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«Unser Kulturpapst!«rief Fallersfeld ausgelassen.»Na, wie war's? Wie eiskalt ist dies Händchen — hast du's gewärmt, Horst?«

«Einen Kognak und ein Bier! Heute besauf ich mich«, verkündete Hartung düster. Er kletterte auf den Barhocker und sah mit bereits alkoholisiertem Blick in die Runde.»Wenn ich jetzt ans Reiten denke, könnte ich kotzen.«

«Morgen früh um acht Geländeübung. «Fallersfeld lachte dröhnend.»Vor nichts hat der Bengel Angst, nur vor dem Ja am Altar. Ein Kognak, ein Bier — mehr wird nicht erlaubt. Und übermorgen dürft ihr keine Nerven haben.«

Die letzte Nacht vor dem Turnier.

Angela ließ sich weiter verleugnen. Jede freie Stunde rief Hartung im Hotel >Terminus< an, sie war immer unterwegs, nicht erreichbar, gerade ausgegangen. Schließlich sagte der Chefportier, wenn er Har-tungs Namen hörte, nur noch:»Wie immer!«und legte den Hörer auf. Es hatte keinen Sinn, das Telefon weiter zu blockieren.

Romanowski war hundemüde. Das Training war zermürbend ge-wesen, Laska sprang wie ein altes Weib über eine Pfütze, ohne Haltung, ohne den Blitz im Leib, wie Fallersfeld es nannte. Die Hindernisse nahm sie ausgesprochen lustlos, latschte beim Abreiten wie eine triefäugige Kuh, war sichtlich beleidigt bei der Cavaletti-Arbeit und wurde nur munter, als Dr. Rölle sie abhorchen wollte. Fallersfeld rannte herum mit hochrotem Kopf.

«Das ist der letzte Parcours, das schwöre ich«, schrie er Hartung an.»Ich streiche Laska so lange von der Liste, bis sie Disziplin gelernt hat. Das ist das mindeste, was ich verlangen kann. Wir haben hier doch kein Cowboy-Rodeo!«

Nur Romanowski war trotz aller Müdigkeit und allen Kampfes mit Laskas Dickschädel glücklich. Er hatte eine Bekanntschaft gemacht.

Ein Mädchen, wie aus einem schwedischen Magazin. Überall rund, wo man es erwartete, rothaarig und eindeutig in Romanowski verliebt. Sie stand plötzlich überall dort, wo Romanowski mit Laska arbeitete, kullerte mit den Augen, drehte die Hüften in dem engen, kurzen Rock und schob die Brüste vor. Romanowski wurde es heiß unter der Mütze. Zuerst trank er Limonade, dann einen Whisky mit Eis, und als es gar nicht mehr auszuhalten war, sprach er die Rothaarige an.

«Signorina«, sagte er, ging in die Knie und wippte auf und ab.»Schön hoppehoppe?«

«Sär schön!«Die Rothaarige blinzelte Pedro an.»Isch libbä Pfär-de.«

Sie kann deutsch, jubelte Romanowski innerlich. O ewiges Rom, jetzt breche ich einen Stein aus dir!

Adriana Lucca hatte ihren Auftrag begonnen.

Es war — wie Bonelli gesagt hatte — ein leichtes Spiel. Romanowski brannte schon nach dem ersten Satz, den Adriana sprach, nach fünf Minuten näherer Bekanntschaft loderte in ihm ein Vulkan.

Es ist eine alte Weisheit, daß Liebe die Hirnwindungen leerfegt und Männer rettungslos verblöden läßt. Wer dazu noch ein Mann wie Pedro Romanowski ist, dem freiwillig keine Frau nachläuft, ihn nicht einmal interessiert mustert, denn außer Kraft hatte die Natur ihm wenig mitgegeben, was ein Frauenherz entzückt, wer immer nur zugesehen und nie im Mittelpunkt gestanden hat, der überläßt sich glücklich der Leidenschaft, wenn ihn eine Frauenhand anders als abwehrend berührt.

Adriana verstand ihr Metier. Mit allen Wassern weiblicher Verführungskunst gewaschen, eroberte sie Romanowski im Sturm. Er begriff gar nicht, wie so etwas möglich sein konnte. Ausgerechnet ich, dachte er immer wieder. Da laufen Hunderte von Männern herum wie aus einem Modejournal, und mich stinkenden Pferdeknecht hat sie herausgepickt.

Beim Geländeritt fing es an. Hartung ritt Laska vorsichtig, er kannte die Tücken des Bodens nicht, versteckte Wurzeln, Mäuse- oder Kaninchenlöcher, Unebenheiten — alle möglichen Fallen, in denen sich ein Pferd den Fuß verstauchen konnte. Adriana trippelte neben Romanowski durchs Gelände, bestaunt von den anderen Reitern und Helfern, argwöhnisch beäugt von Fallersfeld, der noch genug hatte von Hartungs Affäre mit der schönen Luisa Gironi in Aachen. Er machte da keinen Unterschied zwischen Hartung und Romanowski — alle drei, mit Laska, bildeten eine Einheit. Wurde diese gesprengt, mußte es immer zu einer Katastrophe kommen. Die einzige Ausnahme war Angela. Sie würde die Dreieinigkeit bestimmt nicht zerstören, sondern sich völlig integrieren in diesen Block. Aber Hartung begriff das noch nicht.

