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Im Uhrzeigersinn links vom König ging die Reihe der acht Mitglieder des Obersten Kreises mit Inultus los, der die Miliz und die Polizei der Minotauren befehligte. Er war mit Emblemen und Abzeichen, die seinen Rang verrieten, nur so gepflastert. Neben ihm saß Akz. Sein Spitzname war Attacca, doch niemand wagte es, ihm diesen ins Gesicht zu sagen. Er war der Befehlshaber über die minotaurische Marine. Akz haßte Inultus und umgekehrt. Ihre Feindschaft war bekannt, doch sie waren gezwungen, zum Besten des Königreichs politisch zusammenzuarbeiten. Akz trug nichts auf seiner breiten, muskulösen Brust. Seine Kleidung bestand einzig aus einem juwelenbesetzten Lederstreifen, der seine kräftigen Lenden umgürtete.

Neben Akz saß der Älteste unter ihnen, ein runzliger Minotaurus mit grauweißen Haarbüscheln namens Victri. Er war der Vertreter der ländlichen Minotauren, die das Land bestellten und in den wenigen fruchtbaren Gegenden der Inseln einsame Staatshöfe verwalteten. Obwohl die meisten Krieger, die etwas auf sich hielten, die Bauernminotauren verachteten, waren diese für die Wirtschaft und Stabilität der Inseln lebenswichtig. Außerdem hatte Victri am längsten im Obersten Kreis gedient. Jeder kannte seinen Ruf als ehrenhafter, weiser Mann. Abgesehen davon war Victri ein kühner Krieger, der sich in der Schlacht hervorgetan hatte. Da er wie ein Landmann gekleidet war, trug Victri mehr Kleider als jedes andere Mitglied des Obersten Kreises, einschließlich eines schweren Schals über seinen breiten Schultern.

Neben Victri saß Juvabit, ein Historiker und Gelehrter in einer Gesellschaft, die Gelehrsamkeit nicht besonders wertschätzte. Obwohl er nach minotaurischen Maßstäben ein gebildeter Mann war, konnte man Juvabit mit seiner häßlichen Schnauze, den gekrümmten Hörnern und den gespaltenen Hufen äußerlich nicht von den anderen unterscheiden. Das einzige, was auf seine Stellung hinwies, war eine Quaste aus dünnen Goldfäden, die ihm über eine Schulter baumelte. Sie symbolisierte den Orden des Königs, die höchste Auszeichnung des Staates, und Juvabit war der einzige Anwesende, der sich diese verdient hatte. Das machte Juvabit allerdings höchstens noch überheblicher als die übrigen, denn er war davon überzeugt, daß die anderen Mitglieder des Obersten Kreises Schafsköpfe waren. Er hielt sich nicht nur für klüger als jeden anderen, sondern glaubte, daß er sich auch im Zweikampf gegen jeden behaupten konnte.

Neben Juvabit räkelte sich Atra Cura, dessen umfangreiche Gestalt über den großen Holzstuhl hinausquoll, auf dem er saß. Atra Curas Aufgabe war die Überwachung der menschlichen und minotaurischen Piraten, die durch die umliegenden Meere streiften. Sie mußten nämlich einen Anteil ihrer Beute an den König abführen – und einen Anteil dieses Anteils an ihn selbst. Außerdem hielt er die rivalisierenden Piratenbanden auseinander. Man konnte Atra Cura zu Recht als den wildesten und mörderischsten Piraten von allen bezeichnen. Als einziger unter den Minotauren des Obersten Kreises war er in grelle, bunte Farben gekleidet, die mit prächtigen Edelsteinen verziert waren. Atra Cura stellte auffällige Waffen zur Schau, darunter zahlreiche Säbel und Messer, die an seinem Gürtel steckten.

Die einzige Frau, Kharis-O, war die gewählte Anführerin einer Bande nomadischer Minotaurenfrauen, dem Clan der Anderen. Sie verachteten die Männer und lebten abseits der Städte. Ihr Clan, der auf jeder der minotaurischen Hauptinseln und selbst auf den meisten kleineren Anhänger hatte, hielt sich abseits von den organisierteren Bereichen der Gesellschaft, doch niemand bezweifelte seine Loyalität gegenüber der minotaurischen Rasse. Im Krieg konnte man auf sie zählen, und ihre Tollkühnheit in der Schlacht entsprach in jeder Hinsicht der der männlichen Krieger. Nichts an Kharis-Os ausgesprochen häßlichem Gesicht deutete auf ihre Weiblichkeit hin. Nicht einmal ihre Kleidung gab irgendwelche Hinweise. Sie trug enge Lederhosen unter einem kurzen Lederhemd und dicke, mit Nägeln beschlagene Sandalen. Sie starrte jeden am Tisch finster an, sagte aber nichts.

