»Ja, bitte.«
»Einen Moment.«
Eine Frauenstimme meldete sich. »Heidi Frank. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Dianes Herz schlug einen Takt schneller. »Susan Stratford. Ich bin Reporterin beim Wall Street Journal. Wir arbeiten gerade an einer Reportage über die tragischen Todesfälle einiger Mitarbeiter der KIG. Ich wollte Sie gern um ein kurzes Gespräch bitten.«
»Ich weiß nicht recht .«
»Es geht nur um ein paar Hintergrundinformationen.«
Tanner hörte gespannt zu.
»Wie wär’s, wenn wir uns zum Mittagessen treffen? Hätten Sie heute Zeit?«
»Nein, tut mir Leid.«
»Dann vielleicht zum Abendessen?«
Die Antwort klang leicht zögerlich. »Ja, ich glaube, das ließe sich einrichten.«
»Wo wollen wir uns treffen?«
»Wie wär’s mit dem Rockendorf? Ein sehr gutes Restaurant. Dort könnten wir uns treffen.«
»Gern, danke.«
»Um halb neun?«
»Um halb neun.«
Lächelnd hängte Diane den Hörer ein.
Tanner wandte sich an Andrew. »Ich habe mich zu einem Schritt entschieden, den ich von Anfang an hätte tun sollen. Ich werde Greg Holliday anrufen und ihn auf die Sache ansetzen. Er hat mich noch nie hängen lassen. Er ist zwar ein ziemlich aufgeblasener Kerl. Nimmt einen aus bis aufs Blut, aber« - er rang sich ein schmales Lächeln ab - »er bringt auch die entsprechende Gegenleistung.«
37
Kelly zögerte kurz, als sie auf die Tür von Sam Meadows’ Apartment in der Rue du Bourg-Tibourg Nummer 14 im vierten Arrondissement zuging. Jetzt, da sich die Hetzjagd dem Ende näherte, würde sie endlich ein paar Erklärungen bekommen. Aber sie stellte fest, dass sie davor zurückschreckte, Angst davor hatte, sie zu hören.
Kelly klingelte. Sobald die Tür geöffnet wurde und Sam Meadows vor ihr stand, verflog ihre Furcht. Sie war nur noch froh und erleichtert, als sie den Mann sah, der Mark so nahe gestanden hatte.
»Kelly!« Er schloss sie in die Arme und zog sie an seine Brust.
»Oh, Sam.«
Er ergriff ihre Hand. »Komm rein.«
Kelly trat in die reizende Zweizimmerwohnung, die sich in einem hochherrschaftlichen Haus befand, das einst einer französischen Adelsfamilie gehört hatte.
Das Wohnzimmer war geräumig und mit eleganten französischen Möbeln eingerichtet, und in einer kleinen Nische befand sich eine mit eigenartigen Schnitzereien verzierte Bar aus Eichenholz. An den Wänden hingen Zeichnungen von Man Ray und Adolf Wölfli.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich Marks Tod erschüttert hat«, sagte Sam betreten.
Kelly tätschelte seinen Arm. »Ich weiß«, flüsterte sie.
»Es ist einfach unfassbar.«
»Ich versuche herauszufinden, was passiert ist«, sagte Kelly. »Deshalb bin ich hier. Ich hoffe, du kannst mir weiterhelfen.«
Voller Erwartung, aber auch von banger Ahnung erfüllt, nahm sie auf der Couch Platz.
Sams Miene verdüsterte sich. »Anscheinend weiß keiner die ganze Geschichte. Mark war mit einem Geheimprojekt befasst. Offenbar hat er mit zwei, drei anderen Angestellten der KIG zusammengearbeitet. Man sagt, er habe Selbstmord begangen.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Kelly scharf.
»Ich auch nicht.« Sein Tonfall wurde sanfter. »Und weißt du auch, aus welchem Grund? Wegen dir.«
Kelly schaute Sam fragend an. »Ich verstehe nicht recht .«
»Jemanden, der so bezaubernd ist wie du, würde Mark niemals allein lassen. So was würde doch kein Mann fertig bringen.« Er kam näher. »Das, was passiert ist, ist eine große Tragödie, Kelly, aber das Leben muss weitergehen, nicht wahr?« Er ergriff ihre Hand. »Wir alle brauchen jemanden, nicht wahr? Er ist weg, aber ich bin noch da. Eine Frau wie du braucht einen Mann.«
»Eine Frau wie ich ...?«:
»Mark hat mir erzählt, wie leidenschaftlich du bist. Er hat gesagt, du bist ganz versessen darauf.«
Kelly musterte ihn entgeistert. So etwas hätte Mark niemals gesagt. Niemals hätte er mit jemand anderem so über sie gesprochen.
