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Tanner saß unterdessen im Flur und wartete. Als endlich einer der Ärzte aus Andrews Zimmer kam, sprang er auf.

»Er wird doch wieder gesund, nicht wahr?«

Der Arzt zögerte einen Moment. »Wir werden ihn unverzüglich zu weiteren Untersuchungen ins Walter-Reed-Hospital der Army in Washington verlegen. Aber offen gestanden, Mr. Kingsley, haben wir keine allzu große Hoffnung.«

»Was zum Teufel soll das heißen?«, schrie Tanner ihn an.

»Natürlich wird er wieder gesund. Er war doch nur ein paar Minuten im Labor.«

Der Arzt wollte ihn zurechtweisen, doch als er aufblickte, sah er, dass Tanner die Tränen in den Augen standen.

Tanner begleitete seinen bewusstlosen Bruder, der mit einer Sanitätsmaschine nach Washington gebracht wurde, und redete ihm während des Fluges in einem fort gut zu. »Die Ärzte sagen, sie kriegen dich wieder hin ... Sie werden dir etwas geben, damit du wieder gesund wirst . Du brauchst lediglich ein bisschen Ruhe.« Tanner legte die Arme um seinen Bruder. »Bis du nach Schweden musst, um unseren Nobelpreis in Empfang zu nehmen, wird’s dir wieder gut gehen.«

In den nächsten drei Tagen schlief Tanner auf einer Liege in Andrews Zimmer und blieb an seiner Seite, solange es die Ärzte erlaubten. Jetzt saß er im Wartezimmer des Walter-Reed-Hospitals, als einer der behandelnden Ärzte auf ihn zukam.

»Wie geht es ihm?«, fragte Tanner. »Wird er ...?« Er sah den Gesichtsausdruck des Arztes. »Was ist los?«

»Ich fürchte, es steht sehr schlecht um ihn. Ihr Bruder hat Glück, dass er noch am Leben ist. Das Gas, das bei dem Experiment zum Einsatz kam, ist extrem giftig.«

»Wir können Ärzte aus .«

»Das nützt nicht. Ich fürchte, das Gift hat die Gehirnzellen Ihres Bruders geschädigt.«

Tanner zuckte zusammen. »Aber gibt es denn kein Heilmittel für . für das, was ihm fehlt?«

»Mr. Kingsley«, erwiderte der Arzt bissig, »die Army hat noch nicht einmal einen Namen für den Stoff, und Sie wollen wissen, ob es ein Medikament dagegen gibt? Nein. Tut mir Leid. Ich fürchte - er wird nie wieder der Alte werden.«

Tanner stand kreidebleich und mit geballten Fäusten da.

»Ihr Bruder ist jetzt wach. Sie können zu ihm gehen, aber nur für ein paar Minuten.«

Als Tanner in das Krankenzimmer kam, hatte Andrew die Augen aufgeschlagen. Mit ausdrucksloser Miene starrte er seinen Besucher an.

Dann klingelte das Telefon; Tanner ging hin und nahm den Hörer ab. General Barton war am Apparat. »Es tut mit furchtbar Leid, was mit Ihrem Bruder passiert ...«

»Sie Dreckskerl! Sie haben mir doch erklärt, dass mein Bruder nicht gefährdet ist.«

»Ich weiß nicht, was schief gegangen ist, aber ich versichere Ihnen .«

Tanner knallte den Hörer auf die Gabel. Dann hörte er die Stimme seines Bruders und drehte sich um.

»Wo ... wo bin ich?«, murmelte Andrew.

»Du bist im Walter-Reed-Hospital in Washington.«

»Warum? Wer ist denn krank?«

»Du, Andrew.«

»Was ist passiert?«

»Bei dem Experiment ist irgendetwas schief gegangen.«

»Ich kann mich nicht erinnern .«

»Ist schon gut. Keine Sorge. Es wird dir hier an nichts fehlen. Dafür werde ich sorgen.«

Tanner sah, wie Andrew die Augen schloss. Er warf einen letzten Blick auf seinen Bruder, der teilnahmslos im Bett lag, und verließ dann das Zimmer.

Die Prinzessin schickte Blumen ins Krankenhaus. Tanner wollte sie anrufen, aber seine Sekretärin sagte: »Sie hat eine Nachricht hinterlassen. Sie musste verreisen. Aber sie meldet sich, sobald sie zurück ist.«

Eine Woche später waren Andrew und Tanner wieder in New York. In Windeseile hatte sich bei der KIG herumgesprochen, was Andrew zugestoßen war, und alle Mitarbeiter fragten sich, ob das Unternehmen ohne ihn weiterbestehen würde. Der Ruf der KIG würde auf jeden Fall Schaden nehmen, wenn der Unfall öffentlich bekannt wurde.

