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»Ja, Clief-Eth«, sagte Sarkis. »Ich habe ihn dir wie befohlen hergebracht.«

Tolpan wollte hören, was Clief-Eth als nächstes sagte. Sarkis schuldete ihm Gehorsam, das war offensichtlich. Und Clief-Eth schien ein einigermaßen intelligenter, hochrangiger Minotaurus zu sein.

»Foltert ihn, bis er uns seine Geheimnisse verrät«, sagte Clief-Eth, der seine großen runden Kuhaugen auf Tolpan richtete. »Nur tötet ihn nicht… nicht gleich, jedenfalls. Aber tut ihm weh, damit er merkt, daß es uns ernst ist.«

Sarkis schlug sich die Geißel in die Handfläche. »Wird mir ein Vergnügen sein, Clief-Eth«, sagte er genüßlich.

5

Das Orakel und das Portal

Überall in dem dichten Wald lagen abgebrochene Äste, die von Schlingpflanzen und schwammiger, moosartiger Vegetation überwuchert waren, so daß man nur mühsam voran kam. Unerwartet kamen Bäche ans Tageslicht, die auf einen gewaltigen, unterirdischen Strom hindeuteten, plätscherten eilig vorbei und verschwanden wieder im Dickicht des Waldes.

Das Land stieg langsam an. Der Wald lag inmitten von Bergen, an denen das Gelände abrupt in eine Felslandschaft überging. Hier und dort fielen blasse Sonnenstrahlen in das grünblaue Licht, das im Wald vorherrschte.

Langsam suchten sich die drei Freunde einen Pfad durch das Gestrüpp. Schwungvoll hackten Flint und Tanis auf das üppige Grün ein, um sich und Raistlin einen Weg zu bahnen. Tanis murrte, weil er sein Schwert zu so etwas hergeben mußte, während Flint, der den größten Teil des Morgens der Nörgler gewesen war, eine gewisse Freude daran hatte, seine gut geschärfte Axt zu schwingen. Hinter ihnen wartete Raistlin wortlos jedesmal, wenn sie anhielten, und lehnte sich dabei auf den festen Wanderstab aus Zedernholz, den Flint ihm vor einigen Monaten geschnitzt hatte. Sein bleiches Gesicht verriet seine Spannung, doch er ertrug die Verzögerungen geduldiger als seine zwei Gefährten.

Die Beschreibung des Zaubermeisters war sehr genau gewesen. Die Höhle des Orakels war zwar gut verborgen und ihre genaue Lage nur einer Handvoll privilegierter Zauberkundiger bekannt, doch sie lag nicht viel mehr als eine halbe Tagesreise von Solace entfernt. Morat hatte Raistlin eingeschärft, auf der Hut zu sein. Das Orakel hatte unvorstellbare Kräfte und war ungebetenen Gästen gegenüber nicht sehr freundlich gesonnen.

Hinter Solace gabelte sich die Straße, die nach Südosten führte, in zwei kleinere, steinige Straßen, von denen die eine tiefer in den hügeligen Süden ging, während die andere nach Osten abbog. Morats Anweisungen entsprechend nahmen Tanis, Flint und Raistlin die östliche Straße. Nach einigen Meilen fächerte sich der Weg in zahlreiche, ausgetretene Pfade auf, so daß der Reisende die Qual der Wahl hatte. Ohne den Rat des Zaubermeisters hätten sie nie den schmälsten davon gewählt, einen matschigen, lehmigen Pfad nach Nordosten, der ein paar Meilen später offenbar in einer Sackgasse endete. Ein Dickicht niedriger Gewächse umgab einen Hain gewaltiger, breitblättriger Bäume mit tiefhängenden Zweigen und dicken Stämmen.

Eine halbe Stunde lang hackten sie sich durch das wuchernde Unterholz einen Weg frei, bis sie an einer Gruppe prachtvoller Bäume mit weit ausgebreiteten Ästen vorbeikamen. Auf der anderen Seite der Sperre ging – wie der Zaubermeister es gesagt hatte – der gerade noch zu erahnende, alte Pfad weiter.

Teils gebückt, teils über Felsen hinweg oder unter umgestürzten Bäumen hindurch arbeiteten sich die drei eine Stunde lang auf dem gewundenen, schuttübersäten Pfad vorwärts.

Raistlin schlug ein ordentliches Tempo an. Seine Entschlossenheit, das Orakel zu erreichen, beeindruckte Tanis, der Kitiara aus seinen Gedanken verdrängt hatte und ganz mit seiner augenblicklichen Aufgabe beschäftigt war. Flint nutzte jede Gelegenheit zum Schimpfen und Murren.

»Dein Magier da sollte besser wissen, wovon er spricht!« beschwerte sich Flint und wischte sich mit dem Taschentuch die Stirn. Anschließend war das Tuch von Dreck und Schweiß verschmiert.

