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Cranston nickte.

»Meine Leute haben die Siegel erbrochen«, erklärte Gaunt. »Wir haben sein Haus durchsucht, aber wir fanden keinen Hinweis darauf, daß Sturmey einen zweiten Satz Schlüssel angefertigt hätte.«

»Und doch hat er es getan«, erwiderte Cranston.

»Woher wißt Ihr das?« blaffte Goodman böse.

»Warum sonst sollte er umgebracht worden sein?«

Goodman verzog das Gesicht.

»Ich glaube«, fuhr Cranston langsam fort, »daß Sturmey erpreßt wurde. Wie viele solche Männer hat er ein Doppelleben geführt.«

Athelstan entdeckte einen Schimmer von Angst in den Augen Goodmans, aber der Bürgermeister senkte gleich den Kopf, und Cranston redete weiter.

»Euer Gnaden, ich könnte jeden der hier Anwesenden - mit Eurer Erlaubnis, natürlich - fragen, wo er sich gestern nachmittag aufgehalten hat, als der Lord Sheriff und Meister Sturmey ermordet wurden. Aber ich habe den Verdacht, daß nichts dabei herauskommen würde.«

»Allerdings«, näselte Denny. »Wir waren alle beschäftigt, Mylord Coroner. Auch wenn Sir Gerard Mountjoy herumsitzen, Wein trinken und sich mit seinen Hunden unterhalten konnte.«

Athelstan griff unter dem Tisch nach Cranstons Handgelenk, und der Coroner schluckte die Frage, die er stellen wollte, rasch herunter.

»Dann frage ich mich, Euer Gnaden«, sagte er statt dessen, »warum man mich herbefohlen hat. Gibt es Neuigkeiten?«

»Ja, zwei«, antwortete Gaunt. »Zum einen: Eine Proklamation ist an das Rathaustor genagelt worden. Eine schlichte Botschaft von Ira Dei. Sie lautet: ›Tod folgt Tod.‹ Wie deutet Ihr das, Sir John? Oder sollte ich Bruder Athelstan fragen, der so seltsam still ist?«

Der Ordensbruder trommelte sanft mit den Fingern auf der Tischplatte. »Es ist die Warnung, Euer Gnaden, daß noch jemand in diesem Raum ermordet werden könnte.« Athelstan schaute in die Runde der Gildeherren, aber seine Antwort schien sie nicht zu beruhigen.

»Ist denn noch ein Mord geschehen?« fragte Cranston. »Wo ist Lord Clifford?«

»Ein dritter war geplant«, antwortete Gaunt. »Lord Adam wurde heute morgen unweit der Bread Street von ein paar Übeltätern überfallen, aber gottlob ist ihm die Flucht gelungen. Jetzt ruht er sich in seinem Stadthaus aus. Ich schlage vor, daß Ihr ihn dort besucht.«

»Ist das alles?«

»Oh nein.« Gaunt stand rasch auf, ohne Athelstan aus den Augen zu lassen. »Du, Bruder, bist ein treuer Diener der Krone?«

»Gottes und der Krone, jawohl.« Er versuchte, seine Panik niederzukämpfen; er war der eigentliche Grund, weshalb diese mächtigen Männer Cranston hatten sehen wollen, und er ahnte schon halb, was sich hinter der selbstgefälligen Genugtuung ihrer Mienen verbarg. Gaunt stand da und zwirbelte seinen Schnurrbart zwischen Daumen und Zeigefinger.

»Bruder, dieser Ira Dei ist an dich herangetreten. Du arbeitest als Priester bei den Armen von Southwark. Du bist, was seltsam genug ist, sehr beliebt und geachtet. Wenn wir dich dazu aufforderten, ja, wenn der König es befehlen wollte, würdest du Ira Dei dann antworten, in die Große Gemeinschaft des Reiches eintreten und …«

»Sie verraten?« fauchte Athelstan.

»Euer Gnaden!« rief Cranston und stieß seinen Stuhl zurück. »Dieses Ansinnen ist ebenso töricht wie unbedacht. Bruder Athelstan ist mein Secretarius. Ich aber bin ein Beamter der Krone. Man würde ihm immer mißtrauen.«

Gaunt schüttelte den Kopf. »Sir John, Ihr widersprecht Euch«, sagte er, sorgsam seine Worte wählend. »Gestern habt Ihr und Bruder Athelstan noch behauptet, Ira Dei oder einer seiner Schergen sei bei meinem Bankett gewesen. Wenn diese sogenannte Große Gemeinschaft des Reiches sogar die Mächtigsten zu Verrätern machen kann, warum sollte es dann nicht mit einem Dominikaner gelingen, der unter den Armen lebt?«

»Ja, warum nicht?« ergriff Goodman das Wort, und Cranston stöhnte, als er begriff, wie er und Athelstan in diese raffinierte Falle getappt waren.

