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Da Tolpan immer glücklich war, seinen Freund zu sehen, hüpfte er herum, um ihn mit dem Begrüßungsritual zu empfangen, das er sich ausgedacht hatte. Dann riß er dem Schamanen die Botschaft aus der Hand:

Haben an der Küste eine einzelne Frau gefangengenommen. Sie ist gut bewaffnet, offenbar eine Kriegerin. Sie weigert sich, mir ihren Namen zu sagen oder wie und warum sie hierhergekommen ist. Wir halten sie fest. Ich vermute, daß sie diejenige ist, auf die wir gewartet haben. Frag den Kender, ob er weiß, wer sie sein könnte.

Der Nachtmeister

»Die Bienen haben heute diese Nachricht gebracht«, sagte Fesz, der seine Stierstirn nachdenklich in Falten legte. »Hast du eine Ahnung, wer diese Frau sein könnte?«

Tolpan mußte nicht sehr lange darüber nachgrübeln. »Oh, das muß Kitiara sein!« rief er aus. »Obwohl ich keine Ahnung habe, wie sie so schnell nach Karthay gekommen ist.«

»Wer ist Kitiara?«

»Kitiara Uth Matar«, sagte Tolpan. »Habe ich dir noch nichts von ihr erzählt? Tja, ich vergesse sie meistens, weil sie nur Raistlins Halbschwester ist. Ich will nicht witzeln, aber wenn sie jetzt hier ist, kann das nur heißen, daß Raistlin sie verständigt hat, also kann er auch nicht weit sein…«

Fesz kritzelte alles mit, so schnell er konnte.Fesz und Tolpan wurden so gute Freunde, daß sie sich manchmal am späten Nachmittag in einen Karren, der von Menschensklaven gezogen wurde, setzten und verschiedene Stellen in Lacynos besichtigten. Diese freundschaftlichen Ausflüge versetzten Tolpan immer in gesprächige Stimmung, wie Fesz feststellte – nicht, daß dazu viel vonnöten gewesen wäre. So erfuhr der Minotaurenschamane immer mehr über den künftigen Zauberer Raistlin.

Natürlich folgten den beiden immer eine oder zwei Minotaurenwachen, die ein Stück zurückblieben. Nicht nur aus Achtung vor dem Protokoll, sondern weil sie nicht wollten, daß Tolpan Steine nach ihnen warf oder ihnen anderweitig zusetzte.

Durch diese Ausflüge lernte Tolpan die ganze Stadt kennen. Besonders gefielen ihm die bösen, stinkenden Orte wie die Sklavengruben und die Arena für die Spiele.

Rund um die Stadt lagen zahlreiche Sklavengruben. Es waren tiefe Löcher, die in den Boden gegraben worden waren, um als primitive Unterkunft für die vielen tausend Sklaven zu dienen, die tagtäglich ihre Arbeit in Lacynos verrichteten. Tagsüber bewohnten nur jene Sklaven – meist etwa hundert – diese Gruben, die zu krank oder zu jung zur Arbeit waren. Diese Zahl wuchs bei Nacht auf etwa siebenhundert pro Grube an, wenn die Sklaven, die nach dem harten Tagwerk noch am Leben waren, zurückkehrten.

Die Ränge der Sklaven setzten sich hauptsächlich aus Gefangenen der minotaurischen Piraten zusammen, die von berufsmäßigen Sklavenhändlern verkauft wurden. Manche waren auch für ihre Verbrechen eine Zeitlang eingelocht. Hin und wieder gab es einen unglückseligen Elfen oder einen entehrten Minotaurus, aber keinen Kender. Tolpan stellte fest, daß Menschen in Lacynos eine unterdrückte Rasse waren.

Dutzende von Minotaurenwachen standen um den Rand jeder Grube herum. Der einzige Zugang war eine breite Rampe, über welche die Sklaven zu sechst oder zu siebt nebeneinander jeden Morgen herauf marschierten und abends wieder hinunter. Zum Schutz vor Aufständen war die Grube von mehreren Stützmauern umgeben. Diese konnten zum Einsturz gebracht werden, woraufhin sich tonnenweise Erde über den rebellierenden Mob ergießen würde.

Von einer Sklavengrube, die Tolpan besichtigte, war er sehr beeindruckt. Er lobte ihren genialen Aufbau und stellte viele Fragen.

