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Es war nicht das erste Mal, daß Kit an ihrem Onkel ein solches Verhalten bemerkte. Nelltis schien dieser Tage zahlreichen geheimnisvollen Vorhaben nachzugehen. Kitiara versuchte, sich vorzustellen, was er tat, wenn er – manchmal tagelang – verschwand. Sie hatte versucht, ihm Informationen dazu zu entlocken, jedoch erfolglos. Das war etwas, was ihr an ihrem Onkel gefiel, dieser ständige Hauch von Verschwörung. Und wenn er ein Geheimniskrämer sein sollte, war das seine Sache, auch wenn Kit dachte, daß sie irgendwann ernsthaft versuchen mochte, bei ihm einzusteigen.

»Es war dein Pfeil, der es geschafft hat, Kitiara Uth Matar«, sagte Ladin Elferturm, der hinter ihr auftauchte und linkisch ihren Arm berührte. In Kits Augen suchte der Jäger nach Ermutigung.

»Es waren beide Pfeile«, sagte Kit ärgerlich, wobei sie seinen Arm abschüttelte. »Und selbst wenn Nelltis nicht mein Onkel wäre, würde ich schwören, daß es wenig loyal ist, wenn du hinter seinem Rücken so etwas erzählst, obwohl du weißt, daß die Trophäe ihm so wichtig ist.« Sie wollte gehen.

Elferturm ergriff sie fest am Handgelenk, um sie zurückzuhalten. »Was ist in dich gefahren, Kitiara«, versuchte er zu flüstern, doch er wußte, daß seine Stimme tölpelhaft laut klang und keines seiner Worte diese hochmütige Frau erreichen konnte. »Ich dachte… ich dachte, da wäre, äh«, seine Zunge verknotete sich fast, »wäre etwas zwischen uns.«

Kitiara wollte gerade eine vernichtende Abfuhr erteilen, als jemand Elferturm von hinten packte und herumwirbelte. Es war Kurt, der Burgschmied, der den Jäger finster anstarrte. Der große, muskelbepackte Schmied hielt nervös die Fäuste an den Seiten geballt, während er sprach. Da er direkt von der Esse kam, trug er noch seine Schürze.

»Ich habe dich gewarnt. Du sollst Kitiara in Ruhe lassen, Ladin«, sagte Kurt nachdrücklich. »Sie gehört mir und hat für solche Kerle wie dich überhaupt nichts übrig.«

»Ich habe deine Einmischerei satt«, sagte Elferturm, der sich Kurt gegenüber aufplusterte. Sie wechselten mörderische Blicke.

Elferturm hatte Kitiara losgelassen. Sie wich langsam zurück. Die Männer hatten sie praktisch vergessen, als sie einander schubsten und beschimpften.

Sollen sie es austragen, dachte sie. Sie war beide leid. Dumm wie Stroh riefen sie ihren Namen und erklärten ihre Liebe. Kitiara machte sich davon und verschwand gerade hinter der Küchentür, als Kurt zuschlug, sein Ziel aber verfehlte, worauf Elferturm mit einem wilden Schwinger gegen die breite Brust des Schmieds reagierte.Tief im Inneren von Nelltis’ Burg, in einem kleinen Kellerraum, wo die kostbarsten Weine aufbewahrt wurden, war ein weiterer Raum abgeteilt, der jedoch für das Gesinde tabu war. Dort saß Nelltis von Lemisch an einem Holztisch, der von einer Kerze mit blauer Flamme erleuchtet wurde. Der Raum war feucht, und die Kerze spuckte, als würde sie nach Luft schnappen. Über die Flaschenregale krabbelten Spinnen.

Nelltis war in Gesellschaft von drei Gefährten – oder vielleicht doch eher drei zwielichtigen Gestalten. Ob sie Menschen waren, blieb fraglich, denn sie waren ganz von Kleidern verhüllt und hielten sich selbst bei der geringen Beleuchtung durch die Kerze im Schatten.

Einer, der groß und schlank war, trug einen Schal, der über seine Stirn und um sein Gesicht geschlungen war, so daß man kaum mehr als seine Augen erkennen konnte – grüne Schlitze. Er war es auch – dem sonoren Klang seiner Stimme nach mußte es ein Mann sein –, der bei dem Gespräch mit Nelltis den Wortführer machte und offenbar über den anderen beiden stand.

Einer von ihnen, eine krumme, fast bucklige Gestalt, stand neben dem mit dem Schal, sagte aber nichts weiter als gelegentlich ein scharfes Wort in einem nördlichen Dialekt, von dem Nelltis nichts verstand.

