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In einer ganzen Reihe von Messstationen des National Weather Service, von Anchorage in Alaska bis Miami, Florida, starrten die Meteorologen ungläubig auf ihre Computerschirme. Was da draußen vor sich ging, war schlichtweg unmöglich, und doch sahen sie es mit eigenen Augen.

Andrew, der nach wie vor in dem roten Ziegelbau am Computer saß, war dankbar dafür, dass er der Welt wenigstens noch einen Gefallen tun konnte. Vorsichtig dirigierte er einen schweren Tornado, den er erzeugt hatte, nach oben, in höhere Luftschichten - höher und immer höher ...

Tanner warf gerade einen Blick aus dem Fenster der wild umhergeworfenen Maschine, als er über das Heulen des Sturmwinds hinweg das unverkennbare Donnern eines nahenden Tornados hörte - als käme ein Güterzug mit 350 Stundenkilometern angerast. Tanners Wangen waren gerötet, und er zitterte förmlich vor Aufregung, während er den Wirbelwind beobachtete, der auf das Flugzeug zuhielt.

»Schau dir das an!«, schrie er begeistert. »In dieser Höhe gab’s noch nie einen Tornado. Niemals! Ich habe ihn erschaffen! Es ist ein Wunder! Nur Gott und ich können .«

Andrew betätigte einen Schalter und wandte sich dem Bildschirm zu, als das Flugzeug zerbarst und Wrackteile und Leichen vom Himmel regneten.

Dann drückte Andrew Kingsley dreimal auf den roten Knopf.

46

Kelly und Diane hatten sich gerade angezogen, als Grace Seidel an die Tür klopfte. »Das Frühstück steht für euch bereit.«

»Wir kommen«, rief Kelly.

»Hoffentlich hat unser kleiner Trick funktioniert. Mal sehen, ob Grace eine Morgenzeitung hat.«

Sie traten aus ihrem Zimmer. Zu ihrer Rechten befand sich ein Aufenthaltsraum, in dem einige Gäste vor dem Fernseher saßen. Als Kelly und Diane auf dem Weg zum Esszimmer daran vorbeikamen, hörten sie, wie ein Nachrichtenmoderator sagte:

Laut der uns vorliegenden Berichte gab es keine Überlebenden. Neben dem Piloten, dem Co-Piloten und einem Steward waren auch Tanner Kingsley und die ehemalige Senatorin Pauline van Luven an Bord der Maschine.

Die beiden Frauen erstarrten. Sie blickten einander an, wandten sich um und gingen in den Aufenthaltsraum. Auf dem Bildschirm waren Außenaufnahmen der KIG-Zentrale zu sehen.

Die Kingsley International Group stellt die größte Denkfabrik der Welt dar und besitzt Niederlassungen in rund dreißig Ländern. Einem Bericht des Wetteramtes zufolge kam es über dem Südpazifik, in einem Gebiet, in dem Tanner Kingsley mit seiner Privatmaschine unterwegs war, zu einem unerwartet heftigen Gewittersturm. Pauline van Luven war bis vor kurzem Vorsitzende des Senatsausschusses für Umweltfragen ...

Diane und Kelly hörten gespannt zu.

In diesem Zusammenhang ereignete sich ein weiterer rätselhafter Zwischenfall, mit dessen Aufklärung die Polizei zurzeit befasst ist. Zahlreiche Pressevertreter waren heute zu einer Dinnerparty eingeladen, bei der sie Prima besichtigen sollten, einen von der KIG entwickelten Computer, mit dem man angeblich das Wetter beeinflussen kann. Doch gestern ereignete sich in einem Nebengebäude der KIG-Niederlassung eine Explosion, bei der Prima zerstört wurde. Mitarbeiter der Feuerwehr fanden in den Trümmern den Leichnam von Andrew Tanner. Bislang geht man davon aus, dass er das einzige Opfer ist.

»Tanner Kingsley ist tot«, sagte Diane.

»Sagen Sie das noch mal. Aber langsam.«

»Tanner Kingsley ist tot.«

Kelly atmete vor Erleichterung tief durch. Dann schaute sie Diane an und lächelte. »Nach dem hier wird das Leben bestimmt langweilig.«

»Das will ich doch hoffen«, erwiderte Diane. »Hätten Sie Lust, heute Nacht im Waldorf-Astoria Towers zu schlafen?«

Kelly grinste. »Ich hätte nichts dagegen.«

Als sie sich von Grace Seidel verabschiedeten, nahm sie Kelly in die Arme und sagte: »Du bist jederzeit herzlich willkommen.«

Mit keinem Wort erwähnte sie das Geld, das man ihr angeboten hatte.

