Earl Greenburg schluckte. »Gut.«
»Und noch was, Earl .«
»Ja.«
»Gehen Sie ruhig und behutsam vor.«
Fünf Minuten später sprach Earl Greenburg mit Tanner Kingsleys Sekretärin. Als er aufgelegt hatte, wandte er sich an Praegitzer. »Wir haben am Dienstagmorgen um zehn Uhr einen Termin. Im Moment tritt Mr. Kingsley vor irgendeinem parlamentarischen Ausschuss in Washington auf.«
Die dreißig Zuschauer und Reporter verfolgten Tanner Kingsleys Vortrag vor dem Senatsausschuss für Umweltfragen in Washington ebenso aufmerksam wie die sechs Senatoren, die dem Ausschuss angehörten.
Tanner Kingsley war Mitte vierzig, groß und gut aussehend, mit stahlblauen Augen, die vor Intelligenz funkelten. Er hatte eine Römernase, ein energisches Kinn und ein Profil, das eine Münze hätte zieren können.
Die Ausschussvorsitzende, Senatorin Pauline Mary van Luven, war eine imposante Frau mit einem geradezu anmaßenden Selbstbewusstsein. Sie musterte Tanner und sagte dann spitz: »Sie dürfen jetzt anfangen, Mr. Kingsley.«
Tanner nickte. »Vielen Dank, Senatorin.« Er wandte sich den anderen Ausschussmitgliedern zu und ergriff mit eindringlicher Stimme das Wort. »Während unsere Politiker, auch manche Mitglieder unserer Regierung, noch immer über die möglichen Folgen von globaler Erwärmung und Treibhauseffekt streiten, weitet sich das Loch in der Ozonschicht rapide aus. Deswegen leidet derzeit die halbe Welt unter einer Dürre und die andere Hälfte unter Überschwemmungen. Im Ross-Meer ist aufgrund der globalen Erwärmung ein Eisberg von der Größe Jamaikas abgebrochen. Das Ozonloch über der Antarktis ist mit einer Ausbreitung von rund sechzehn Millionen Quadratkilometern so groß wie nie zuvor.« Er legte eine kurze Kunstpause ein und wiederholte dann langsam: »Sechzehn Millionen Quadratkilometer.
Wir erleben zurzeit eine noch nie dagewesene Anzahl von Hurrikanen, Zyklonen und Taifunen sowie schwere Stürme, die Europa verwüsten. Aufgrund der radikalen Klimaveränderungen sind weltweit Millionen von Menschen von Hungersnöten und Vernichtung bedroht. Für uns sind das bloße Worte: Hungersnöte und Vernichtung. Bedenken Sie aber, was diese Schlagworte bedeuten - Millionen Männer, Frauen und Kinder, die hungern, obdachlos und dem Tode geweiht sind.
Vergangenen Sommer sind allein in Europa zwanzigtausend Menschen bei einer Hitzewelle ums Leben gekommen.« Tanner hob die Stimme. »Und was haben wir dagegen getan? Unsere Regierung hat sich geweigert, das Abschlussprotokoll des internationalen Klimagipfels in Kyoto zu unterzeichnen. Die Haltung, die daraus spricht, ist eindeutig: Uns ist es schnurzegal, wie es dem Rest der Welt ergeht. Wir machen einfach so weiter, wie es uns passt. Sind wir so borniert, so von uns selbst eingenommen, dass wir nicht einsehen, was wir .?«
Die Ausschussvorsitzende unterbrach ihn. »Mr. Kingsley, wir sind hier nicht bei einem Streitgespräch. Bitte mäßigen Sie sich etwas in Ihrem Ton.«
Tanner atmete tief durch und nickte. »Wir alle sind uns bewusst, dass der Treibhauseffekt durch die exzessive Nutzung fossiler Brennstoffe sowie durch andere, damit zusammenhängende Faktoren verursacht wird, die wir angeblich völlig im Griff haben. Und dennoch haben die dadurch entstehenden Emissionen das höchste Ausmaß erreicht, das wir in einer halben Million Jahre je zu verzeichnen hatten. Sie verpesten die Luft, die unsere Kinder und Kindeskinder atmen sollen. Dieser Verschmutzung kann man Einhalt gebieten. Und warum geschieht das nicht? Weil es das Big Business viel Geld kostet.« Wieder hob er die Stimme. »Geld! Wie viel ist ein Atemzug frischer Luft wert, wie viel ein Menschenleben? Zwei Liter Benzin? Fünf Liter?« Sein Tonfall wurde noch hitziger. »Meines Wissens ist die Erde der einzige Ort, an dem wir leben können, und dennoch verseuchen wir hemmungslos das Land, die Meere und die Luft, die wir atmen. Wenn wir nicht aufhören ...«
Wieder fiel ihm Senatorin van Luven ins Wort. »Mr. Kingsley .«
»Ich bitte um Entschuldigung, Senatorin. Ich bin aufgebracht. Ich kann nicht einfach widerspruchslos zusehen, wie diese Welt zugrunde gerichtet wird.«
Kingsley sprach noch eine halbe Stunde weiter. Als er geendet hatte, sagte Senatorin van Luven: »Mr. Kingsley, ich möchte Sie bitte in meinem Büro sprechen. Die Sitzung ist vertagt.«
Das Büro von Senatorin van Luven war von Haus aus genauso steril und unpersönlich wie jedes andere - ein Schreibtisch, ein Tisch, sechs Stühle und eine Reihe Aktenschränke -, doch mit ein paar farbenfrohen Wandbehängen, Bildern und Fotos hatte sie ihm eine ureigene, weibliche Note verliehen.
