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«Er ist aber nie in Saint-Cloud angekommen. «Fallersfeld war blaß geworden. Die Gräfin de Bericourt zeigte Ansätze von Besorgnis. Ihre Finger zerknüllten die Modezeitschrift. Ein Brillant, groß wie eine Haselnuß, blitzte auf.

«Das ist ja schrecklich«, sagte sie.»Befürchten Sie ein Verbrechen? Mon Dieu, wenn jemand in Paris verschwindet, wie soll man den jemals wiederfinden?«

Labois sah Fallersfeld herausfordernd an.»Meine Rede, Gräfin. Es gibt da nur drei Möglichkeiten: Der Mann taucht von allein wieder auf, der Mann wird gefunden, meistens ist er dann tot, oder der Mann bleibt verschwunden.«

«So einfach möchte ich die Welt auch einmal sehen«, sagte Fallersfeld betroffen.»Wenn das alles ist, was die Polizei kann!«

«O Baron, wir können mancherlei. «Labois blickte kurz auf seine Uhr.»Vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt des Verschwindens kann ich eine umfassende Suchaktion starten. Rundfunk, Fernsehen, Pressebilder, Steckbriefe, Plakate, Belohnungen — irgendein Hinweis kann dann zu einer heißen Spur führen. Kann!«Labois räusperte sich.»Im Augenblick können wir nur abwarten. Stellen Sie sich vor, wir setzen den ganzen Fahndungsap-parat in Bewegung, und plötzlich ist Monsieur Hartung wieder da, aufgetaucht aus irgendeinem Bett!«

Fallersfeld war konsterniert. Er schielte zur Gräfin de Bericourt.»Labois, Sie sind in Gesellschaft einer Dame!«

«Pardon, aber eine französische Gräfin wird für diese Art von Verschwinden das gleiche Verständnis haben wie jede Dame in Frankreich. «Labois winkte mit einer großen Geste. Einige Männer, die bisher nicht aufgefallen waren, strebten zum Ausgang. Erst jetzt merkte Fallersfeld, daß sechs Beamte in der Halle herumgestanden hatten. Plötzlich sah er Labois mit anderen Augen an. Das ist ein ganz Stiller, ein vorzüglicher Schauspieler! Während er den leicht Vertrottelten spielte, arbeitete sein Polizeiapparat aufHochtouren.»Fahren wir hinaus nach Saint-Cloud.«

«Aber da war Hartung nicht!«rief Fallersfeld.

«Wissen Sie das so genau?«

«Auf Pedro ist Verlaß. Es gibt keine Mücke, die Pedro nicht sieht, wenn sie auf Laska sitzt.«

«Wir suchen auch keine Mücke, sondern einen Menschen. «La-bois verabschiedete sich von der Gräfin mit einer leichten Verbeugung.»Ich habe das Gefühl, in Saint-Cloud sehen wir klarer.«

Angela Diepholt war am Gare du Nord vom stellvertretenden Equipechef Hans Lommel abgeholt worden. Er begrüßte sie mit einem Blumenstrauß, den er im Automaten gezogen hatte.

«Weiß Horst, daß ich komme?«fragte Angela, nachdem sie sich gebührend für den Strauß bedankt hatte. Sie sah in dem dünnen Sommerkleid bezaubernd aus.

«Natürlich nicht. «Lommel lachte jungenhaft.»Aber er würde sich wundern, wenn Sie nicht plötzlich am Parcours ständen.«

Sie blickte kurz auf die riesige Bahnhofsuhr.»Er trainiert jetzt?«

«Ja natürlich. «Lommels Stimme klang gedehnt.

«Fahren wir direkt hinaus nach Saint-Cloud?«

«Ich würde vorschlagen, erst ins Hotel zu fahren. «Lommel hielt die Tür des Taxis auf, das er bestellt hatte.»Der Baron möchte Sie sprechen.«

«Wieder Schwierigkeiten mit Laska?«

«Nein. «Lommel wich Angelas Blick aus, und das war etwas, das jede Frau nicht nur neugierig macht, sondern sie warnt.

«Lommel, Sie verschweigen mir etwas. «Angela klopfte dem Taxifahrer auf die Schulter.»Nach Saint-Cloud. Zum Turnierplatz. «Der Wagen fuhr an, Lommel ließ sich in die Polster zurückfallen.

«Der Baron frißt mich«, sagte er.»Ich soll Sie im Hotel abliefern. Aber wenn Sie unbedingt nach Saint-Cloud wollen! Ich kann Sie nur bitten, erst mit dem Baron.«

«Was ist passiert? Lommel, raus mit der Sprache! Ist Horst gestürzt, verletzt, ist beim Training etwas geschehen? Mein Gott, reden Sie schon, ich bin nicht aus Zucker.«

«Hartung ist weg«, sagte Lommel leise.

«Weg? Was heißt das?«

«Verschwunden. Irgendwo in Paris verschwunden. Keiner weiß etwas, niemand hat ihn gesehen. Er ist nach dem Essen gestern abend auf sein Zimmer gegangen. Aber das Bett war am Morgen unberührt, das Frühstück nicht angetastet.«

«Eine — eine andere Frau?«fragte Angela und wandte das Gesicht zur Straße. Lommel schüttelte den Kopf.

