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„Aber Sie zittern immer noch.“, warf Conway leise ein, doch entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten überhörte der Cinrussker ihn einfach.

„… außerdem bin ich mir der Anwesenheit eines zweiten Empathen bewußt“, führ Prilicla fort, wobei er zwischen den Tischen entlangflog, bis er über dem falschen Duwetz mit dem zusätzlichen Auge schwebte. „Sie müssen die kürzlich eingetroffene polymorphe Lebensform von Fotawn sein. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Freund Danalta. Das hier ist meine erste Begegnung mit der überaus begabten TOBS-Klassifikation.“

„Und meine erste mit einem GLNO, Doktor Prilicla“, antwortete Danalta, wobei seine Duwetz-Gestalt in sich zusammensackte und langsam über den Stuhl floß, was eine freudige Reaktion über eine derartige Äußerung von einem Chefarzt sein mußte. „Aber meine empathischen Fähigkeiten sind nicht annähernd so feinfühlig und gut ausgebildet wie Ihre. Bei meiner Spezies haben sie sich zusammen mit der Gabe der Metamorphose als eine Frühwarnung vor den Absichten in der Nähe befindlicher Raubtiere entwickelt. Im Gegensatz zu den Fähigkeiten Ihrer Spezies, die als wichtigstes Verständigungsmittel ohne Worte genutzt werden, habe ich meine unter willkürlicher Kontrolle, so daß ich die emotionale Ausstrahlung, die meine Rezeptoren erreicht, von der Stärke her nach Belieben verringern oder sogar ganz von mir abhalten kann, falls mich die Empfindungen in meiner näheren Umgebung zu sehr beunruhigen.“

Die Möglichkeit, Emotionen von sich abprallen zu lassen, hielt auch Prilicla für nützlich, und ohne Conway zu beachten, unterhielten sich die beiden Empathen über die Umweltbedingungen ihrer Heimatplaneten, über die freundliche Welt von Cinruss, auf der geringe Schwerkraft herrschte, und den durch und durch schrecklichen und feindseligen Planeten Fotawn, auf dem die TOBS lebten. Die übrigen Studenten, für die Cinruss und Fotawn nur wenig mehr als Namen waren, verfolgten das Gespräch mit großem Interesse und unterbrachen es nur hin und wieder durch Fragen.

Conway, der, wenn ihm keine andere Wahl blieb, genauso geduldig sein konnte wie jedes andere Wesen, konzentrierte sich lieber darauf, sein Gericht aufzuessen, bevor es durch den von Priliclas Flügeln erzeugten Wind zur Ungenießbarkeit abgekühlt war.

Daß die beiden Empathen gut miteinander auskamen, überraschte ihn keineswegs — das war ein Naturgesetz. Ein für Emotionen empfängliches Lebewesen, das durch eigene gedankenlose Handlungen beim Gesprächspartner Gefühle des Zorns oder des Kummers hervorrief, bekam nämlich dieselben Empfindungen seines Gegenübers in voller Stärke buchstäblich ins Gesicht zurückgeschlagen; deshalb lag es im eigenen Interesse eines Empathen, die Atmosphäre für alle Beteiligten so angenehm wie möglich zu gestalten. Offenbar sah es im Falle Danaltas insofern ein wenig anders aus, da dieser die auf ihn eindringende emotionale Strahlung nach Belieben von sich abhalten konnte.

Genausowenig war Conway über die Tatsache überrascht, daß der TOBS so gut über Cinruss und dessen empathischen Bewohner informiert war — seine weitreichenden Kenntnisse über alles und jeden hatte Danalta ja schon bewiesen. Was ihn allerdings überraschte, war, daß Prilicla offensichtlich eine Menge Kenntnisse über Fotawn besaß, die im gegenwärtigen Gespräch noch nicht angeschnitten worden waren, und allmählich gewann er den Eindruck, daß sich der GLNO dieses Wissen erst vor kurzem angeeignet hatte. Aber von wem?

Auf jeden Fall gehörten diese Kenntnisse nicht zum Allgemeinwissen im Orbit Hospital, dachte Conway, während er die Augen auf das Dessert gerichtet hielt und nur gelegentlich einen flüchtigen Blick nach oben warf, wo Prilicla immer noch unruhig schwebte. Die verschiedenen unappetitlichen und zum Teil übelriechenden Gerichte, die die Studenten eifrig zu sich nahmen, sah er aus Gewohnheit nicht an. Wären Neuigkeiten über den Planeten Fotawn und den anstehenden Besuch eines TOBS durchgesickert, hätten schon im Vorfeld der Ereignisse sämtliche Töpfe in der Gerüchteküche des Hospitals auf Hochtouren gekocht. Warum also hatte allein Prilicla diese Informationen erhalten?

„Ich brenne vor Neugier“, warf Conway in der nächsten Gesprächspause ein.

„Ich weiß.“ Für einen Augenblick verstärkte sich das Zittern von Priliclas Beinen. „Schließlich bin ich ein Empath, mein Freund.“

„Und ich fürchte, daß ich nach den vielen Jahren unserer Zusammenarbeit bereits ein gewisses Maß an Empathie für Sie entwickelt habe, mein kleiner Freund“, erwiderte Conway lächelnd. „Es gibt ein Problem.“

Das war eher eine Aussage als eine Frage, und Priliclas Schwebeflug wurde noch unruhiger, so daß er sich auf einer freien Stelle des Tisches niederlassen mußte. Bei seiner Antwort schien er die Worte mit großer Sorgfalt zu wählen, und Conway rief sich ins Gedächtnis zurück, daß der Empath keinesfalls vor Notlügen zurückscheute, wenn er dadurch in seiner Umgebung ein angenehmes emotionales Ausstrahlungsniveau aufrechterhalten konnte.

„Ich hatte eine längere Unterredung mit O'Mara, in deren Verlauf ich einige unangenehme Neuigkeiten erfahren habe“, erzählte Prilicla.

„Und die wären?“ Conway fand, er hätte längst einen akademischen Grad in extraterrestrischer Zahnheilkunde verdient, denn aus Prilicla Informationen herauszuholen war wie das Ziehen von Zähnen.

„Ich bin mir sicher, daß ich mich mit der Zeit darauf einstellen werde“, antwortete der Empath. „Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Ich. ich bin befördert worden und bekleide jetzt eine Position mit viel größerer Verantwortung und Machtbefugnis. Bitte haben Sie Verständnis, mein Freund, aber ich habe diese Beförderung nur mit Widerwillen angenommen.“

„Meinen Glückwunsch!“ freute sich Conway für den Empathen. „Ihren Widerwillen hätten Sie sich dabei ruhig sparen können, und ein schlechtes Gefühl brauchen Sie auch nicht zu haben. O'Mara hätte Ihnen diese Aufgabe bestimmt nicht anvertraut, wenn er sich nicht absolut sicher gewesen wäre, daß Sie der Richtige dafür sind. Was genau sollen Sie denn tun?“

„Darüber würde ich mich lieber nicht hier und jetzt mit Ihnen unterhalten, mein Freund.“ Als sich Prilicla dazu gezwungen sah, etwas zu sagen, das für ihn offensichtlich ans Unangenehme grenzte, zitterte er wieder stärker. „Dies ist weder die Zeit noch der Ort zum Fachsimpeln.“

Conway verschluckte sich an seinem Kaffee. An diesem Ort bestanden die Gespräche normalerweise aus nichts anderem als Fachsimpelei, und das wußten sie beide. Was noch wichtiger war, die Anwesenheit der Neuankömmlinge hätte kein Hindernis sein sollen, da die Studenten bestimmt daran interessiert gewesen wären, ein Gespräch zwischen ranghöheren Personalmitgliedern über Themen zu verfolgen, die sie zwar momentan noch nicht gänzlich verstanden, die sie aber schon bald begreifen würden. Ein derartiges Verhalten hatte er bei Prilicla noch nie erlebt, und Conways immense Neugier brachte den Empathen noch stärker zum Zittern.

„Was hat O'Mara denn nun zu Ihnen gesagt?“ drängte Conway in bestimmtem Ton und fügte hinzu: „Und zwar den genauen Wortlaut, bitte.“ „Er hat gesagt, ich solle mehr Verantwortung übernehmen, lernen, Befehle zu erteilen, und ganz allgemein meinen Einfluß geltend machen. Mein Freund, es ist doch so: Meine Körpergröße ist unbedeutend, meine Muskeln sind praktisch gar nicht vorhanden, und ich glaube, die Gedankengänge des Chefpsychologen sind nur schwer zu ergründen. Aber jetzt muß ich mich entschuldigen. Ich habe auf der Rhabwar noch ein paar routinemäßige Sachen zu erledigen und hatte mir sowieso vorgenommen, auf jeden Fall auf dem Ambulanzschiff Mittag zu essen.“

Man mußte kein Empath sein, um zu wissen, daß sich Prilicla unbehaglich fühlte und keine weiteren Fragen beantworten wollte.