Als Tanner eintrat, stellte er fest, dass sich neben der Senatorin noch zwei weitere Frauen in dem Büro aufhielten.
»Das sind meine Assistentinnen, Corinne Murphy und Karolee Trost.«
Corinne Murphy, eine junge, attraktive Rothaarige, und Karolee Trost, eine zierliche Blondine, beide etwa Mitte zwanzig, saßen links und rechts neben der Senatorin. Beide waren sichtlich fasziniert von Tanner.
»Nehmen Sie Platz, Mr. Kingsley«, sagte Senatorin van Luven.
Tanner setzte sich. Die Senatorin musterte ihn einen Moment lang. »Offen gestanden verstehe ich Sie nicht.«
»Ach, wirklich? Das wundert mich, Senatorin. Ich dachte, ich hätte mich klar und deutlich ausgedrückt. Ich habe den Eindruck .«
»Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Aber Ihr Unternehmen, die Kingsley International Group, hat von unserer Regierung zahlreiche Aufträge bekommen, und dennoch kritisieren Sie die Umweltpolitik ebendieser Regierung. Ist das nicht schlecht fürs Geschäft?«
»Hier geht’s nicht ums Geschäft, Senatorin«, erwiderte Tanner kühl. »Hier geht es um Menschenleben. Wir stehen am Beginn einer Katastrophe von globalem Ausmaß. Ich versuche, den Senat dazu zu bringen, dass er die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt, um dies zu verhindern.«
»Ein Teil dieser Mittel könnte auch Ihrem Unternehmen zugute kommen, nicht wahr?« versetzte Senatorin van Luven.
»Wer diese Mittel bekommt, ist mir völlig egal. Mir geht es nur darum, dass man etwas unternimmt, bevor es zu spät ist.«
»Das ist bewundernswert«, warf Corinne Murphy ein.
»Sie sind ein sehr ungewöhnlicher Mensch.«
Tanner wandte sich ihr zu. »Miss Murphy, wenn Sie damit ausdrücken wollen, dass die Mehrzahl der Menschen anscheinend meint, dass Geld wichtiger ist als Moral, dann muss ich Ihnen leider Recht geben.«
Karolee Trost ergriff das Wort. »Ich finde es wunderbar, wie Sie Ihr Anliegen vertreten.«
Senatorin van Luven warf ihren Assistentinnen einen missbilligenden Blick zu und wandte sich dann an Tanner.
»Ich kann Ihnen nichts versprechen, aber ich werde mit meinen Kollegen reden und mich nach ihren Auffassungen zum Thema Umweltschutz erkundigen. Ich melde mich wieder bei Ihnen.«
»Vielen Dank, Senatorin. Dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden.« Er zögerte einen Moment. »Wenn Sie mal nach Manhattan kommen, könnte ich Sie in der KIG herumführen und Ihnen unser Unternehmen zeigen. Ich glaube, das könnte Sie interessieren.«
Senatorin van Luven nickte kurz und unverbindlich. »Ich sage Ihnen Bescheid.«
Damit war das Gespräch beendet.
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Sobald sich herumsprach, dass Mark tot war, gingen bei Kelly zahllose Anrufe, E-Mails und Blumen ein. Der Erste, der sich meldete, war Sam Meadows, ein Freund und Kollege von Mark.