Der dritte war der seltsamste. Er hielt sich in einer Ecke des kleinen Raums, einer dunklen Ecke voller Spinnweben. Nelltis wußte, daß er nicht dort hinstarren sollte, deshalb warf er nur gelegentlich unaufdringliche Blicke auf dieses letzte Mitglied des Trios. Alle trugen lange, dunkle Roben, eine Haube und eine Maske.

Die Rückseite seiner Robe flatterte, wenn er sich bewegte oder nur rührte, wodurch man auf eine Art Schwanz schließen konnte. Wenn die Robe so verrutschte, daß man etwas von seinem Köper zu sehen bekam, schien das Licht von ihm zu reflektieren, als würden getupfte Schuppen das Kerzenlicht zurückwerfen. Trotz der Dunkelheit leuchteten die Augen dieses Besuchers blutrot. Das Gesicht konnte Nelltis nicht erkennen, aber unwillkürlich zuckte er jedesmal zusammen, wenn er das vielsagende Zischeln hörte, dem Schwefelgeruch und gelegentlich auch der ätzende Speichel des bösen Wesens folgten. Nelltis ließ sich Zeit mit dem Durchlesen der Botschaften und Berichte, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Sorgfältig las er jede Anweisung zweimal, um den Inhalt ganz sicher zu verstehen. Die anderen mußten sich wegen seiner umständlichen Vorsicht gedulden, obwohl sich die Gestalt in der Ecke nach einer knappen halben Stunde des Wartens regte und drohend grollte. Weitere Spucke übersäte den Flur und ließ Säuredämpfe in die muffige Kellerluft aufsteigen.

Schließlich schien Nelltis zufrieden zu sein und setzte seine Unterschrift seinerseits schwungvoll unter jedes der Dokumente. Als er fertig war, nahm er sie hoch, rollte sie zusammen und reichte sie der großen Gestalt mit dem Schal.

»Unsere Herrin wird erfreut sein«, sagte der mit dem Schal ungerührt, »und du wirst belohnt werden.«

»Meine Belohnung«, sagte Nelltis generös, »ist der Dienst.« Die drei, selbst der finstere in der Ecke, verbeugten sich respektvoll. Nelltis ging zu einem der Weinregale und zog an zwei Flaschen, die ziemlich hoch lagen. Das Regal rutschte geräuschlos nach vorn. Dahinter ging die Wand auf und enthüllte einen engen Gang, der unter dem Burghof hindurchführte und einige Meilen weiter an einer einsamen Stelle im Wald ans Tageslicht kam. Die drei duckten sich unter dem Türbogen hindurch und stiegen die dunkle Treppe hinunter. Der aus der Ecke verließ den Raum als letzter. Nelltis konnte beim Anblick der Fangzähne und des knochigen Schwanzes einen Schauer nicht unterdrücken.

Dann waren sie verschwunden. Minuten später hatte Nelltis das Weinlager abgeschlossen und rieb sich gutgelaunt die Hände, während er die vielen Steinstufen zu seinen Räumen hinaufstapfte.Kitiara lag auf dem Rücken auf dem riesigen Bett in dem feudalen Zimmer, daß Nelltis ihr in der Spitze des Nordturms überlassen hatte. Müßig betrachtete sie das feine Gittermuster an der Decke.

In den bald drei Monaten, die Kitiara bei Onkel Nelltis verbracht hatte, war sie ganz untypisch passiv gewesen, auch wenn sie ein Duell ausgetragen und drei oder vier Liebhaber gehabt hatte. Sie hatte sich auch Zeit genommen, ihre Fähigkeiten beim Bogenschießen und mit der Peitsche zu vervollkommnen. Aber Kit hatte sich nicht aus Nelltis’ Herrschaftsbereich herausbewegt und keinen Söldnerauftrag angenommen.

Sie war unzufrieden. In Augenblicken wie diesem fragte sie sich unwillkürlich, was Tanis wohl tat. Dieser verdammte, selbstgerechte Halbelf! Und doch gelang es ihm oft, sich in ihre Gedanken zu schleichen.

Kit wunderte sich über Onkel Nelltis, und diese Gedanken waren etwas näherliegend. Obwohl Nelltis von Gregor seit Jahren weder gehört noch ihn gesehen hatte, profitierte er weiterhin von jener Verbindung, wie Kit glaubte. Die beiden Männer hatten sich nicht besonders gut gekannt, aber Nelltis deutete gern an, daß sie in wenigstens eine ungesetzliche Eskapade gemeinsam verwickelt gewesen waren. Einst hatten die beiden Familien Tür an Tür gelebt. Vor Jahrzehnten hatte der ungestüme, freiheitsdurstige Onkel Nelltis alle Verbindungen zur Familie abgebrochen und am Rand von Lemisch sein eigenes Reich gegründet.