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»Eisenhaken, Eispickel, Feuerpeitsche, hah! Reißt auf das Herz, ob Freund, ob Feind, Blut in den Augen – ja! Oger allesamt!«

So und mit ähnlichen Sprechgesängen ging es weiter bis lange nach Mondenaufgang, und Tanis befürchtete schon, daß der Trubel die ganze Nacht andauern könnte.

Schließlich hallten laute Tritte von schweren Füßen durch die Gänge, gefolgt von Schubsen und Streiten. Waffen und schwere Ausrüstung fielen auf den Boden, und endlich herrschte weitgehend Ruhe, die von tiefem Schnarchen unterbrochen wurde. Vom einzigen Fenster des Raums aus beobachtete Tanis den Wachwechsel auf den Zinnen.

Schließlich hörten die drei leise Schritte. Die Tür ging auf, und Kirsig trat herein.

»Folgt mir«, grunzte die Halbogerin und winkte sie heran.

Immer im Schatten folgten sie ihr drei Treppen hinunter. Überall hörten sie das Stöhnen und Schnaufen schlafender Oger. Durch halb offene Türen konnten sie Füße sehen, die gegen die Bettpfosten gestemmt waren, und hin und wieder das Glitzern von Metall an Wandhaken. Aber keiner hielt sie auf. Sicherheitshalber hatten Flint und Tanis die Hand an die Waffen gelegt.

Im Erdgeschoß mußten die drei Gefährten einen weiten Saal mit hoher Decke durchqueren, wo die Reste des abendlichen Festmahls – umgeworfene Kelche, abgenagte Knochen und ähnliches – auf dem riesigen Eichentisch und dem Steinboden herumlagen. Die Wände waren mit detailgetreuen Wandteppichen von bluttriefenden Schlachten behängt. Das Feuer war erloschen. Nur noch glühende Kohlen glimmten vor sich hin.

Ein Thron auf einem Podest beherrschte ein Ende des Raumes, und auf diesem Thron hing ein riesiger, muskulöser, gelbbrauner Oger, der die Füße über eine Armlehne streckte. Er war sinnlos betrunken und schlief. Seine fleckige Haut war von Beulen und Blutergüssen übersät. Er schnarchte mit offener Schnauze. Ein dickes Silberband, das mit grünen Edelsteinen verziert war, lag als einziges Zeichen seines Status fest um seine Stirn.

»Arrast, der Häuptling«, flüsterte Kirsig, die auf ihn deutete. »Keine Bange. Der hat soviel Grog getrunken, daß er bis morgen früh nichts mehr mitkriegt.«

Als ob er gehört hätte, daß es um ihn ging, regte sich Arrast und drehte sich auf die Seite. Er hob kurz den Kopf, stieß ein rauhes Bellen aus und schnarchte weiter.

Da Flint nach Kirsigs vorherigen Worten noch etwas verunsichert war, eilte er rasch an dem schlafenden Häuptling von Ogerstadt vorbei.

Am anderen Ende des riesigen Raums bedeckte ein viereckiges Gitter eine tiefe, dunkle Grube, die in den Boden eingelassen war. Obwohl Flint hinunterspähte, konnte er nichts sehen. Von tief unten drangen schmatzende und kratzende Geräusche nach oben. Der faulige Gestank, der heraufwehte, reichte aus, den Zwerg kurz aus dem Gleichgewicht zu bringen.

»Spielegrube«, sagte Kirsig, die ihn am Ellenbogen festhielt.

»Schwarze Weiden«, sagte Raistlin ernst.

Tanis nickte.

»Ja«, stimmte Flint zu, obwohl er nicht die leiseste Ahnung hatte, was »schwarze Weiden« waren, und als er an der dunklen Grube vorbeilief, sagte er sich, daß er kein Bedürfnis hatte, es herauszufinden.

Durch einen kleinen Torbogen kamen sie zu einer schmalen Steintreppe, die sie auf eine tiefere Ebene führte. Das war der Kerker, wie man an dem feuchten Rottegestank merkte, der Mischung aus Knochen und zerbrochenen Waffen und den Strohhaufen, die von den getrockneten Blutstreifen verfärbt waren. An den Wänden hingen flackernde Fackeln, die mattes Licht spendeten.

Kirsig zeigte nach vorn. Tanis und Raistlin folgten Kirsig dichtauf, während Flint mit etwas Abstand hinterher stapfte. Sie betraten einen großen, nach Schimmel stinkenden Raum. Zwei dunkle Gänge mit Zellen an den Seiten gingen nach rechts und links ab. Selbst zu dieser Stunde drang schwaches Stöhnen und Jammern aus den Zellen, denn der Schlaf der Bewohner wurde von den übelsten Alpträumen gestört.

»Ich wünschte, wir könnten den armen Teufeln irgendwie helfen«, flüsterte Tanis Raistlin zu.

