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Platz stand im Orbit Hospital immer hoch im Kurs, und deshalb sollten die Wesen, die zusammen arbeiteten, auch möglichst miteinander essen — aber natürlich nicht vom selben Teller.

Die Studenten hatten das Glück, zwei freie aneinandergrenzende Tische zu finden, jedoch insofern Pech, als daß die Sitze und die Bestecke für die zwergenhaften nidianischen DBDGs vorgesehen waren. Der riesige Speisesaal war für die warmblütigen sauerstoffatmenden Personalangehörigen ausgelegt, und durch einen Blick in die Runde wurde einem deutlich, daß fast immer verschiedene Spezies gemeinsam an ein und demselben Tisch aßen, fachsimpelten oder einfach miteinander plauderten. Sitze von der falschen Größe stellten eine Unannehmlichkeit dar, an die sich die Neuankömmlinge würden gewöhnen müssen, und in ihrem Fall hätte es noch sehr viel schlimmer sein können.

Die Mundwerkzeuge der Melfaner befanden sich in der richtigen Höhe über dem Tisch, und für die ELNTs war es nicht unbequem, im Stehen zu. essen. Die Tralthaner machten auf ihren sechs klobigen Füßen einfach alles, sie schliefen sogar darauf. Die Kelgianer waren in der Lage, sich mit ihrer raupenähnlichen Gestalt an fast jedes Möbelstück anzupassen, und die Orligianer, wie auch Conway selbst, konnten ohne allzu großes Unbehagen auf den Armlehnen der Stühle sitzen. Die kleinen Duwetz hatten überhaupt keine Schwierigkeiten, und der vielgestaltige Danalta hatte sich in einen Duwetz verwandelt.

„Der Automat für die Bestellung und Auslieferung des Essens funktioniert hier praktisch genauso wie auf den Schiffen, mit denen Sie hergekommen sind“, erklärte Conway, wobei er von einem Tisch zum anderen blickte. „Wenn Sie Ihre physiologische Klassifikation eingeben, erscheint auf dem Display die Speisekarte in Ihrer jeweiligen Schriftsprache. Außer bei Danalta. Die TOBS-Lebensform hat vermutlich keine speziellen Ernährungsbedürfnisse, aber bestimmt besondere Vorlieben, oder? Danalta!“

„Entschuldigen Sie, Chefarzt Conway“, entgegnete der TOBS. Während er den Kantineneingang beobachtete, war sein Körper in für einen Duwetz anatomisch unmöglicher Weise verdreht. „Meine Aufmerksamkeit war ganz von den unglaublich verschiedenartigen Lebensformen in Anspruch genommen, die hier ein und aus gehen.“

„Was möchten Sie essen, Danalta?“ erkundigte sich Conway geduldig.

Ohne seinen duwetzischen Kopf herumzudrehen, antwortete der TOBS: „Praktisch alles, was nicht radioaktiv oder chemisch ätzend ist, Chefarzt Conway. Falls nichts anderes vorhanden sein sollte, könnte ich mit meinem Stoffwechsel innerhalb kurzer Zeit auch das Material verarbeiten, aus dem der Kantinentisch besteht. Aber ich esse nur selten und werde erst in mehreren Ihrer Tage wieder Nahrung aufnehmen müssen.“

„Schön.“ Über die Tastatur bestellte sich Conway ein Steak, bevor er fortfuhr: „Und noch etwas, Danalta: Es ist zwar sehr erfreulich, in angemessener Form und mit Respekt angesprochen zu werden — in diesem Krankenhaus kommt das nur selten vor —, aber es kann auch lästig sein. Darum ist es üblich, Medizinalassistenten, Assistenz- und Chefärzte und selbst Diagnostiker einfach mit Doktor anzureden. Haben Sie schon einen physiologischen Typus entdeckt, den Sie nicht nachahmen können?“

Allmählich ärgerte sich Conway darüber, daß Danalta während seiner Ausführungen fortwährend auf den Eingang starrte, und er fragte sich, ob es sich dabei um ein für diese Spezies charakteristisches Merkmal handelte und dieses unhöfliche Verhalten nicht beabsichtigt war. Dann mußte er fast nach Luft ringen, als er sah, daß der TOBS aus der Rückseite des Kopfes ein kleines Auge ausgestülpt hatte, um ihn anzusehen.

„Meinen Fähigkeiten sind gewisse Grenzen gesetzt, Doktor“, entgegnete Danalta. „Die Gestalt zu verändern ist zwar relativ einfach, aber Körpermasse kann ich nicht einfach abwerfen. Dies hier“, er deutete auf sich selbst, „ist ein kleiner, aber äußerst schwerer Duwetz. Und das Lebewesen, das gerade hereingekommen ist, wäre tatsächlich sehr schwer nachzuahmen.“

Conway folgte der Blickrichtung von Danaltas übrigen Augen, stand dann plötzlich auf und winkte.

