»Na, das ist etwas anderes. In früheren Zeiten hat man auch bei uns für diese Zwecke die Lichtstrahlen verwendet. Aber jetzt . . . Während des Allplanetarischen Krieges sind unsere Gelehrten von einem ganz neuen Standpunkt aus an das Problem der Lichterscheinungen herangegangen. Einer von ihnen hat eine Erfindung gemacht, die es ermöglicht, ganze Zonen am Tage für den Feind unsichtbar zu machen. Das erwies sich als möglich, weil die Quellen der Lichtstrahlen, die Lichtteilchen, ein sehr dankbares Material für eine ganz neue Anwendung darstellen, von welcher die Menschen bis dahin nichts gewußt hatten. Überzeugen Sie sich selbst . . .«
Vor dem Gelehrten lief ein Bild ab, das er Kinofilm, Lari aber ‚Lichtaufzeichnungen von historischen Begebenheiten‘ nannte.
Die Submenschen gingen auf einem Weg. Sie zitterten vor Angst.
»Sie sehen einen feindlichen Trupp, der sich auf Menschenvernichtung begeben hat«, erklärte Lari; »aber diese Menschenfresser sind in einer Falle. Bei jedem Schritt droht ihnen der Tod.«
Und der Gelehrte sah, wie die Menschenfresser einzeln und zu zweit fielen, von einer unsichtbaren Waffe getroffen.
»Hinter jedem Stein, hinter jedem Baum lauert auf sie die strafende Hand der Vergeltung . . . Sehen Sie . . . Ich werde für Sie die Zonen sichtbar machen, die damals für die Feinde der Menschheit unsichtbar waren . . .«
Der Trupp der Menschenfresser war, wie sich herausstellte, von Menschen umzingelt, die in die Affenähnlichen von allen Seiten Feuerströme schickten.
»Man vernichtete sie wie abscheuliche Reptilien«, erklärte Lari. »Sehen Sie, wie sie fliehen? Sie wurden in ein tiefes Tal zwischen den hohen Bergen hineingejagt und dort umzingelt, wie man sonst einen Seuchenherd einkreist. Und von Verwilderung, wie von einer Krankheit betroffen, wurden sie dort vernichtet. Sehen Sie, die Menschen säubern die Luft von diesen Mißgeburten.«
»Aber wie wurde das erreicht?« rief der Gelehrte, auf die mächtigen Feuergarben, die auf die affenähnlichen Submenschen herabstürzten, hinweisend.
»Durch die schöpferische Arbeit«, antwortete Lari. »Die Arbeit hat uns über die Tiere erhöht, und jeder, der die Arbeit vernachlässigt, wer auf Kosten der Ausgeraubten leben will, fängt unvermeidlich an, sich in ein Tier zu verwandeln. Sehen Sie, in was für schmutzige Tiere sich diese Pogromhelden verwandeln?« Lari zeigte auf die Submenschen. »Und jetzt sehen Sie, wie aufopfernde Arbeit uns zum allgemeinen Wohl veredelt . . .«
Zuerst sah der Gelehrte von wildem Gebüsch bewachsene weite Flächen. Hierher zogen die Menschen. Sie rodeten die weiten Flächen, und wohlgestaltete Bauten begannen zu entstehen. Der Gelehrte sah geräumige Säle mit summenden Maschinen, an denen ernste Menschen konzentriert arbeiteten. Sie schmiedeten Metalle. Wo man nur hinblickte, überall nicht enden wollende Reihen von aufgestapelten Fertigerzeugnissen. Und ganz nahe, nebenan sah er die Gesichter von Männern und Frauen, von Greisen und Jünglingen, die harten Gesichter von Menschen, die ihr Werk tun, und er verstand, daß hier die Waffen des Sieges geschmiedet wurden.
Je weiter der Gelehrte ging, desto schneller ging auch die Arbeit der Menschen. Auf ihren Gesichtern war Ruhe und Gewißheit zu lesen, und der Gelehrte wurde von dem Wunsch übermannt, sich selbst neben diesen jungen Burschen zu stellen, der aus dem glühenden Ofen ein heißes, glühendes Metallstück herauszog, einen Hammer in die Hände nahm und darauf schlug, daß die Funken gleich einem Feuerwerk aufsprühten.
Aber Lari führte ihn ohne Aufenthalt vorwärts. Und jetzt sah der Gelehrte in den Gesichtern der Menschen die Freude; er las in ihren Augen den Ausdruck des Mutes und des Heldentums.
»Ein Sieg?« fragte der Gelehrte.