»Erstmal müssen wir uns selber retten«, entgegnete Raistlin.

»Da!« sagte Kirsig, die auf ein großes Loch in der hintersten Ecke des Raumes zeigte.

Sie eilten hin. Obwohl Tanis und Flint das große Gitter über dem Loch leicht lösen konnten, hatten sie Schwierigkeiten, es beiseite zu heben. Kirsig und sogar Raistlin bückten sich, um zu helfen. Schließlich bewegte sich das Gitter und sie konnten es fortschieben.

Als Kirsig sich aufrichtete, sah sie sich Auge in Auge einem vierschrötigen, orangebraunen Ogerwächter gegenüber, der gleich darauf den Mund aufriß und etwas in einer Sprache schrie, die keiner der drei Gefährten aus Solace verstand.

Sie verstanden nur das Wort »Kirsig« und konnten sich den Rest des offensichtlich feindseligen Inhalts denken.

Tanis stürzte sich mit erhobenem Schwert auf die Kreatur, doch die Ogerwache war doppelt so groß wie er und trotz ihres Aussehens nicht langsam von Begriff. Die Ogerwache riß den Arm hoch in die Luft und schlug das Schwert beiseite, wodurch Tanis gegen die Wand flog und betäubt liegenblieb. Flint versuchte, mit seinem Messer nach dem Oger zu stechen, doch dessen Reichweite war groß, und vor allem führte er eine dicke Dornenkeule. Der Oger schwang die Keule hoch und dann wieder herunter. Er zielte auf Flints Kopf. Der Zwerg duckte sich zur Seite, doch die Keule traf ihn an der Schulter und warf ihn zu Boden.

Mit maskenhaftem Gesicht ging Raistlin einen Schritt zurück. Er begann, mit leiser Stimme zu sprechen, während er besorgt in seinen Beutel nach den Zutaten tastete, die er für seinen Spruch brauchte.

Der Oger bemerkte den jungen Magier und näherte sich vorsichtig. Seine gelben Augen funkelten, und die fleckige Zunge schoß zwischen den scharfen, geschwärzten Zähnen hervor. Mit seiner Klauenhand griff er nach Raistlin.

Plötzlich verdrehten sich die Augen des Ogers, und er kippte nach vorn. Raistlin mußte aus dem Weg springen, sonst wäre er zermalmt worden. Aus dem Rücken des Ogers ragte ein langer, dünner Dolch, von dem schwarzes Blut heruntertröpfelte.

Raistlin starrte auf den Dolch. Flint und Tanis rappelten sich benommen auf und sahen die unberechenbare Kirsig an.

»Ich habe immer einen parat«, sagte die Halbogerin stolz und gleichermaßen schüchtern. Sie setzte einen Fuß auf den Rücken des Ogers, zog den Dolch heraus, wischte ihn sauber und steckte ihn wieder in ihren Lederrock. »Würdet ihr auch tun, wenn ihr in Ogerstadt arbeiten würdet und dauernd mit Ogern zu tun hättet!«

Tanis gratulierte ihr zu ihrer Tapferkeit.

In dem schwachen Licht war es schwer zu sagen, doch Kirsig schien zu erröten. »Keine Zeit für sowas«, sagte sie abwehrend. »Runter mit euch!«

Einer nach dem anderen ließen sich die drei Gefährten durch das Loch hinunter. Indem Kirsig den Speer des toten Ogers als Hebel benutzte, gelang es ihr, das Gitter wieder an seinen Platz zu schieben.

»Viel Glück!« rief Kirsig ihnen nach.

Allein zerrte sie den Körper der Ogerwache in eine Ecke und häufte eilig Stroh darüber, um ihn so gut wie möglich zu verbergen.In der faulig riechenden Flüssigkeit, in der sie sich wiederfanden, leuchteten in der Dunkelheit schimmernde, silbern- und purpurfarbene Streifen. Blubbernder Schaum, schwammige Kugeln und Teile von Dingen, die nach Krankheit und Tod stanken, dümpelten um sie herum. Aasfressende Fische schossen durch den Unrat, wobei ihre schuppigen Seiten die strampelnden Beine der Gefährten streiften. Eine Riesenschlange trieb mit dem Bauch nach oben im Kanal. Ein Teil ihres ungeheuer langen Leibes befand sich unter Wasser, doch zwei mannsgroße Beulen inmitten ihres weißen, aufgedunsenen Bauches schaukelten auf der Oberfläche.

Unheimliche Schreie aus der Ferne gellten durch den finsteren Tunnel. Uralte Leichen waren an Wandvorsprüngen hängengeblieben, wo ihre Knochen ein geisterhaftes Licht verströmten. Die Gefährten konnten die Ratten hören, aber nicht sehen; die Tiere rannten über den schmalen Sims, der an den Seiten des Tunnels entlang führte.