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Ohne einen besonderen Plan stürmten Flint, Kirsig, Yuril und ich auf das Tier ein und stachen zu. Wir landeten nur ein paar harmlose Treffer. Andere Seeleute schlossen sich uns an. Die Riesenschnecke drehte und wand sich und warf dabei mehrere Seeleute zu Boden und bedeckte einen mit ihrem ätzenden Speichel. Wir konnten sie eigentlich nur beschäftigen und uns Mühe geben, außerhalb ihrer Reichweite zu bleiben.

Ich sah, daß Raistlin am anderen Ende des Schiffs an etwas arbeitete. Er drehte sich um und rief nach Flint.

Der Zwerg eilte zu ihm hin: Gemeinsam bückten sie sich und begannen, etwas zu uns und zu der Riesenschnecke zu zerren. Als noch zwei Matrosen hinliefen, verließ Raistlin Flint und rannte zum Ruder, wo Kapitän Nugeter damit beschäftigt war, das schief liegende Schiff unter Kontrolle zu behalten.

Raistlin beriet sich kurz mit Nugeter, welcher dem jungen Zauberer zunickte.

Jetzt konnte ich sehen, daß Flint und die Seeleute den Anker auf uns zu schleppten. Kirsig, Yuril und ich liefen hin, um ihnen beim Hochheben zu helfen. Dann warfen wir ihn auf ein Zeichen von Flint zum Kopf der Riesenschnecke.

Wie Raistlin gehofft hatte, machte der Nacktkiemer – der nicht für seine Intelligenz bekannt ist – den Mund weit auf für das, was wir in seine Richtung stießen. Im letzten Moment ließen wir los und eilten in Sicherheit.

Ein fast überraschter Ausdruck glitt über das rudimentäre Gesicht der Schnecke, als Kapitän Nugeter das Ruder scharf herumwarf und von ihr fortsteuerte. Durch die plötzliche Bewegung rutschte sie vom Deck zurück in die See. Flints Anker zog sie rasch in die Tiefe, bis wir nichts anderes mehr von ihr sahen als die Luftblasen, die an die Oberfläche blubberten.

Nach dem Angriff mußte die Castor dringend repariert werden. Drei Matrosen waren tot, woran uns nur die Blutflecken auf dem Deck erinnerten, und Flint mußte sich an die Arbeit machen, einen weiteren Anker aus Metallresten herzustellen.

ZEHNTER TAG

Kapitän Nugeter sagt, wir sind nur noch einen halben Tag von der Küste von Karthay entfernt, selbst bei dem langsamen Tempo, das wir jetzt vorlegen müssen. Die Castor ist ein halbes Wrack. Nur pausenloses Rudern hält uns über Wasser, was für die Mannschaft, die nach all den Ereignissen halbiert ist, sehr anstrengend ist. Flint, Raistlin, Kirsig und ich helfen aus.

Obwohl die Reise über das Blutmeer an Geschwindigkeit jede Hoffnung erfüllt hat, sagt der Kapitän, daß er nicht sicher ist, ob der Preis den Schaden an seinem Schiff und die Verluste seiner Mannschaft ausgleicht.

»Ich werde nicht versuchen, in Karthay zu landen«, hat Kapitän Nugeter erklärt. »Ich gehe kein weiteres Risiko ein. Ich gebe euch ein kleines Boot, in dem ihr an Land rudern könnt. Damit könnt ihr euch noch glücklich schätzen.«

Trotz Kirsigs besten Überredungskünsten weigert sich Kapitän Nugeter, von dieser Haltung abzurücken.

Raistlin hat ihm den doppelten Preis gezahlt und ihn nicht wegen der Landung bedrängt. Der Kapitän hat seinen Teil der Abmachung mehr als erfüllt, meint Raistlin, und hat sich bei ihm bedankt.

Kirsig hat die Absicht geäußert, uns zu begleiten. Flint hat versucht, es ihr auszureden – vergeblich. Sie besteht darauf, daß sie ihren »hübschen Zwerg« nicht verlassen will.

Überraschender ist, daß Yuril verkündete, daß sie auch Lust hatte, sich uns anzuschließen. Kapitän Nugeter stritt heftig mit ihr, jedoch erfolglos. Yuril sagt, sie verdankt uns ihr Leben – mindestens zweimal –, und sie will uns helfen, unsere Aufgabe zu erfüllen. Der Kapitän wirkte ebenso traurig wie wütend über diese Entscheidung. Nicht zum ersten Mal kam es mir so vor, als ob diese beiden füreinander einmal mehr als Kapitän und Steuermann waren.

Drei Matrosinnen, die alle mehr Yuril als Kapitän Nugeter ergeben waren, sagten, auch sie würden mitkommen.

Damit sind wir acht, und der wütende Nugeter mußte uns zwei kleine Boote zusagen.