»Sir John - wie denkt Ihr eigentlich in dieser Sache?« fuhr Goodman fort. »Seid Ihr nicht für die Armen? Tretet Ihr nicht für Reformen in der Stadt und in den Grafschaften ein? Für die Entlastung der Kleinhändler und Bauern?«

»Ihr könnt mich nicht zwingen«, unterbrach Athelstan leise. »Mein Gehorsam gilt Gott und meinem Pater Superior.«

»Und deine Treue zur Krone?« rief Gaunt. »Was deinen Pater Superior angeht, so habe ich seine Erlaubnis übrigens schon.«

»Euer Gnaden, Ihr könnt mich nicht zwingen, gegen mein Gewissen zu handeln.«

Gaunt setzte sich wieder und streckte lächelnd die beringten Hände aus. »Aber, aber, Bruder, was verlangen wir denn? Wir wollen doch nicht, daß du zum Verräter wirst - weder an der Krone noch an der sogenannten Großen Gemeinschaft noch an dir selbst.«

»Was wollt Ihr dann?« fragte Cranston leise.

»Nicht viel«, antwortete Gaunt. »Ira Dei ist mit Bruder Athelstan in Verbindung getreten. Soll unser treuer und loyaler Bruder doch zurückschreiben. Wer weiß? Vielleicht läßt sich der geheimnisvolle Verräter in die Karten schauen?« Gaunt lächelte. »Sicher ist der Verräter kein Dummkopf, und er würde Athelstan nie vertrauen. Aber wie es im alten Sprichwort heißt, Sir John: Keiner kann wissen, was vom Apfelbaum fallt, bevor er ihn schüttelt.«

Athelstan preßte die Lippen zusammen; er wollte sich auf nichts weiter einlassen und machte seinem Zorn erst Luft, als sie die Ratskammer verlassen hatten und im Erdgeschoß des Hauses waren. Cranston war heiterer gestimmt, nicht zuletzt, weil er wieder einen Schluck aus seinem Weinschlauch genommen hatte.

»Nur Mut, Bruder.« Er klopfte Athelstan auf die Schulter. »Vergiß nicht, der Lord Regent muß verzweifelt sein.«

Athelstan blieb am Fuße der Treppe stehen. »Diese Zusammenkunft war ganz fruchtbar, Sir John, nicht wahr?«

Cranston grinste. »Ja. Zwei saftige Happen. Erstens: Woher wußte Denny, daß der Lord Sheriff Wein trank und sich mit seinen Hunden unterhielt? Eine ziemlich eingehende Beobachtung von jemandem, der angeblich nie in die Nähe des Lord Sheriffs kam, wenn dieser sich in seinem Privatgarten sonnte.«

»Und Goodmans Verlegenheit?« fragte Athelstan.

»Ja, ja. Ich glaube, unser toter Schlossermeister hatte ein dunkles Geheimnis, das unser Herr Bürgermeister kennt.« Cranston warf Athelstan einen scharfen Blick zu. »Da ist aber noch etwas, nicht wahr, Bruder?«

Der Bruder schaute weg, aber Cranston sah den Aufruhr in seinem sorgenvollen Blick. Athelstan murmelte etwas.

»Wie bitte, Bruder?«

»Sagt, Sir John, der Lord Regent hat eine Legion von Spionen, nicht wahr?«

»Legion ist das richtige Wort, Bruder. Eher noch ein Schwärm Ameisen, der in der ganzen Stadt umherwimmelt. Niemandem kann man trauen, nicht einmal Leuten wie Leif, dem Bettler. Es sind keine bösen Menschen; sie sind einfach so arm, daß man sie leicht kaufen kann.« Cranston kam näher, und Athelstan bemühte sich, nicht vor dem Weindunst zurückzuweichen. »Du fragst dich natürlich«, flüsterte der Coroner, »wieviel Gaunt über Ira Dei weiß.«

Athelstan wollte antworten, als sie ein Geräusch hörten; sie drehten sich um und erblickten hinter sich Sir Nicholas Hussey, den Lehrer des Königs.

»Mylord Coroner, Bruder Athelstan.« Der glatte, silberhaarige Höfling verbeugte sich leicht. »Wir haben gehört, daß Ihr im Rathaus seid. Seine Gnaden, der König, bittet Euch um einen Augenblick Eurer Zeit.«

Athelstan warf einen verwunderten Blick auf diesen dunkelhäutigen Gelehrten, der von Beruf Rechtsanwalt war. Jetzt wurde spürbar, wie Hussey den König im stillen beherrschte und wie raffiniert er den Knaben manipulierte. Athelstan sah die strahlend blauen Augen des Mannes, klar wie der Himmel an einem Sommertag. Er sah auch die Verschlagenheit und erkannte rasch, daß Hussey womöglich noch gefährlicher war als der Regent, den sie eben verlassen hatten. Auch Cranston blieb stumm und überlegte, wieviel Hussey wohl gehört hatte. Dann lächelte er.