„Prilicla!“

Bei dem kleinen Wesen, das gerade in die Kantine gekommen war, handelte es sich um einen cinrusskischen GLNO — ein sechsbeiniges, ungeheuer zerbrechlich wirkendes Insekt mit Ektoskelett und zwei Flügelpaaren. Auf seinem Heimatplaneten herrschte weniger als ein Achtel der Erdanziehungskraft, und nur ein doppelter Satz Schwerkraftneutralisatoren bewahrte Prilicla davor, auf dem Boden regelrecht zermalmt zu werden. Erst durch diese G-Gürtel konnte er überhaupt fliegen oder sicher an der Decke oder den Wänden entlangtrippeln, wenn seine überaus zerbrechlichen Gliedmaßen und sein Leben durch die gedankenlosen Bewegungen der kräftigeren Kollegen bedroht waren. Cinrussker auseinanderzuhalten war für Außerplanetarier unmöglich; sogar Cinrussker selbst konnten zwischen Angehörigen der eigenen Spezies lediglich durch die Identifizierung der individuellen emotionalen Ausstrahlung unterscheiden. Doch zum Hospitalpersonal gehörte nur ein einziger GLNO-Empath; also mußte es sich bei diesem hier um Chefarzt Prilicla handeln.

Während der kleine Empath langsam mit seinen breiten, schimmernden, fast durchsichtigen Flügeln auf sie zugeflogen kam, wurde er von der Tischrunde aufmerksam beobachtet. Als er schließlich vorsichtig über der Gruppe schwebte, bemerkte Conway an den sechs bleistiftdünnen Beinen des Empathen ein schwaches, unregelmäßiges Zittern, und auch der Schwebeflug wies deutliche Anzeichen von Instabilität auf.

Irgend etwas beunruhigte den kleinen Cinrussker, doch Conway sagte lieber nichts, weil er wußte, daß seine eigene Besorgnis von dem Empathen bereits wahrgenommen wurde. Plötzlich fragte er sich, ob durch den Anblick des GLNO bei einem der Neuankömmlinge irgendeine tiefsitzende Phobie ausgelöst worden sein könnte und dieser jetzt so große Angst oder starken Abscheu ausstrahlte, daß Priliclas harmonisches Zusammenwirken der Muskeln in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Dergleichen mußte er einen Riegel vorschieben.

„Das hier ist Chefarzt Prilicla“, sagte Conway schnell, als wollte er den Empathen nur vorstellen. „Er stammt vom Planeten Cinruss, gehört zur physiologischen Klassifikation GLNO und verfügt über hochentwickelte empathische Fähigkeiten, die unter anderem für die Feststellung und Überwachung des Zustands tief bewußtloser Patienten von unschätzbarem Wert sind. Durch diese Fähigkeiten ist Prilicla auch sehr stark für die emotionale Ausstrahlung von Kollegen wie uns empfänglich, die bei Bewußtsein sind. In seiner Gegenwart müssen wir uns vor plötzlichen und heftigen Gefühlsreaktionen hüten, sogar vor unwillkürlichen Regungen wie instinktiver Furcht oder Abneigung beim Zusammentreffen mit einer Lebensform, die einem Raubtier auf dem Heimatplaneten einer anderen Spezies ähnelt oder Gegenstand einer Kindheitsphobie ist. Diese Gefühle und Reaktionen müssen Sie nach besten Kräften unter Kontrolle halten oder möglichst negieren, weil sie von dem Empathen noch stärker empfunden werden als von Ihnen selbst. Wenn Sie Prilicla erst einmal besser kennengelernt haben, werden Sie allerdings rasch feststellen, daß man ihm gegenüber gar keine unfreundlichen Gefühle hegen kann.

Und bei Ihnen, mein lieber Prilicla, möchte ich mich entschuldigen, daß ich Sie einfach zum Thema dieses improvisierten Vertrags gemacht habe, ohne Sie vorher um Erlaubnis gebeten zu haben.“

„Keine Ursache, mein Freund. Ich bin mir Ihrer Besorgnis bewußt, die letztendlich die Ursache für diesen Vortrag war, und danke Ihnen dafür. Aber von dieser Gruppe strahlt niemand unfreundliche Gefühle aus. Vielmehr setzt sich die emotionale Ausstrahlung der Anwesenden aus Erstaunen, Ungläubigkeit und starker Neugier zusammen, die ich mit dem größten Vergnügen stillen werde.“