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Tolpan bekam reichlich Schlaf. Und seine Wärter gaben ihm den Umständen entsprechend ordentliches Essen, meistens eine fettige, klumpige Fleischsuppe, die ganz gut schmeckte, wenn man sich daran gewöhnt hatte. Die Suppenschalen wurden manchmal von Affen gebracht, die in Scharen auf dem Schiff herumsprangen und als Küchenhilfen dienten. Besonders einen von ihnen, einen birnenförmigen, wolligen Affen, lernte Tolpan recht gut kennen. Er gab ihm den Spitznamen »Oh-Tick« – nach einem gewissen Wirt, an den er sich gern erinnerte. Wenn er sich mit Oh-Tick unterhielt, hatte Tolpan fast das Gefühl, daß der Affe, der lauschend den Kopf schieflegte, ihn verstand.

Tolpan bekam jede Menge interessanten Besuch. Nur sehr wenige Mitfahrer hatten je zuvor einen Kender kennengelernt oder auch nur gesehen. Also strömten sie herunter, einzeln oder zu zweit, um ihn anzugaffen und ihn hin und wieder zu necken. Ein paar Mal warfen sie Obstreste und Dreckklumpen nach ihm.

Tolpan warf die Obstreste und Dreckklumpen schnurstracks zurück, aber am besten gefiel es ihm, wenn man ihn ärgern wollte. Dieser menschliche Abschaum kannte wirklich ein paar schöne Beschimpfungen, und dies wiederum regte Tolpans Phantasie an. Er reagierte prompt mit einer Auswahl der absolut gemeinsten Sachen, die er sich je ausgedacht hatte. Ein paar seiner Besucher wurden ungeheuer wütend, und ihre Gesichter färbten sich puterrot, bevor sie davonstampften.

Die Minotauren waren würdevoller, selbst wenn sie schlimmer stanken. Sie näherten sich ihm fast respektvoll und starrten ihn in seiner einsamen Zelle an. Den Anführer sah Tolpan nur noch einmal, als Sarkis ganz allein herunterkam und minutenlang regungslos stehenblieb, um Tolpan zu beobachten. Seine Augen nahmen jede Einzelheit des Kenders wahr, vom Haarknoten bis zu den weichen Lederstiefeln. Tolpan bekam kein Wort aus dem großen, häßlichen Monster heraus.

Dogz war da anders. Verächtlich und arrogant erschien auch er, um sich Tolpan zum Spaß anzuschauen. Nach ihrer ersten Begegnung, die durch einen deftigen Austausch stachliger Bemerkungen gekennzeichnet war, kam Dogz immer wieder zurück. Tolpan fing an, gestelzte, aber erbauliche Gespräche mit dem großen Kerl zu führen, der in mancher Hinsicht ebenso neugierig auf Tolpan war wie Tolpan auf alles und jeden. Andererseits hatte er mehr Angst vor Tolpan als dieser vor ihm. Nach und nach entwickelte sich zwischen den beiden ein eigenartiges, fast freundschaftliches Verhältnis.

Dogz war ein Vetter von Sarkis, wie sich herausstellte, und hatte viel Respekt vor seinem höhergestellten Verwandten, dem er treu ergeben war. Sarkis betrachtete Dogz’ Freundschaft mit dem Kender als weiteres Zeichen einer betrüblichen Schwäche, und Dogz versuchte, sich nur noch heimlich mit dem Kender zu treffen.

»Du bist also wirklich gerne Minotaurus, hm?« fragte Tolpan, weil ihn der wilde Stolz erstaunte, den der großspurige Tiermensch ausstrahlte. Tolpan war von Dogz fasziniert, aber der Kender wußte leider, daß Minotauren auf Krynn weitgehend verachtet wurden, auch wenn Dogz davon offenbar noch nichts gehört hatte.

»Es ist… eine große Ehre, Minotaurus zu sein«, grollte Dogz verunsichert.

»Was ist das Gute daran?« fragte Tolpan interessiert.

»Ich meine, wenn man ein Kender ist, steht einem die ganze Welt offen. Überall hat man Freunde und Verwandte, außer vielleicht unter den Theiwaren von Thorbardin, obwohl ich sicher bin, daß selbst die mich vielleicht mögen würden. Man weiß, wie man die allerbesten Karten zeichnet, und wenn man Glück hat, hat man einen praktischen Haarknoten…«

Tolpan hielt inne, denn er merkte, daß dieser Minotaurus nicht unterbrechen oder antworten würde, bevor Tolpan still wäre. Also machte Tolpan etwas, was selten genug vorkam. Er machte den Mund zu, damit Dogz sprechen konnte.

»Wir kämpfen, um zu leben, leben für den Kampf«, sagte Dogz nach einer langen Pause. Er redete stockend, aber eindrucksvoll. Seine weit auseinanderliegenden Augen sahen beinahe traurig aus, wie Tolpan fand. »Wir beugen uns niemanden. Unser Schicksal ist die Herrschaft.«

»Ziemlich schwere Last«, sagte Tolpan nachdenklich. Er war versucht, hinzuzufügen: »Selbst für eine lästige Last«, aber dann dachte er bei sich, daß er das doch besser nicht sagen sollte.