Raistlin sah ihm fest in die Augen. »Wenn du Zweifel hast, dann kehr um«, fauchte Caramons Zwillingsbruder, der ebenso erschöpft war wie der Zwerg und solche Anstrengungen weitaus weniger gewöhnt war. Sein Gesicht glänzte blaß. »Obwohl ich dachte, daß für jemanden von deinen Waldläuferqualitäten dieser Ausflug ein Kinderspiel sein müßte.«

Flint setzte eine finstere Miene auf, hielt aber den Mund, drehte Raistlin den Rücken zu und schlug wieder den Pfad frei. Auch Tanis hätte etwas Zuspruch gebrauchen können, aber er sah das ärgerliche Glimmen in Raistlins Augen und sagte lieber nichts.

Schließlich schien der kaum sichtbare Pfad auf einer kleinen, grasbewachsenen Lichtung zu enden. An einem Ende der Lichtung stand ein Mammutbaum, der mit anderen Bäumen und großen Findlingen dahinter zu verschmelzen schien. Unten an dem großen Baum klaffte ein schwarzes Loch. Das mußte der Ort sein, denn aus der Höhlung drangen Nebelschwaden, die von einem seltsamen, brackigen Geruch begleitet waren.

»Hallo!« rief Raistlin kühn. Als er sich in die Dunkelheit bückte, klang seine Stimme im stillen Wald rauh und laut. »Drei Freunde zu Besuch! Wir bringen Grüße von Morat, dem Zaubermeister!«

Die einzige Antwort war Schweigen. Bei Raistlins Worten ringelten sich kalte, weiße Nebelfinger um seine Füße und schoben sich aufwärts um seine Beine und seinen Körper, ohne den jungen Zauberer richtig zu berühren. Doch sie schillerten und pochten, als würden sie auf die Wärme seines Blutes reagieren.

Mit immer größeren Augen beobachtete Tanis den unheimlichen Nebel und warf einen Blick auf Flint, der ihm finster zunickte. Die zwei Freunde, die wenige Schritte hinter Raistlin standen, nahmen ihre Waffen zur Hand. Über die Schulter warf ihnen der junge Zauberer einen strengen Blick zu. Widerstrebend steckten Zwerg und Halbelf die Waffen wieder ein.

Nach langen Augenblicken schüttelte Raistlin irritiert den Kopf und faßte einen Entschluß. Ohne ein Wort der Warnung an seine Gefährten nahm er seinen Stab herunter, zog den Kopf ein und verschwand in der schwarzen Höhlung. Fast augenblicklich ließ der Nebel nach und wurde mit ihm in die Höhle gesogen. Flint und Tanis mußten sich sputen, um nachzukommen.

Gleich hinter der Öffnung stießen die drei zusammen. Raistlin war hinter dem Eingang stehengeblieben, um seinen Augen Zeit zu lassen, sich an das schwache Licht zu gewöhnen. Zunächst konnte keiner von ihnen in der nebligen Dunkelheit viel sehen. Der knochenweiße Nebel umwogte sie, kräuselte sich und veränderte seine Form. Selbst Tanis mit seinen Elfenaugen konnte wenig sehen. Obwohl der Nebel substanzlos erschien, stellte er eine undurchdringliche Sichtbarriere dar. Er verhinderte jedoch nicht das Hören. Nach einem Moment absoluten Schweigens nahmen Tanis und die anderen Stimmen wahr, die unverständlich von weiter hinten in der Finsternis erklangen.

Auch konnten sie noch riechen. »Hier drin stinkt es schlimmer als bei einem toten Troll«, flüsterte Tanis Flint zu, der sich einen Lappen vor Mund und Nase preßte, um dem Gestank zu entkommen.

»Ruhe!« zischte Raistlin.

Der junge Zauberer tastete mit seinem Stab nach vorn und berührte die Decke. Dann erklärte er den anderen, daß sie sich in einem niedrigen Tunnel befanden. Langsam ging er weiter, wobei er mit der rechten Hand den Weg erkundete. Seine Gefährten folgten ihm. Eng beieinander stolperten die drei minutenlang weiter, bis sie zu einer scharfen Biegung kamen. Dahinter erleichterte ihnen ein schwacher Lichtpunkt vor ihnen das Weitergehen.

Das Licht wurde allmählich heller, bis sie in eine Art Behausung traten, die eher rund als eckig war und bis auf den Tunnel keinen weiteren Zugang hatte. In diesem Raum gab es keinerlei unverständliche Stimmen oder dunkle Prophezeiungen. Als Tanis hochschaute, sah er Sonnenlicht eindringen. Der Erdboden war trocken, fest gestampft und sauber gefegt. Ein Stuhl, ein Bett und eine große Korbtruhe wiesen darauf hin, daß jemand hier wohnte.

Am hinteren Ende des Raums dampfte und blubberte ein Kessel. Der Nebel zog sich zurück und waberte über dem Kessel. Kein Hinweis auf den Bewohner oder Besitzer. Der überwältigende, stechende Geruch hing immer noch in der Luft.