»Ja. Auf der Oberfläche unseres Planeten gibt es keinen einzigen Submenschen mehr. Nach der siegreichen Beendigung des Allplanetarischen Krieges haben die schaffenden Menschen, unsere Vorfahren — siegreiche Großväter und Väter — den allgemeinen Entschluß gefaßt, in ewigem Frieden zu leben. Es wurde auch beschlossen, ein besonderes Museum zu errichten. Das Durchschnittsalter eines Menschen ist bei uns hundert Jahre. Das Museum sollte so lange bestehen, daß drei Generationen alle Schrecken eines Krieges, der von den wahnsinnigen Menschenfressern entfacht wurde, kennenlernen und von Haß gegen sie erfüllt sind. Es war notwendig, den Menschen zu zeigen, was sie erwartet hätte, wenn die toll gewordenen Submenschen triumphiert hätten . . .«
»Ich habe Ihre Tatsachenaufzeichnungen gesehen«, sagte nachdenklich langsam der Gelehrte, sich an das erinnernd, was er einst als Augenzeuge auf der Erde erlebt hatte; »sie sind sehr belehrend.«
»Heute ist nun gerade der letzte Tag des Bestehens dieses Museums. Vor dreihundert Jahren haben die Menschen die Schlußfolgerung gezogen, wie man richtig leben soll, und drei Generationen sind dementsprechend erzogen worden«, sagte Lari. »Heute soll zum letztenmal an die Submenschen erinnert werden; denn dieses Museum des Grauens wird vernichtet. Sie sind die einzigen, die mit mir zusammen heute hier hineingelassen werden. Aber es ist schon Zeit. Ich möchte Sie mit unsern Freunden bekannt machen. Wir sind hier alle Freunde; Sie werden sie bei der Feier sehen. Und an der Stätte des vernichteten Grauens werden wir die Stadt des Glücks erbauen.«
»Ich möchte schnellstens die Erbauer dieser Stadt des Glücks kennenlernen!« rief in großer Erregung der Gelehrte.
XXI
Das Luftboot schwamm langsam über der Oberfläche des Zehnten. Der Gelehrte hielt das Fernglas an die Augen und blickte nach unten. Er sah nicht die riesenhaften, rauchenden Anhäufungen von Gebäuden. Es schien, als liege unter ihm ein gigantischer Teppich, in den die sich schlängelnden Bänder der Flüsse eingewebt wären, und die bunten, üppigen Gärten und Haine muteten wie feierliche Sträuße an. Zwischen ihnen erhoben sich die bunten, in der Sonne blitzenden Kuppeln von Gebäuden und pfeilförmige spitze Türme.
Durch das Fernglas sah er, wie die Menschen auf den Wegen gingen. In gleicher Richtung bewegten sich auch die mit Menschen überfüllten Luftwagen.
»Von hier aus werden wir alles sehen«, bemerkte Lari, dem Gelehrten beim Verlassen des gelandeten Wagens helfend, den der Gelehrte mit dem Ausdruck »Boot« bezeichnete. Einen andern Namen konnte er für dieses Lufttransportmittel nicht finden.
Von einem hohen Hügel aus erblickte der Gelehrte eine umgegrabene, mit Steinen zugeschüttete weite Fläche. Um diese herum schlängelten sich zwischen den Anpflanzungen die Wege, die die Plätze miteinander verbanden. Der Gelehrte erkannte in dem einen Platz das Dreieck, auf dem er zusammen mit Jura die fürchterlichen Bilder aus der Vergangenheit des Zehnten kennengelernt hatte.
Die freundliche Sonne schwamm über den Gipfeln der Schneeberge. Mädchen und Kinder standen auf dem Hügel, fast neben dem Gelehrten, und blickten in die Ferne. Auf einem Felsen der gegenüberliegenden Seite erschienen Menschen. Anscheinend wurde von ihnen ein Zeichen gegeben; denn plötzlich entstand eine solche Stille, daß der Gelehrte das Schlagen seines erregten Herzens vernahm.
Vom Felsen hörte man eine laute, ohne Hast ertönende Stimme.
Der Gelehrte konnte nur die Worte verstehen:
». . . die letzte Spur, die letzte Erinnerung an das Tier verschwindet. Es sei!«
Der Gelehrte schlug die Hände zusammen. Er sah, wie sich in den Bergen ringsumher große Schleusen auftaten; ungebändigte Fluten ergossen sich. Sie stürzten in Riesenkaskaden von den Türkisfelsen, wie Perlmutterfunken blitzend, und zerstörten Zäune und Plätze, spülten die schwarze Rußschicht von den ehemaligen Schlachtfeldern weg und trugen die Trümmerreste von Todes- und Folterwerkzeugen in die Ferne.
Von weitem erklang Musik, und alle, die neben dem Gelehrten standen, stimmten mit ihrem Gesang ein. Nun hatte die stürmische Flut den ganzen Talkessel gesäubert. Der Gelehrte sah, wie die Menschen herunterliefen. Seltsame Maschinen waren erschienen, und der Boden im Tal begann, sich mit zartem Grasgrün und bunten Feldblumen zu bedecken. Wunderliche Silhouetten von spitzen Türmchen, Kuppeln von Gebäuden in unbeschreiblicher Schönheit erhoben sich aus diesem Meer von Grün.