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Flint warf einen hilflosen Blick auf Tanis und Raistlin. Tanis und Raistlin blickten einander an.

»Na gut«, sagte Tanis resigniert.

Kirsig und die drei Gefährten quetschten sich in das Boot, und der muskulöse Nugeter begann, mit zügigem Schlag zu rudern. Minuten später waren sie aus der Bucht heraus und viele hundert Schritt von der Küste entfernt. Sie konnten kaum noch den schattenhaften Umriß von Ogerstadt auf dem steilen, felsigen Hügel erkennen.

Ein blasses, rosiges Licht zeigte sich am Himmel, als sie Nugeters Schiff erreichten.

8

Der Gebrochene

Etwas griff nach Sturm. Schwach schaute der Solamnier mit benebeltem Blick nach oben. Er merkte, daß er hochgezogen wurde.

Als nächstes nahm er wie durch einen Nebel wahr, daß er neben Caramon auf dem Boden eines kleinen Bootes lag. Seinem Freund hingen die Kleider in Fetzen vom Leib, sein Körper war von verkrusteten Wunden bedeckt. Die wenige Haut, die unversehrt geblieben war, war von der Sonne zu einem kräftigen Bronzeton gebrannt worden. Sturm starrte den jungen Krieger an, der die Augen geschlossen hatte. Erleichtert stellte der Ritter fest, daß sein Kamerad gleichmäßig atmete. Dann verlor Sturm das Bewußtsein.

Ein knorriger, alter Fischer namens Lazaril hatte die beiden aus der See gefischt, ihre Fesseln durchgeschnitten und sie in sein Boot geworfen.

Jetzt betrachtete sie der drahtige, gebeugte Fischer nachdenklich. Er stützte sein Kinn in die Hand. Lazaril hatte gehofft, heute morgen ein paar Aale zu fangen, die er dann auf dem freien Markt in Atossa, einer Stadt an der Nordküste von Mithas, verkauft hätte. Aber wenn er es richtig anstellte, konnten diese beiden Menschen ihm das Zehnfache einbringen.

Sie sahen allerdings schrecklich aus – halbtot. Er mußte sie erst waschen, so gut er das vermochte. Also zog er seine Lederjacke aus und legte sie auf den Kleineren, dessen Hemd fortgerissen war. Und er versuchte, ihnen Gesicht und Wunden abzuspülen. Sie hatten jede Menge Verletzungen, doch damit kam Lazaril zurecht. Sie konnten sich schließlich nicht wehren. Vielleicht war ihr Schiff versenkt oder von Piraten überfallen worden. Das war Pech für sie, aber ein Glücksfall für Lazaril.

Die zwei Freunde wachten kurz auf, denn sie mußten würgen, als Lazaril ihnen klares Wasser in den Mund goß und sie dann zwangsweise mit etwas Trockenfisch fütterte. Der Größere, den er zuerst aus dem Meer gezogen hatte, blickte ihn mit fragenden Augen an, schluckte aber trotz seiner Benommenheit hungrig, bis er wieder bewußtlos wurde. Der andere schien in noch schlimmerem Zustand zu sein. Lazaril konnte nur wenige Bissen in ihn hineinstopfen.

Mit schneller Hand flickte der Fischer notdürftig ihre Kleider und rieb dann ihre Haut mit einem Allzweckbalsam ein, um den Sonnenbrand zu lindern. Anschließend sahen die beiden Halbertrunkenen fast wieder normal aus. Nun, nicht ganz, aber fast.

»Du hast deine wahre Bestimmung verpaßt, Lazaril«, sagte sich der Fischer mit stolzem Kichern. »Du hättest die Heilkunst erlernen sollen.«

Der Fischer griff nach den Rudern und legte sich in die Riemen. Er ruderte kräftig gegen den leichten Wind an und war nach einer Stunde in Sichtweite des kleinen Hafens von Atossa.

Keiner der beiden Gefährten war wieder zu Bewußtsein gekommen. Das wäre auch zuviel erwartet gewesen. Als sie sich dem Hafen näherten, zog Lazaril eine Plane über die beiden reglosen Gestalten, damit keiner seiner Konkurrenten seine ungewöhnliche Fracht mitbekam. Am Hauptpier entdeckte der alte Fischer einen Gassenjungen, dem er ein Kupferstück versprach, wenn er losrannte und den Minotaurus holte, der als Hafenmeister angestellt war.

In dem kleinen Hafen war jede Menge los. Menschliche Piraten und Söldner machten mit den bulligen Stiermenschen Geschäfte, die die Insel regierten. Armselige Sklaven – zumeist Menschen, aber auch ein Häuflein aus anderen Rassen – schulterten ihre Lasten unter der Aufsicht von Minotauren, die herrisch über die Docks stolzierten und bei der erstbesten Gelegenheit boshaft die Peitsche schwangen.