»Falls ich je nach Solace zurückkehre«, erklärte er Fesz, fügte aber schnell hinzu, »nicht, daß ich das wirklich möchte, denn ich amüsiere mich hier in Lacynos wirklich prächtig. Aber falls ich je nach Solace zurückkehre, wäre es doch eine prima Idee, so eine Sklavengrube wie die hier mitten in der Stadt anzulegen. Ihnen allen eine Lektion erteilen. Natürlich liegt Solace oben in den Baumkronen, und rein praktisch gesehen weiß ich nicht recht, ob man oben in den Bäumen eine Grube einrichten kann. Das wäre ein kleineres Problem, an dem ich noch arbeiten muß. Aber diese Sklavengruben gefallen mir wirklich gut!«

Der Kender stand auf einem Laufgang und beobachtete gerade eine Gruppe Sklaven, von denen einige offenbar krank oder verwundet waren, denn sie lagen zusammengekrümmt auf dem Boden. Andere schubsten und prügelten sich. Er sah einen breitschultrigen Menschen mit zerfetzten solamnischen Kleidern, der sich stolz einen Weg durch die Bewohner bahnte. Am anderen Ende der Sklavengrube sah er eine Klerikerin, die sich kniend um einen der am Boden liegenden Sklaven kümmerte.

Eine der Minotaurenwachen kam zu nahe, und Tolpan hob den Ellbogen, wodurch er ihn versehentlich über das Geländer stieß. Der Minotaurus stürzte fünfzig Fuß tief in die Grube. Die Sklaven stoben auseinander, als er heruntersauste und mit einem ekelhaften Krachen aufkam.

»Huch! Verzeihung«, sagte Tolpan, der Fesz treu anschaute. »Ich hatte mich bloß gerade gefragt, wie es sich wohl anhört, wenn ein Minotaurus nach so einem langen Sturz auf dem Kopf landet.«

Der nachsichtige Fesz erwiderte das böse Lächeln des Kenders.

Die Arena ihrerseits war architektonisch phantastisch, auch wenn die Spiele für Tolpans Geschmack als Unterhaltung ein wenig langweilig waren. Tausende von Sklaven hatten unter der Peitsche geschuftet, um das riesige, steinerne Gebäude mit den hohen Mauern, den eindrucksvollen Eingängen und den bequemen Zuschauerreihen zu errichten. Viele tausend weitere waren bei den barbarischen Wettkämpfen auf der gestampften Erde der Arena umgekommen, die alle zwei Monate stattfanden und alle Einwohner der Stadt anzogen. Die Minotauren waren ganz versessen auf ihren Nationalsport: zuzusehen, wie zwei Gladiatoren zum Kampf auf Leben und Tod gegeneinander antraten.

Tolpan und Fesz verbrachten einen sonnigen Nachmittag in einer Privatloge, die für den König und seine Gäste reserviert war. Die Loge lag direkt gegenüber der Eingangsrampe, die von den Katakomben heraufführte, welche als Warteraum für die Gladiatoren dienten.

Menschenpack kämpfte gegen Menschenpack. Beide Kämpfer trugen enge Kleider und grausame Waffen. Beide waren schnell und stark.

Tolpan konnte sie partout nicht auseinanderhalten. Er konnte kaum seine müden Augen offenhalten, als ihr unbarmherziger Zweikampf scheinbar stundenlang andauerte.

Jubelnde, kreischende, höhnische Minotauren und Menschenpiraten füllten das Kolosseum bis zum letzten Platz. Es war eine festliche Atmosphäre. Manche der Stiermenschen wurden von Frauen und Kindern begleitet. Jeder jubelte dem zu, auf den er gewettet hatte.

Einer der Gladiatoren war dem Angriff des anderen ausgewichen, schlug ihm seinen Schild ins Gesicht und stieß sein Langschwert durch seinen Hals. Das Publikum grölte und verlangte, daß der Verlierer geköpft werden sollte. Der siegreiche Mensch gehorchte. Dann stolzierte er in der Arena herum und unterhielt die Menge, indem er den bluttriefenden Kopf nach oben hielt.

»Überhaupt«, gähnte Tolpan, »da fällt mir etwas ein. Ich hätte wirklich gern meinen Hupak wieder. Das ist meine einzige richtige Waffe, und außerdem ist er für mich von persönlichem Wert.«

»Wo ist denn dein Hupak?« knurrte Fesz fürsorglich.

»Er war an meinem Rucksack«, erklärte Tolpan, »bis alles, was ich hatte, beschlagnahmt wurde. Ich hätte ihn wirklich gern zurück.«

»Hättest du nicht auch gern den ganzen Rucksack zurück?« fragte Fesz.

»Na klar.«

Den ganzen nächsten Tag verbrachten sie in der Werft. Tolpan fand das sehr interessant. Er konnte deutlich erkennen, daß sich die Minotauren eifrig auf einen großen Krieg oder so etwas vorbereiteten. Überall lag stapelweise Bauholz. Hunderte von Menschensklaven, die von grimmigen, waffenstarrenden Minotauren beaufsichtigt wurden, rannten eifrig wie Ameisen durch die Gegend. Sie arbeiteten mit Werkzeugen wie Breitbeil, Säge und Bohrer.