Das spielt keine Rolle, dachte Tanner. Ich werde sie zur größten Denkfabrik der Welt ausbauen. Jetzt kann ich der Prinzessin mehr geben, als sie zu träumen wagte. In ein paar Jahren ...

Tanners Sekretärin meldete sich über die Gegensprechanlage. »Ein Herr in Livrée möchte Sie sprechen, Mr. Tanner.«

Tanner hatte nicht die geringste Ahnung, wer der Mann sein könnte. »Schicken Sie ihn rein.«

Ein Chauffeur in Uniform kam herein, einen Briefumschlag in der Hand hatte. »Mr. Tanner Kingsley?«

»Ja.«

»Man hat mich gebeten, Ihnen das hier persönlich auszuhändigen.«

Er reichte Tanner den Umschlag und ging wieder.

Tanner betrachtete den Umschlag und grinste. Er erkannte die Handschrift der Prinzessin. Offenbar wollte sie ihn mit irgendetwas überraschen. Gespannt riss er den Umschlag auf. In dem Brief stand:

Es geht einfach nicht, mein Liebster. Ich brauche mehr, als du mir zurzeit geben kannst, deshalb werde ich jemanden heiraten, der dazu in der Lage ist. Ich liebe dich und werde dich immer lieben. Ich weiß, dass du es nur schwer begreifen wirst, aber das, was ich tue, ist für uns beide das Beste.

Tanner war leichenblass geworden. Er starrte eine ganze Zeit lang auf den Brief, dann warf er ihn wütend in den Papierkorb.

Sein Triumph kam einen Tag zu spät.

18

Tanner saß tags darauf an seinem Schreibtisch, als sich seine Sekretärin über die Gegensprechanlage bei ihm meldete.

»Hier ist eine Abordnung, die Sie sprechen möchte, Mr. Kingsley.«

»Eine Abordnung?«

»Ja, Sir.«

»Schicken Sie sie rein.«

Mehrere Abteilungsleiter von KIG kamen in Tanners Büro. »Wir würden gern mit Ihnen sprechen, Mr. Kingsley.«

»Nehmen Sie Platz.«

Sie setzten sich.

»Worum geht es?«

»Nun ja«, sagte einer der Abteilungsleiter, »wir machen uns Sorgen. Nach dem, was Ihrem Bruder widerfahren ist ... Wird die KIG im Geschäft bleiben?«

Tanner schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Im Moment bin ich noch wie vor den Kopf geschlagen. Ich kann noch immer nicht fassen, was Andrew zugestoßen ist.« Er dachte einen Moment lang nach. »Ich sage Ihnen, was ich tun werde. Ich kann nicht voraussagen, ob es uns gelingt, aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, damit wir uns über Wasser halten können. Das verspreche ich Ihnen. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.«

Die Männer murmelten ein paar Dankesworte und zogen wieder ab.

An dem Tag, an dem Andrew aus dem Krankenhaus entlassen wurde, quartierte ihn Tanner in einem der kleinen Häuser auf dem Firmengelände ein, die zur vorübergehenden Unterbringung von Mitarbeitern gedacht waren. Dort wurde er gut versorgt, und er erhielt ein Büro unmittelbar neben Tanners. Die Angestellten waren erschüttert, als sie sahen, was aus Andrew geworden war. Der einstmals hellwache, blitzgescheite Wissenschaftler wirkte wie ein Zombie. Den Großteil des Tages saß er in einem Sessel, döste vor sich hin und schaute gelegentlich aus dem Fenster, war aber allem Anschein nach froh, dass er wieder in der KIG war, auch wenn er kaum begriff, was vor sich ging. Sämtliche Mitarbeiter waren tief berührt davon, wie liebevoll Tanner seinen Bruder behandelte und wie fürsorglich er sich um ihn kümmerte.

Das Betriebsklima bei der KIG veränderte sich nahezu über Nacht. Als Andrew die Firma geleitet hatte, war es eher leger zugegangen; jetzt war der Umgang weitaus förmlicher, und statt der Arbeit zum Wohle der Menschheit stand ab sofort der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund. Tanner schickte Vertreter los, die Kunden für das Unternehmen gewinnen sollten, und binnen kurzer Zeit blühte die KIG regelrecht auf.

Die Nachricht vom Abschiedsbrief der Prinzessin hatte sich im Nu in der ganzen Firma herumgesprochen. Die Mitarbeiter, die bereits Vorbereitungen für die Hochzeitsfeier getroffen hatten, fragten sich, wie Tanner diesen Schlag wegstecken würde. Es gab allerlei Spekulationen darüber, was er machen würde, nachdem er sitzen gelassen worden war.