In der Präsidenten-Suite des Waldorf Towers deckte ein Kellner den Tisch fürs Abendessen. Er wandte sich an Diane:

»Sie sagten doch, dass für vier Personen gedeckt werden soll?«

»Ganz recht.«

Kelly warf ihr einen Blick zu, sagte aber nichts.

Diane wusste, was sie dachte. Als sie sich am Tisch niederließen, sagte Diane: »Kelly, ich glaube nicht, dass wir das allein geschafft hätten. Ich glaube, wir hatten ein bisschen Hilfe.« Sie hob ihr Sektglas und wandte sich dem leeren Stuhl neben ihr zu. »Danke, Richard. Ich liebe dich.«

Als sie das Glas zum Mund führen wollte, sagte Kelly:

»Einen Moment.«

Diane drehte sich zu ihr um.

Kelly nahm ebenfalls ihr Sektglas und blickte zu dem leeren Stuhl neben ihr. »Mark, ich liebe dich so sehr. Vielen Dank.«

Dann tranken sie einen Schluck.

Kelly lächelte und sagte: »Das hat gut getan. Tja, wie geht’s jetzt weiter?«

»Ich fahre nach Washington und teile dem FBI alles mit, was ich weiß.«

Kelly berichtigte sie. »Wir fahren nach Washington und teilen ihnen alles mit, was wir wissen.«

Diane nickte. »Genau.« Nachdenklich fügte sie hinzu:

»Ich glaube, wir haben gute Arbeit geleistet. Unsere Männer wären stolz auf uns.«

»Richtig«, sagte Kelly. »Wir haben diese Sache aufgeklärt. Dabei sprach alles gegen uns. Wissen Sie, was wir machen sollten?«

»Was denn?«

»Unsere eigene Detektei eröffnen.«

Diane lachte. »Sie machen Witze.«

Kelly schenkte ihr ein versonnenes Lächeln. »Tu ich das?«

Nach dem Essen setzten sie sich vor den Fernseher und schauten sich die Berichte über Tanner Kingsleys Tod an, die auf sämtlichen Sendern liefen. »Wissen Sie«, sagte Kelly nach einer Weile nachdenklich, »wenn man einer Schlange den Kopf abschlägt, stirbt sie.«

»Was soll das heißen?«

»Das werden wir gleich herausfinden.« Kelly ging zum Telefon. »Ich möchte einen Anruf nach Paris anmelden.«

Fünf Minuten später hörte sie die Stimme von Nicole Paradis. »Kelly! Kelly! Ich bin ja so froh, dass Sie sich melden, Kelly!«

Kelly wurde bang ums Herz. Sie wusste, was sie als Nächstes zu hören bekommen würde. Angel war getötet worden.

»Ich wusste nicht, wie ich Sie erreichen kann.«

»Haben Sie die Nachrichten gehört?«

»Alle Welt hat die Nachrichten gehört. Jérôme Malo und Alphonse Girouard haben ihre Sachen gepackt und sich in aller Eile abgesetzt.«

»Und was ist mit Philippe und seiner Familie?«

»Sie kommen morgen zurück.«

»Das ist ja wunderbar.«

Kelly fürchtete sich vor der nächsten Frage. »Und Angel?«

»Ich habe Angel in meinem Apartment. Sie wollten sie als Köder benutzen, um Sie gefügig zu machen.«

Kelly strahlte mit einem Mal. »Oh, das ist wunderbar.«

»Was soll ich mit ihr machen?«

»Schicken Sie sie mit dem nächsten Air-France-Flug nach New York. Sagen Sie mir Bescheid, wann sie hier eintrifft, dann hole ich sie am Flughafen ab. Sie können mich hier im Waldorf Towers anrufen.«

»Ich kümmere mich darum.«

»Danke.« Kelly legte den Hörer auf.

Diane hatte mitgehört. »Angel ist unversehrt?«

»Ja.«

»Oh, das ist ja großartig!«

»Nicht wahr? Ich bin ganz aufgeregt. Übrigens, was wollen Sie mit Ihrem Anteil anstellen?«

Diane schaute sie an. »Was?«

»Die KIG hat doch eine Belohnung von fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Ich glaube, die geht an uns.«

»Aber Kingsley ist tot.«

»Ich weiß, aber nicht die KIG.«

Sie lachten.

»Was haben Sie vor, nachdem wir in Washington waren?«, fragte Kelly. »Wollen Sie wieder anfangen zu malen?«