10

Der böse Kender

Der Trank wirkte wunderbar. Tolpan Barfuß hatte sich eindeutig in einen bösen Kender verwandelt. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Von seinem früheren Haarknoten bis hinunter zu den Zehen war Tolpan durch und durch böse.

Die Minotaurenwachen waren sich nicht so sicher, ob sie Tolpan nicht lieber gemocht hatten, wie er vorher gewesen war, ehe Fesz, der Minotaurenschamane und hohe Gesandte des Nachtmeisters, ihm den Trank verabreicht hatte, der seine Kendernatur verdreht hatte.

Natürlich konnte man sie nicht mehr Tolpans Wachen nennen, jedenfalls nicht mehr im Wortsinn. Nachdem Tolpan vor Bösartigkeit strotzte, hatte man ihn vom Gefangenen zum Ehrengast des Minotaurenkönigs befördert. Er wurde in einem der oberen Stockwerke des Palasts in einem geräumigen, mit Plüsch ausgestatteten Zimmer untergebracht, von dessen Balkon aus er die unten liegende, schäbige Stadt Lacynos überblicken konnte.

Auf der anderen Gangseite lag ein weiteres, noch schöneres und geräumigeres Zimmer für Ehrengäste, das für Fesz reserviert war. Dieser mußte nämlich in Tolpans Nähe bleiben, um ihre noch junge Freundschaft zu festigen. Aus diesem Grund unterhielt er sich häufig mit Tolpan.

Eine kleine Anzahl Minotaurenwachen stand immer noch vor Tolpans Zimmer im Gang. Ihre Anweisung lautete, zu verhindern, daß Tolpan sein Zimmer ohne Erlaubnis und Eskorte verließ, doch sie waren auch angewiesen, sich nicht wie Wachen zu verhalten. Statt dessen sollten sie freundlich sein und die Wünsche des Kenders erfüllen, und sie wagten es tatsächlich nicht, dagegen aufzubegehren.

Der böse Kender war zehnmal so lästig wie der gute zuvor – das heißt, falls jemand Tolpan überhaupt jemals als »gut« bezeichnet hätte. Schlimmer als lästig, so die einhellige Meinung der Minotaurenwachen. Tolpan war von Grund auf – tja, böse.

Da er die Wachen nach Belieben herumkommandieren konnte, sorgte Tolpan dafür, daß sie ordentlich damit zu tun hatten, jeder seiner Launen nachzugehen. Und Tolpan fiel offenbar eine Menge ein, jede Minute des Tages etwas Neues.

In seiner Bosheit hatte Tolpan beschlossen, daß er dreimal am Tag zu genau festgelegten Zeiten ein heißes Bad nehmen wollte. Selbst für die minotaurischen Wachen war es harte Arbeit, die Bäder vorzubereiten und dreimal täglich die Eimer mit heißem Wasser die vielen Stufen zu den besten Gästezimmern hochzuschleppen.

Und Gnade ihnen ihr Gott, wenn das Wasser nicht heiß genug war. In diesem Fall bekam Tolpan einen schrecklichen Wutanfall, schlug ihnen den leeren Eimer auf den Kopf oder stach mit einer Vorhangstange – der besten Stichwaffe, die er zur Verfügung hatte – nach ihren Augen. Oder er beschimpfte sie mit einem erstaunlichen Schwall von Beleidigungen. Manche der Wachen konnten sich kaum noch beherrschen, weil sie Beleidigungen und Befehle von einem Kender hinnehmen mußten. Aber sie nahmen sie hin, und nach dem Schlagen und Stechen und Beschimpfen mußten sie gewöhnlich hinausschleichen und von vorn beginnen und beten, daß das Badewasser dieses Mal heiß genug sein würde.

Weil Tolpan sich ein bißchen langweilte, da er den lieben, langen Tag in seinem Gästezimmer hocken mußte, beschloß er, daß der Raum renoviert und in schöneren Farben gestrichen werden sollte. Das anfängliche Mattweiß gefiel ihm nicht, aber es fiel Tolpan sehr schwer, genau zu sagen, welche Farbe oder welche Farben der Raum haben sollte.

Zunächst befahl er zwei Wachen, sein Zimmer mit einem kräftigen Indigoblau zu streichen – bis Sonnenuntergang. Als er hinterher das kräftige Indigoblau anstarrte, das Boden, Decke und Wände bedeckte, schlief Tolpan fast ein. Also entschied er, daß kräftiges Indigoblau einen Hauch zu einschläfernd sei.

Er befahl denselben beiden Wachen, den Raum mit hellem Karmesinrot zu streichen – bis Sonnenuntergang des nächsten Tages. Die Wachen fluchten und murrten, besonders weil Tolpan nach ihnen stach, ihre Köpfe tätschelte und sie beschimpfte, während sie ackerten, damit sie zur festgelegten Zeit fertig würden.