthaner mit einer mehrfachen, durch Gewalteinwirkung herbeigeführten Amputation aussah. Das Wissen vom FGLI-Band drängte sich in seinem Gehirn in den Vordergrund und schlug eindringlich Behandlungsmethoden für diesen Patienten vor. Conway schüttelte unwillkürlich den Kopf, um klare Gedanken zu fassen, und sagte in bestimmterem Ton: „Ich will Murchison sprechen!“

Der neben der völlig untypisch schweigsamen Naydrad stehende Danalta nahm langsam die Körperkonturen einer weiblichen Terrestrierin an, die von den Umrissen und der Größe her denen der Pathologin entsprachen. Als er Conways Mißfallen spürte, sackte er wieder zur eigenen Unförmigkeit zusammen.

„Befindet sie sich an Bord?“ fragte Conway in scharfem Ton.

Das Fell der Schwester kräuselte sich und zog sich zu unregelmäßigen Büschelmustern zusammen, die Conways kelgianischem Alter ego verrieten, daß sie äußerst abgeneigt war zu antworten und mit Unannehmlichkeiten rechnete.

„Ich habe ein kelgianisches Band im Kopf gespeichert“, klärte Conway sie leise auf und deutete auf ihr verräterisches Fell. „Was bereitet Ihnen denn solches Kopfzerbrechen, Schwester?“

„Pathologin Murchison hat es vorgezogen, lieber an der Unglücksstelle zu bleiben, um Doktor Prilicla beim Sortieren der Unfallopfer behilflich sein zu können“, antwortete Naydrad schließlich.

„Beim Sortieren der Unfallopfer?“ stieß Conway ungläubig aus. „Prilicla sollte sich nicht Dingen aussetzen, die. Verdammter Mist! Ich fliege am besten selbst dorthin, um vor Ort zu helfen. Hier sind ja genügend Ärzte zur Behandlung der Verletzten und falls. Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?“

Naydrads Fell bildete eine neue und dringendere Folge von Büscheln und Wellen.

„Doktor Prilicla ist der Leiter des medizinischen Teams“, sagte die Kelgianerin. „Sein angemessener Platz ist am Unglücksort, um die Rettungsaktion und die Aufteilung der Verletzten zu koordinieren, egal, welche körperlichen oder seelischen Schäden möglicherweise daraus erwachsen. Die Anwesenheit eines früheren Teamleiters könnte als indirekte Kritik an seinen beruflichen Fähigkeiten angesehen werden, mit der dortigen Situation nicht fertig zu werden, was er bislang aber vorbildlich gemeistert hat.“

Da er die Bewegungen des ausdrucksfähigen Fells der Kelgianerin beobachtete, war Conway nicht über das Mitgefühl erstaunt, das Naydrad für einen Vorgesetzten bewies, der sich erst wenige Tage im Dienst befand. Es lag in der Natur der Dinge, daß Vorgesetzte respektiert und manchmal gefürchtet wurden und ihre Untergebenen ihnen normalerweise widerwillig gehorchten. Doch hatte Prilicla den Beweis erbracht, daß es durchaus möglich war, die Leitung innezuhaben und dennoch Treue entgegengebracht zu bekommen, indem er die Untergebenen durch eine ganz bestimmte Art Furcht zum Gehorsam bewegte — nämlich durch die Angst, versehentlich die Gefühle des Chefs verletzen zu können.