«Ausgeschlossen. Das — das wäre das erstemal.«

«Man kann einen Mann nicht verurteilen, wenn er in Paris schwach wird. Für die anderen ist das bitter, aber. «Ihr Kopf fuhr herum.»Zum Training war er nicht da?«

«Nein, und gerade das finden wir alle so merkwürdig. Ein Hartung, der Laska vergißt, das gibt es nicht.«

«Wem sagen Sie das, Lommel?«Angela Diepholt knetete die Tasche, die auf ihrem Schoß lag. Sie kann sich großartig beherrschen, dachte Lommel. Jede andere Braut, deren Bräutigam verschwindet, hätte anders reagiert: mit endlosen Fragen, mit Tränen, Beschuldigungen, Verdächtigungen. Angela sagte nur: In Paris kann ein Mann schwach werden. Eine bewundernswerte Haltung. Nur ihre Hände verrieten, wie es in ihrem Innern aussah.

Im Park von Saint-Cloud trafen sie Romanowski vor dem Stall an. Er saß in der Sonne, rauchte Pfeife und hatte eine heiße Schlacht siegreich geschlagen. Er hatte sieben Reporter abgewehrt, die von ihm wissen wollten, warum Hartung heute nicht trainiert hatte. Einen Tag vor dem >Prix Rothschilds das war ungewöhnlich. Romanowski hatte eine simple Erklärung dafür:»Wenn eener so in Form is wie Herrchen, denn braucht er nich zu trainieren, wat?«sagte er.»Ick bin der Ansicht, die anderen brauchen erst jar nich zu springen — wir jewinnen den Pokal ja doch!«

Ein Reporter, der lange Zeit in Berlin gearbeitet hatte, übersetzte Pedros kernige Worte ins Französische, und damit war das Interview beendet. Später rief Fallersfeld noch einmal an, ob Hartung gekommen sei. Und nun erschien auch noch Angela auf dem Platz.

Romanowski steckte die Pfeife ein und rief schon von weitem:»Kee-ne Sorje nich, Frolleinchen. Die spielen alle varrückt. Kann ja mal vorkommen, det man de Zeit vajißt. Ick reiß mir da keen Been aus.«

«Der Schatten seines Herrn. «Angela lächelte sarkastisch.»Aus dem quetscht keine Autopresse was heraus. Lommel, sparen Sie sich den anstrengenden Versuch, mich zu trösten. Wissen Sie etwas? Bitte ehrlich!«

«Wir wissen alle nur, daß er verschwunden ist.«

«Gut. Dann warte ich hier. Wenn Horst wieder auftaucht, wird er zuerst zu seiner Laska gehen.«

«Das allein ist völlig sicher. «Lommel nickte.

Romanowski nagte an der Unterlippe und vermied es, Angela anzusehen. Er blickte erst auf, als sie ihn mit der Faust anstieß.

«Und du, Pedro, brauchst erst gar keine Warnraketen steigen zu lassen. Du bleibst immer in meiner Nähe, verstanden? Ich will als erste und allein mit Horst sprechen, wenn er kommt!«

«Det is Ihr Recht. «Romanowski trollte sich zurück zum Stall. Er hatte ein ungutes Gefühl, nicht wegen Angela und den in der Luft liegenden Komplikationen, sondern wegen Hartung selbst.

Auch Romanowski glaubte nicht mehr an eine durchbummelte

Nacht. Die Angst um >Herrchen< machte ihn fast verrückt, aber niemand sah es ihm an.

Das Landschloß der Gräfin de Bericourt lag am Rande der Wälder von Chaville.

Ein langgestreckter Spätrenaissancebau mit verzierten Giebeln, einem Wald von Schornsteinen, einer breiten, pompösen Freitreppe und einem Park mit Schwanenteich, Teehäusern, verschwiegenen Wegen, Bänken, Steinfiguren, Putten, einem Springbrunnen und einem Freigehege mit Fasanen. Ein Landsitz voller Romantik, efeuumwachsen, dornröschenhaft. Nur der elegante knallrote Sportwagen vor der Freitreppe wies auf die Gegenwart hin.

Elise de Bericourt bewohnte das Schloß allein, das heißt ohne Mann, ohne Verwandte. Die Angestellten zählten nicht, eine Köchin, ein Zimmermädchen, ein Gärtner, dreimal wöchentlich drei Putzfrauen, die dafür sorgten, daß das Schloß nicht verstaubte. Einmal im Monat glitzerten im Festsaal alle Kristallüster, dann gab Elise eine Party, von der man in eingeweihten Kreisen die widersprüchlichsten Dinge erzählte. Nach einer solchen rauschenden Nacht versank das Schloß wieder in Schlaf. Elise de Bericourt lebte zurückgezogen, fuhr allein nach Paris, kaufte ein, besuchte Theater und Oper, ihre elegante Erscheinung war auf den großen Einkaufsboulevards bekannt, ab und zu soupierte sie im Maxim, wo sich die Elite des Geldadels traf, von Gulbenkian bis Onassis. Nie sah man sie mit einem Mann, das war erstaunlich. Sie ist so kühl, wie sie schön ist, hieß es bald, nachdem sieggewohnte Kavaliere bei ihr abblitzten und die Playboys vom Dienst jämmerlich Schiffbruch erlitten. Eine unglückliche Liebe zu einem verheirateten Mann hat ihr Herz versteinert, flüsterte man später. