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Wenige Minuten, nachdem sich Prilicla entfernt hatte, übergab Conway die Studenten den anderen Ausbildern, die bereits geduldig auf das Ende der Mahlzeit gewartet hatten, und danach standen ihm noch ein paar weitere Minuten zum Nachdenken zur Verfügung, bis sich ein kelgianisches Schwesterntrio an den Nachbartisch setzte und in Begleitung wilder Fellbewegungen zu zetern und zu keifen begann. Er schaltete den Translator aus, damit er nicht durch ihre rege Unterhaltung, eine höchst skandalöse Klatschgeschichte über ein anderes Mitglied ihrer Spezies, abgelenkt wurde.

Nur weil der Cinrussker über seine Beförderung informiert worden war, würde Prilicla nicht eine permanente emotionale Unruhe an den Tag legen. Große medizinische und chirurgische Verantwortung hatte er früher schon oft tragen müssen. Genausowenig dürfte es ihm etwas ausmachen, Befehle zu erteilen. Stimmt, er verfügte über keinen Einfluß, den er hätte geltend machen können, aber andererseits gab er seine Anweisungen immer auf solch höfliche und friedfertige Art, daß seine Untergebenen lieber gestorben wären, als ihn durch Gehorsamsverweigerung unglücklich zu machen. Und die Neuankömmlinge hatten keine unangenehmen Emotionen ausgestrahlt und Conway selbst auch nicht.

Aber angenommen, Prilicla hätte ihm Einzelheiten über die neue Aufgabe erzählt, und er, Conway, hätte sich daraufhin unwohl gefühlt. Das könnte eine Erklärung für das untypische Verhalten des Empathen sein, zumal Prilicla allein die Vorstellung, womöglich die Gefühle eines anderen Wesens zu verletzen, äußerst unangenehm wäre — insbesondere, wenn es sich bei dem Betreffenden um einen engen Freund wie Conway handelte. Und aus einem unerfindlichen Grund wollte oder konnte Prilicla vor den Neuankömmlingen — oder vielleicht auch nur vor einem der Neuankömmlinge — nicht über seine neue Stellung reden.

Womöglich war es gar nicht die neue Aufgabe, die Prilicla beunruhigte, sondern etwas, das er während der Unterredung mit O'Mara erfahren hatte, etwas, das Conway selbst betraf und das der Cinrussker nicht preisgeben durfte. Conway blickte auf die Uhr, stand schnell auf und entschuldigte sich bei den Schwestern.

Die Antwort darauf — und, wie er aus langjähriger Erfahrung wußte, höchstwahrscheinlich auch ein ganzes Bündel neuer Probleme — würde im Büro des Chefpsychologen zu finden sein.

3. Kapitel

Das Büro des Chefpsychologen glich in vieler Hinsicht einer mittelalterlichen Folterkammer, und diese Ähnlichkeit wurde nicht nur durch die große Vielfalt an extraterrestrischen Liegen und Entspannungsmöbeln verstärkt, die mit Haltegurten versehen waren, sondern auch durch den angegrauten Torquemada im Monitorkorpsgrün mit den scharfkantigen Gesichtszügen, der darüber herrschte. Major O'Mara deutete auf einen physiologisch passenden Stuhl.

„Setzen Sie sich, Doktor“, begrüßte er Conway mit einem für ihn vollkommen untypischen Lächeln. „Entspannen Sie sich. In letzter Zeit sind Sie so viel in Ihrem Ambulanzschiff durch die Gegend gerast, daß ich Sie kaum zu Gesicht bekommen habe. Es ist höchste Zeit, daß wir uns einmal ausgiebig unterhalten.“

Conway spürte, wie ihm der Mund trocken wurde.

Das wird ganz schön haarig werden.

Aber was hatte er getan oder unterlassen, daß er eine solche Behandlung verdiente? Im Gesicht des Chefpsychologen konnte man ungefähr so gut lesen wie in einem verwitterten Stück Basalt — mit dem es sogar in mancherlei Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit aufwies —, doch seine Augen, mit denen er Conway musterte — das wußte letzterer aus langer Erfahrung —, enthüllten einen so scharf analytischen Verstand, daß der Major das besaß, was man fast als telepathische Fähigkeiten bezeichnen konnte. Conway schwieg, und auch O'Mara sagte lange Zeit keinen Ton.

Als Chefpsychologe eines Hospitals mit vielfältigen Umweltbedingungen war er für das geistige Wohlbefinden eines riesigen Mitarbeiterstabs verantwortlich, der sich aus mehr als sechzig verschiedenen Spezies zusammensetzte. Obwohl er innerhalb des Monitorkorps nur den Rang eines Majors bekleidete — den man ihm lediglich aus administrativen Gründen verliehen hatte —, waren seine Machtbefugnisse innerhalb des Hospitals nur schwer einzugrenzen. Für ihn waren die Mitarbeiter die eigentlichen Patienten, und eine seiner Aufgabe war es sicherzustellen, daß jedem einzelnen Patienten der für ihn geeignete Arzt zugeteilt wurde, sei er nun Terrestrier oder Extraterrestrier.

Selbst wenn man äußerste Toleranz und gegenseitigen Respekt beim Personal voraussetzte, gab es doch noch Anlässe genug zu Reibereien. Potentiell gefährliche Situationen entstanden in erster Linie durch Unwissenheit und Mißverständnisse, aber auch wenn ein Wesen — trotz der genauen psychologischen Durchleuchtung, der sich jeder Bewerber vor der Zulassung zum Studium am Orbit Hospital unterziehen mußte — eine neurotische Xenophobie entwickelte, die seine geistige Stabilität oder Leistungsfähigkeit oder beides zusammen beeinträchtigte. Ein Arzt von der Erde zum Beispiel, der eine unbewußte Angst vor Spinnen hatte, würde einem cinrusskischen Patienten niemals eine angemessene klinische Versorgung zuteil werden lassen können, die zu seiner Behandlung notwendig wäre. Und wenn jemand wie Prilicla solch einen terrestrischen Patienten zu behandeln hätte, dann.

Ein großer Teil von O'Maras Verantwortung bestand darin, solche Schwierigkeiten innerhalb des medizinischen Stabs zu entdecken und auszuräumen, während andere Mitglieder seiner Abteilung dafür sorgten, daß sich die Probleme nicht wiederholten — und zwar derart gründlich, daß in Fragen der Menschheitsgeschichte bewanderte Terrestrier diesen Vorgang als zweite Inquisition: bezeichneten. Nach O'Maras eigenen Angaben war das hohe Niveau der psychischen Stabilität unter seinen Schützlingen jedoch in Wirklichkeit darauf zurückzuführen, daß sie alle schlichtweg viel zuviel Angst vor ihm hatten, um die öffentliche Zurschaustellung selbst einer unbedeutenden Neurose zu riskieren.

Plötzlich lächelte O'Mara und sagte: „Ich finde, mit dem respektvollen Schweigen übertreiben Sie es heute ein wenig, Doktor. Schließlich möchte ich mich gern mit Ihnen unterhalten, und im Gegensatz zu meinem üblichen Verfahren dürfen Sie freche Antworten geben. Sind Sie mit Ihrem Dienst auf dem Ambulanzschiff zufrieden?“

Normalerweise hatte der Chefpsychologe eine beißende, sarkastische und bis an maßlose Unverschämtheit grenzende Art an sich. Als Erklärung führte er gerne an, daß er sich in Gesellschaft von Kollegen entspannen und sich von seiner üblichen schlecht gelaunten, unausstehlichen Seite zeigen konnte, während er bei potentiellen Patienten Mitgefühl und Verständnis an den Tag legen mußte. Aber auch mit diesem Wissen im Hinterkopf fühlte sich Conway durch den in uncharakteristischer Weise freundlichen Chefpsychologen überhaupt nicht besser.

„Ziemlich zufrieden“, antwortete Conway zurückhaltend.

„Am Anfang waren Sie damit gar nicht zufrieden.“ O'Mara musterte ihn aufmerksam. „Soweit ich mich erinnern kann, Doktor, haben Sie es damals als unter der Würde eines Chefarzts erachtet, die medizinische Leitung auf einem Ambulanzschiff übernehmen zu müssen. Haben Sie irgendwelche Probleme mit den Schiffsoffizieren oder dem medizinischen Team? Gibt es irgendwelche personellen Veränderungen, die Sie vorschlagen möchten?“

„Das alles war doch, bevor mir klargeworden ist, daß es sich bei der Rhabwar um ein ganz besonderes Ambulanzschiff handelt“, erwiderte Conway, indem er die Fragen der Reihe nach beantwortete. „Probleme gibt es nicht. Das Schiff läuft einwandfrei, die Besatzung vom Monitorkorps leistet erfolgreiche Arbeit und verhält sich kooperativ, und die Mitglieder des medizinischen Teams sind. Nein, ich kann mir keinen möglichen Wechsel vorstellen, den man beim Personal vornehmen sollte.“

„Ich schon.“ Für den Bruchteil einer Sekunde flammte in der Stimme des Chefpsychologen ein sarkastischer Unterton auf, als versuchte der alte O'Mara, den Conway nur zu gut kannte und den er nicht besonders schätzte, durchzubrechen. Dann lächelte der Chefpsychologe und fuhr fort: „Sie werden doch bestimmt über die Nachteile, die Unannehmlichkeiten und die Unterbrechungen nachgedacht haben, die die ständige Bereitschaft für einen Ambulanzschiffseinsatz mit sich bringt. Und Sie müssen sich doch ein wenig darüber geärgert haben, daß für jede Operation, die Sie am Orbit Hospital durchführen, ein Ersatzchirurg bereitzustellen hat, falls Sie plötzlich abberufen werden. Außerdem bedeutet der Dienst auf dem Ambulanzschiff, daß Sie an einigen der Projekte nicht teilnehmen können,