«Madonna«, sagte Adriana am zweiten Tag, als Hartung über die Übungshindernisse sprang.»Und du machst Pfärd fit?«

«Wer sonst?«Romanowski warf sich in die Brust. Da war allerhand — ein Brustkasten wie eine Truhe, Schultern wie ein Brückenpfeiler.»Herrchen — so nenne ick meinen Chef — reitet bloß. Ick sorje für die Kondition von Gaul und Reiter. Det is eene Lebensaufgabe, Mädchen. «Er bemühte sich, ein verständliches Hochdeutsch zu sprechen, aber nach einigen Anläufen gab er die Bemühungen auf. Was se vastehen will, bejreift se ooch so, dachte er. Und wenn ick ihr um die Taille fasse, is det international.»Ohne mir jebe et keene Parcours nich. Ick bin sozusajen det Schmieröl im Motor. Vastehste mir?«

«Si, si. «Adriana Lucca lächelte ihn so zuckersüß an, daß Romanowskis Herz hämmerte.»Du großär Pfärdemann.«

Mir knallt det Herz noch um die Ohren, dachte Romanowski. Det is 'ne Puppe für morgens, mittags und abends, und 'n Mann wie ick kann ooch noch 'ne Zwischenmahlzeit vertragen. Pedro, hol mal tief Luft und dann hinein ins Wasser.

Er faßte Adriana um die Hüfte — der internationale Griff — und strahlte sie an. Adriana kicherte und bekam große Kulleraugen. Durch ihre roten Haare wehte der Wind. Romanowski geriet in Atemnot.

«Isch zeige dir Rom«, sagte sie und schmiegte sich an ihn. Eine Katze hätte nicht zärtlicher geschnurrt.»Via Veneto, kleine Bar, du und isch, ganz soletto!«

Romanowski versuchte einen Angriff. Er riß Adriana an sich, küßte sie wie ein Barbar, wunderte sich, daß sie quietschte wie eine Maus in den Krallen einer Katze, ließ sie los und holte tief Luft. Es war der erste Kuß seines Lebens, den er bis in die Zehenspitzen gespürt hatte. Ein völlig neues Lebensgefühl. Und ein gutes dazu.

«Morjen, Puppe«, sagte er keuchend.»Morjen. Heute Nacht muß ick Laska bewachen.«

«Heute. Soletto!« sagte Adriana. Sie hatte einen trotzigen Zug um den Mund. Ihre Augen blitzten.»Morgen nix! Jetzt.«

«Puppe, det Turnier. «Romanowski wurde abwechselnd heiß und kalt. Er sah sich um, zog Adriana hinter einen Busch und küßte sie wieder. Dabei legte er die Hand auf ihre Brust, und dieser Griff ins Volle entschied alles. Was ist eine Laska gegen solche Lebensfülle? Wo bleibt die Moral bei so massiver Versuchung? Sie verdorrt wie eine Blume in der Wüste.»Ick schlafe im Stall«, sagte Romanowski rauh, ließ seine Pranke auf der Brust und sehnte sich nach einem eiskalten Bier.»Wenn dir det zu popelig is?«

«Zu was?«fragte Adriana brav zurück.

«Popelig. Mein Jott, wie soll ick dir det erklären? Popelig is, wenn de Appetit auf'n Kotelett hast und kriegst nur 'ne Schrippe mit Gum-miwurst. Vastehste?«

«Alles«, sagte Adriana und hob sich auf die Zehenspitzen. »Un ba-cio«, bettelte sie. Und Romanowski verstand sie sofort.

«Um zehn Uhr im Stall«, sagte er später. Er hob beide Hände hoch.»Zehn! Dann sind se alle weg! Ick mach uns 'n Lager wie aus Tausendundeine Nacht. Verdammt Puppe, wie heeßt du eigentlich. Ick bin Pedro.«

«Il mio nome eAdriana.«

«Adriana — det is wie Musik.«

Er umarmte sie noch einmal mit seinen Pranken, küßte sie wie ein Verdurstender und hörte erst auf, als Hartung nach ihm rief.

«Det is Herrchen«, seufzte er und umfaßte mit einem langen Blick noch einmal seine unfaßbare Eroberung.»Mein Jott, wer hätte det jedacht? Jetzt muß ick mir zerreißen.«

Was Romanowski tat, das tat er gründlich.

Er baute neben Laskas Box ein Liebeslager, wie es die Schweden im Dreißigjährigen Krieg nicht besser hatten. Viel Stroh, darüber weiche Decken, eine romantische Stallaterne, ein Brett mit Wurst, Schinken, Wein, Weißbrot und Orangen. Vor den Eingang nagelte er rechts und links eine Decke an den Balken fest, sie gab ein Gefühl von Abgeschlossenheit, von Intimität.