Nach ungefähr einer Woche fiel Tolpan auf, daß er seinen Lieblingsaffen, Oh-Tick, länger nicht mehr gesehen hatte, und er fragte seinen regelmäßigen Besucher nach ihm.

»Affensuppe«, sagte Dogz, der auf die Suppenschüssel in Tolpans Hand zeigte. »Dazu sind die abscheulichen Tiere an Bord. Dachtest du etwa, sie wären zum Streicheln dabei?« Dogz stieß ein schnaubendes Gelächter aus.

Oh-Ticks Schicksal bedrückte Tolpan. Und noch dazu schämte er sich. Plötzlich hatte er keinen Appetit mehr auf seine Suppe. Dogz bemerkte, daß er nicht mehr weiteraß, und fragte recht sanft für seine knurrende Stimme: »Essen Kender normalerweise keine Affen?«

»Normalerweise nicht«, antwortete Tolpan untröstlich.

»Was essen Kender denn?« fragte Dogz nachdenklich.

»Fast alles«, sagte Tolpan, »außer Affen. Besonders Affenfreunde nicht«, fügte er diplomatisch dazu.

»Wir essen immer Affensuppe«, sagte Dogz. »Es sind närrische Tiere.« Dann mitleidiger: »Tut mir leid.«

»Mir auch.« Tolpan schob sein Gesicht zwischen die Stäbe, um Dogz anzusehen. »Ich glaube, ich könnte mir vorstellen, daß es Kleiesuppe oder so etwas ist. Ich liebe die gute, alte Kleiesuppe. Ich träume von heißer Kleiesuppe mit Johannisbeeren und Honig! Ihr habt nicht zufällig eine gute, alte Kleiesuppe an Bord, oder?«

Dogz schüttelte den Kopf. Seufzend schob Tolpan seine Schale beiseite. Es verstrichen einige stille Minuten, ehe Dogz zögernd fragte: »Wenn du deine Affensuppe nicht ißt – macht es dir etwas aus, wenn ich sie esse?«

Tolpan schob die Schale zwischen den Stäben durch.

Wenn Dogz’ Kameraden herunterkamen, um Tolpan zu beobachten, hatte auch er Gelegenheit, sie zu beobachten. Der Anblick der Minotauren und besonders der Schwimmoger, die heranwatschelten, um ihn anzusehen, begeisterte ihn. Die kleinen, dicken, dämlichen Orughi riefen ihm ihre Beschimpfungen in ihrer eigenen Sprache zu, so daß Tolpan sich nur bemühen konnte, ihren Tonfall und die Lautstärke in Gemeinsprache so gut wie möglich nachzuahmen.

Auf manche der Orughi mußte Tolpan einen schnellen Blick werfen, denn nachdem sie ihre Beschimpfungen ausgestoßen hatten, rasten sie davon, ehe der Kender antworten konnte. Tolpan gefiel es, wenn sie eine Weile stehenblieben, so daß er die altertümlichen Waffen betrachten konnte, die viele von ihnen über der Schulter trugen, einen Eisenbumerang an einer langen Metallschnur. Dogz zufolge handelte es sich um eine Tonkk. Man konnte damit fliegende Tiere jagen. Tolpan hätte gern mal eine solche Tonkk ausprobiert, denn sie erinnerte ihn an seine eigene Lieblingswaffe, den Hupak.

Er hatte immer noch seinen eigenen Hupak dabei, der über seinem Rücken gehangen hatte, als man ihn von der Venora geschleppt hatte. Sarkis hatte keine Anstalten gemacht, ihm die Waffe wegzunehmen, und in der engen Käfigzelle war er Tolpan sowieso keine Hilfe.

Nach über einer Woche merkte Tolpan eines Nachmittags, wie das Schiff langsamer wurde. Oben auf Deck war jede Menge los, als das Schiff ächzend zum Halten kam. Tolpan hörte, wie Kisten und Säcke ausgeladen wurden, danach das gedämpfte Getrampel der Mannschaft, die an Land ging. Stundenlang hörte Tolpan es oben rumoren, aber die ganze Zeit kam niemand, um nach ihm zu sehen.

Als der Kender schließlich schon befürchtete, man hätte ihn einfach vergessen, kamen Dogz und Sarkis herunter. Sie trugen einen kleinen Holzkäfig, der nach Affen roch. Wehmütig dachte Tolpan an Oh-Tick.

Sie betraten Tolpans Zelle, quetschten den Kender in den Käfig und schoben diesen dann auf zwei Stangen, die sie sich selbst auf die Schultern legten. Dann trugen die beiden Minotauren Tolpan an Deck und über die Landebrücke nach draußen, wo der Kender einen ersten Blick auf die berühmte Minotaureninsel Mithas werfen konnte.