Die letzten beiden Mitglieder des Obersten Kreises waren Bartill und Groppis. Bartill war der Anführer der Architekten- und Baugilde und daher einer der mächtigsten Minotauren im Reich. Jeder mußte aufpassen, es sich nicht mit ihm zu verderben.

Groppis, der Bartill in der Debatte unweigerlich unterstützte, war der Schatzkämmerer und in der Hierarchie genauso unerläßlich wie Bartill. Es war Groppis, der die Steuern einsammelte, Beutegut hortete und eine genaue Übersicht über den Staatsschatz führte. Er durfte auch eigenmächtig über die Gehälter bestimmen.

Der neunte war der König selbst, der bereits vierzehn Jahre regierte. Der König legte die Arroganz seines Amtes und die entsprechende körperliche Überlegenheit an den Tag. Um seinen Rang zu behalten, stellte sich der König jedes Jahr in der Arena des Kolosseums seinem stärksten Herausforderer zum Zweikampf. Der gegenwärtige König behauptete seine Position seit vierzehn Jahren mit eiserner Hand, indem er jeden, der ihn herausforderte, mit den Hörnern rammte, erstach, erdolchte oder mit bloßen Händen erwürgte. Der schmale, mit kleinen Diamanten besetzte Silberreif um seine Stirn, Symbol seiner Herrschaft, würde erst dann an den nächsten König weitergegeben werden, wenn er dereinst geschlagen sein würde.

Der König und die übrigen Mitglieder des Obersten Kreises starrten Fesz an, denn sie wollten wissen, wie es mit den Plänen des Nachtmeisters voranging und ob die ungewöhnlichen Nachrichten aus Atossa einen Rückschlag bedeuteten.

»Ich werde morgen persönlich nach Atossa fahren«, erwiderte Fesz mit fester Stimme, »und von dort aus nach Karthay, um dem Nachtmeister bei den abschließenden Vorbereitungen zu helfen.«

»Ist dieser Mensch, der entkommen ist, der geheimnisvolle Magier, den ihr gesucht habt?« fragte Akz, der Marinekommandant. »Ich werde meine Flotte erst mobilisieren, wenn ich ganz sicher weiß, daß nichts das Vorhaben des Nachtmeisters verhindern kann, Sargonnas in die Welt zu lassen.«

»Wir haben den Nachtmeister und seine Pläne äußerst großzügig unterstützt«, stellte Schatzmeister Groppis fest.

»Ich für meinen Teil«, warf Atra Cura, der Vertreter der Piraten ein, »glaube natürlich dem Nachtmeister und vertraue ihm, aber ein paar aus dem losen Bündnis meiner Gefolgschaft haben ihren eigenen Kopf und verlangen mehr als mein Wort, wenn sie weitermachen sollen.«

Die anderen nickten und murmelten zustimmend.

Fesz ließ sich mit seiner Antwort lange Zeit. Er legte die Hände auf den Tisch und schlug die Augen nieder, um sie unter gesenkten Lidern hervor anzustarren. Seine Augen glühten, seine Miene war voller Wut, doch es gelang ihm, sich zu bezähmen und tief durchzuatmen.

»Ich bin einer der drei erwählten Schamanen des Nachtmeisters«, sagte Fesz mit leisem, drohendem Grollen. »Eure lächerlichen Ängste entehren alle Minotauren und euren Rang als Mitglieder des Obersten Kreises. Der Nachtmeister hat euch mitgeteilt, daß er einen bemerkenswerten Zauber wirken will, um Sargonnas, den Herrn der finsteren Rache, in die Welt einzulassen. Für diesen Spruch wurde viel Geld ausgegeben und viel vorbereitet. Und alles wird nach Plan ablaufen, wenn in genau vier Tagen am frühen Abend die Sterne im Zenit stehen und die Himmel sich vereinen.«

Mehrere Mitglieder des Obersten Kreises hielten die Luft an. Bisher hatte der Nachtmeister nie genau verraten, wann er den Zauber wirken würde. Daß Fesz den genauen Tag und die Stunde nannte, hatte den beabsichtigten Effekt, daß alle Sorgen und Einwände der versammelten Führer sich in Luft auflösten.

»Was ist mit dem entflohenen Gefangenen?« fragte der König.

»Ich glaube nicht, daß es sich bei ihm um diesen Raistlin handelt«, antwortete Fesz respektvoll, »aber ich werde auf meinem Weg nach Karthay in Atossa Halt machen und mich vergewissern.«