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»Das ist wunderschön!« rief sie.

Athelstan deutete auf die kleine, umfriedete Laube. »Der Schauplatz des Mordes«, sagte er nüchtern. »Dort wurde Mountjoy umgebracht.«

Sie blieben am Zaun stehen. Wieder fragte sich Athelstan, wie der Mörder an den wilden Hunden vorbei zu Sir Gerard hatte vordringen können.

»Kommt, Sir John, laßt uns ein Maskenspiel veranstalten.«

Athelstan zog den Coroner am Ärmel, öffnete das kleine Tor und führte ihn in den Garten. »Setzt Euch auf die Rasenbank.« Er grinste. »Benedicta, du mußt so tun, als seist du ein Wolfshund.«

Beide grinsten und zuckten die Achseln, taten aber, was Athelstan wollte. Cranston ließ sich auf die Rasenbank fallen und nahm einen großen Schluck aus seinem Weinschlauch.

»So«, flüsterte Athelstan. »Sir Gerard sonnt sich mit seinen Hunden im Garten. Irgendwann an diesem Nachmittag wird er erstochen. Die Klinge wird tief in den Körper gestoßen; dennoch leistet er keinen Widerstand, und auch die wilden Hunde versuchen nicht, ihn zu verteidigen.« Athelstan ging zurück zum Gartentor und deutete auf die Ziegelmauer des Rathauses, die den Garten zur einen Seite begrenzte. »Von dort konnte ein Mörder nicht kommen.« Er drehte sich um. »Über den Zaun hinter Sir Gerard konnte er kaum klettern, denn der Sheriff und seine Hunde hätten ihn sofort bemerkt. Auch durch das Tor konnte er mit gezücktem Dolch nicht hereinkommen.«

»Und wenn doch?« fragte Benedicta. »Wenn es ein Freund war, den die Hunde gewähren ließen, weil ihr Herr ihn herzlich begrüßte?«

»Mountjoy hatte keine Freunde«, knurrte Cranston.

»Nein.« Benedicta wedelte mit den Händen. »Der Mörder kommt ganz dicht heran, zieht erst dann seinen Dolch und stößt ihn Sir Gerard in die Brust.«

Athelstan schüttelte den Kopf. »Möglich ist es«, sagte er, »aber kaum wahrscheinlich. Sir Gerard hätte zumindest gesehen, wie der Dolch gezogen wurde; der Mörder dürfte ihn kaum in der Hand gehabt haben, als er den Garten betrat. Es wäre zu einem Kampf gekommen, und die Hunde wären alarmiert worden. Vergiß nicht, Sir Gerard wurde ermordet, ohne daß es die Spuren eines Kampfes gegeben hätte.«

Benedicta streckte ihm die Zunge heraus.

»Es gibt nur eine Möglichkeit«, brummte Cranston und deutete auf die Zaunpfähle am unteren Ende des Gartens. »Der überdachte Gang zwischen der Küche und dem Rathaus.«

»Da sind Lücken im Zaun«, fügte Benedicta hinzu.

Athelstan schüttelte den Kopf. »Zu schmal, um einen Dolch mit solcher Wucht und Genauigkeit hindurchzuwerfen. Paßt auf und wartet hier.« Er nahm Cranstons Dolch, der dem des Mörders ziemlich ähnlich war, ging zurück ins Rathaus den dunkel überdachten Gang hinunter. Er blieb stehen, und durch Lücken im Zaun sah er Cranston gegenüber auf der Rasenbank sitzen. Er schob den Dolch durch die Lücke, sie war breit genug, aber er hatte recht: Niemand konnte einen Dolch hindurchwerfen. Athelstan kratzte sich am Kopf und kehrte zurück in den Garten. »Ein Rätsel«, murmelte er. »Kommt, laßt uns in den Bankettsaal gehen.«

Cranston sah Benedicta an und zog eine Grimasse, aber er folgte dem nachdenklichen Ordensbruder in den Bankettsaal. Der Raum lag verlassen da, und die Tische standen noch so wie an jenem schicksalhaften Abend. Athelstan löcherte Cranston mit Fragen.

Wer hatte wo gesessen? Was hatten sie gegessen? Wie spät hatte es angefangen?

Dann spazierte er ohne weitere Erklärungen davon, sagte nur, er wolle mit dem Truchseß sprechen, der an jenem Abend anwesend war.

Cranston hatte nichts dagegen. Er wußte, sein »kleiner Bruder« war einem Hasen auf der Spur und würde sich solange in das Problem vertiefen, bis er eine Lösung gefunden hätte. Außerdem war der Coroner nur zu gern bereit, sich hinzusetzen und mit der reizenden Benedicta zu schwatzen, die ihn eingehend nach Athelstans Geschichte von einem Dieb befragte, der die abgeschlagenen Verräterköpfe vom Torhaus an der London Bridge stahl. Schließlich kam Athelstan zurück.