Ein eindrucksvoller Minotaurus mit wilden Augen und spitzen Hörnern kam zum Steg, während der Gassenjunge hinter ihm sich sputen mußte, um mitzuhalten. Lazaril gab dem Jungen sein Kupferstück und scheuchte ihn geschäftig fort. Der Minotaurus verschränkte die Arme und wartete mit strengem, ungeduldigem Blick auf seinem tierhaften Gesicht. Lazaril bedachte ihn mit einem schlauen, offenen Grinsen.

Diesen Minotaurus kannte Lazaril vom Sehen, obwohl er sich bisher immer Mühe gegeben hatte, um den Hafenmeister von Atossa einen großen Bogen zu machen. Er hieß Vigila und war vom König selbst eingesetzt. Alle Fischer und anderen, regelmäßigen Hafenbesucher kannten seine Brutalität und die eiserne Hand, mit der er den kleinen Hafen führte. Er war es, der auf den Docks Recht sprach, den Zoll für den König kassierte – von dem er einen Teil für sich behielt – und für das erforderliche Kontingent Sklaven sorgte. Mit ihm mußte Lazaril verhandeln.

Mit bescheidener Geste zog der Fischer die Plane weg und enthüllte die beiden Menschen. Erwartungsvoll sah er Vigila an.

»Was?« fragte Vigila höhnisch. »Du hast zwei Menschenkarpfen gefangen, alter Fischer. Warum sollten die mich interessieren?«

Lazaril schluckte und zwang sich zu einem Grinsen. »Eure Exzellenz«, fing er an, denn er wußte nicht, wie man einen Hafenmeister ansprach, »ihre Wunden sind nur oberflächlich. Ich glaube, das sind zwei sehr starke Menschen, die ausgezeichnete Sklaven abgeben, wenn sie erst wieder gesund sind. Jetzt sind sie schwach, aber sie brauchen nur zu essen und zu trinken, dann werden sie wieder stark. Dann können sie gute Arbeit leisten – hart arbeiten bis zum Tod. Das würde Euch doch interessieren, oder nicht?«

Vigila schnaubte zornig, während seine Augen Lazaril zu durchbohren schienen. »Schmeiß sie wieder ins Wasser, alter Fischer. Fang dir etwas, das du dir wenigstens am Abend auf den Teller legen kannst.« Das leise Grollen aus seiner Kehle hätte ein Glucksen sein können.

Lazaril nahm all seinen Mut zusammen und setzte nochmals sein gerissenes Grinsen auf. »Ich glaube, der hier«, der Fischer tätschelte Caramons Schulter, »ließe sich für die Spiele trainieren. Er könnte Gladiator werden; er hätte das Zeug dazu. Trotzdem würde ich ihn Euch als Gladiator günstig verkaufen. Denkt doch, wie erfreut der König reagieren würde, wenn Ihr ihm einen Gladiator übergeben könntet, der aus dem Meer gefischt wurde.«

Vigila schaute nachdenklich drein. Der Hafenmeister fand sichtlich Gefallen an dieser Vorstellung, das sah Lazaril.

»Menschen halten in den Spielen nie lange durch«, sagte der Minotaurus verächtlich.

»Aber«, blieb der Fischer am Ball, der sich insgeheim zu seinem Takt und seinen Verhandlungskünsten beglückwünschte, »sie sind sehr unterhaltsam für die Zuschauer, selbst wenn sie verlieren.«

Caramon und Sturm regten sich und hoben dann beide den Kopf. Nicht zum ersten Mal in den letzten paar Tagen fragten sie sich, wo sie waren. Nach den Tagen, die sie in der rauhen See getrieben waren, konnte sich keiner von ihnen einen Reim auf die Szene machen, die sie vor sich sahen.

Ein alter Fischer mit karottenrotem Haar stand krummbeinig in seinem Boot und redete mit leiser Stimme mit einem riesigen Minotaurus, der vor ihm aufragte. Der Minotaurus trug einen Lederrock und eine ganze Reihe Gurte und Riemen. Er hatte einen riesigen, grobbehauenen Stock dabei. Wie eine Autoritätsperson stand er am Pier, schien jedoch mit dem Fischer zu verhandeln.

Doch ihr Hirn war so vernebelt und das Gespräch zwischen Fischer und Minotaurus wurde so gedämpft geführt, daß Caramon und Sturm nichts verstehen konnten.

Der Hafenmeister warf einen Blick auf die zwei Gefährten, die ihre Köpfe jämmerlich in seine Richtung hoben und dann wieder zurückfielen. Der alte Fischer nickte und strahlte ermutigend.