Sam legte ihr den Arm um die Schulter. »Ja. Mark hat mir erzählt, dass du richtig scharf darauf bist. Er hat mir immer gesagt, wie klasse du im Bett bist.«
Kelly bekam es plötzlich mit der Angst zu tun.
»Und noch was, Kelly, falls es dir ein Trost ist«, sagte Sam.
»Mark musste nicht leiden.«
Sie schaute Sam Meadows in die Augen, und mit einem Mal wusste sie Bescheid.
»In ein paar Minuten gibt es was zu essen«, sagte Sam.
»Warum gehen wir nicht kurz ins Bett? Dann haben wir hinterher mehr Appetit.«
Kelly war einer Ohnmacht nahe. Trotzdem rang sie sich ein Lächeln ab. »Klingt nicht schlecht.« Sie dachte fieberhaft nach. Er war zu groß und zu kräftig, als dass sie gegen ihn ankam, und außerdem hatte sie nichts, mit dem sie sich zur Wehr setzen könnte. Er fing an, sie zu betatschen. »Weißt du, du hast einen klasse Arsch, Baby. Ich steh auf so was.«
Kelly lächelte. »Aha?« Sie schnupperte. »Ich bin hungrig. Irgendetwas riecht hier ganz köstlich.«
»Das ist unser Abendessen.«
Ehe er sie aufhalten konnte, stand Kelly auf und ging zur Küche. Als sie am Esstisch vorbeikam, erschrak sie. Der Tisch war für eine Person gedeckt.
Kelly wandte sich um und blickte ins Wohnzimmer, wo Sam gerade zur Tür ging und den Schlüssel umdrehte. Sie sah, wie er ihn abzog und in die Kommodenschublade legte.
Kelly blickte sich in der Küche nach einer Waffe um. Sie hatte keine Ahnung, in welcher Schublade die Messer lagen. Auf der Arbeitsplatte lag eine Packung Cappellini. Auf dem Herd stand ein Topf mit brodelndem Wasser, daneben ein kleinerer Topf, in dem eine rote Soße vor sich hin köchelte.
Sam kam in die Küche und schlang die Arme um Kelly.
Sie tat so, als beachtete sie ihn nicht. Sie schaute auf die Soße am Herd. »Sieht ja wunderbar aus.«
Er streichelte ihren Körper. »Ist es auch. Was magst du denn im Bett am liebsten, Baby?«
Kellys Gedanken überschlugen sich. »Alles«, sagte sie leise. »Mit Mark habe ich immer was gemacht, das ihn schier zum Wahnsinn getrieben hat.«
Sam strahlte sie erwartungsvoll an. »Was war das?«
»Ich habe einen nassen, warmen Waschlappen genommen .«
Sie griff zu einem weichen Wischtuch, das auf der Spüle lag. »Ich zeig’s dir. Zieh die Hose aus.«
Sam Meadows grinste. »Wird gemacht.« Er löste den Gürtel und ließ die Hose zu Boden fallen. Er trug Boxershorts.
»Jetzt die Unterhose.«
Er ließ die Shorts fallen, unter der sein pralles Glied zum Vorschein kam.
»Oho«, sagte Kelly bewundernd. Sie nahm das weiche Tuch in die linke Hand und ging auf ihn zu. Mit der rechten ergriff sie den Topf mit dem kochenden Wasser und kippte den Inhalt über seine Genitalien.
Kelly konnte immer noch seine Schreie hören, als sie den Schlüssel aus der Kommode holte, die Tür aufschloss und davonrannte.
38
Das Rockendorf, dessen Jugendstilinterieur von der Pracht und dem Reichtum des alten Berlin kündete, war eines der besten Restaurants in ganz Deutschland.
Als Diane hineinging, wurde sie vom Oberkellner in Empfang genommen. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich habe einen Tisch reserviert. Auf den Namen Stevens. Ich bin hier mit einer Frau Frank verabredet.«
»Hier entlang, bitte.«
Der Oberkellner geleitete sie zu einem Ecktisch. Diane blickte sich vorsichtig um. Rund vierzig Gäste hielten sich in dem Restaurant auf, zumeist Geschäftsleute. An einem Tisch gegenüber saß ein attraktiver, gut gekleideter Mann, der allein speiste.