»Nun?« fragte Cranston. »Hast du was gefunden? Hattest du Lust, deine Einsichten mit gewöhnlichen Sterblichen zu teilen?«

Athelstan grinste und tippte sich an die Schläfe. »Es ist noch alles durcheinander«, erklärte er. »Ich muß mich hinsetzen, alles aufschreiben und nachdenken.«

»Dazu gibt es keinen besseren Ort als das ›Heilige Lamm Gottes‹«, meinte Cranston.

Er führte sie zum Rathaus hinaus und auf einen geschäftigen Marktplatz. Die Stände waren inzwischen aufgebaut, und das Tagesgeschäft konnte beginnen. Lehrlinge priesen lautstark ihre Waren an, riefen Preise, und versuchten ab und zu, Vorübergehende am Ärmel festzuhalten. An der Straßenecke stand Cranstons verhaßter Reliquienhändler und sang die Litanei dessen, was er zu verkaufen hatte. Der Coroner blieb stehen, als der Kerl Reliquien aufzählte, vom Stein, mit dem Goliath erschlagen worden war, bis zum Arm des Hl. Sebbi.

»Ich habe diese Reliquien«, schrie der Mann, »an einem geheimen Ort, und ich habe sie zu einem besonders hohen Preis vom Erzbischof von Köln gekauft. Der Kopf des Täufers Johannes, wunderbar frisch, ganz wie an dem Tag, da der große Märtyrer starb. Ich sage Euch, Ihr Damen und Herren, Ihr frommen Bürger von London, sein Haar ist rot und weich, seine Haut so glatt wie die eines Kindes.«

Cranston grinste verächtlich und schüttelte den Kopf.

»Warum macht ihr verdammten Pfaffen diesem dummen Gewerbe kein Ende?« knurrte er.

»Ich frage mich, woher er die Haare des Täufers Johannes haben mag«, sagte Benedicta.

Cranston glotzte sie an. »Was hast du gesagt?« flüsterte er.

»Wie kommt er an den Kopf von Johannes dem Täufer? Und woher weiß er, daß der Prophet rote Haare hatte?«

Cranston packte die überraschte Frau und küßte sie auf beide Wangen.

»Kommt!« flüsterte er. »Zum ›Heiligen Lamm Gottes‹!«

Der Coroner drängte sich durch das Gewimmel. An der Art, wie er die Leute anbrüllte, ihm Platz zu machen, sah Athelstan, wie aufgeregt er war. Als sie in der Schenke angekommen waren, wühlte er in seiner breiten Börse und holte eine Silbermünze heraus.

»Benedicta, geh damit zu dem Reliquienhändler. Sag ihm, du hast noch fünf davon und willst den Kopf von Johannes dem Täufer kaufen.«

»Oh, um Himmels willen, Sir John!« warf Athelstan ein. »Ihr wißt doch, daß der Mann ein Betrüger ist. Es wird keinen Kopf geben, nur irgendeine dumme Taschenspielerei oder Täuschung. Wer weiß, vielleicht wird Benedicta sogar ausgeraubt?«

»Still, Athelstan!«

»Aber Sir John!« flehte Athelstan. »Ihr wißt es, und ich weiß es.«

»Was wissen wir?« schnappte Cranston.

»Er kann den Kopf des Täufers nicht haben …« Athelstan sprach nicht weiter. Er grinste Cranston an. »Ah! Um den Hl. Paulus zu zitieren, Mylord Coroner, ich sehe wie durch einen dunklen Spiegel.«

Cranston klatschte in die Hände wie ein Kind, und Benedicta, der die Versicherungen der beiden Männer in den Ohren klangen, ging, Cranstons Silber fest in der Hand, zurück über die Cheapside. Athelstan und Cranston sahen ihr nach. Benedicta blieb bei dem Reliquienhändler stehen, flüsterte ihm etwas zu, und der Mann hüpfte flink wie eine hungrige Möwe von seinem Stand herunter. Er führte sie durch eine Gasse davon, und Athelstan und Cranston folgten den beiden eilig. Cranston war aufgeregt, und Athelstan fürchtete für Benedictas Sicherheit, aber der Mann schien harmlos zu sein. Endlich bog er in eine Gasse ein, die zur Old Jewry hinunterführte. Vor einer Haustür blieb er stehen und sagte etwas zu Benedicta; sie nickte, und beide gingen hinein. Cranston und Athelstan eilten ihnen nach.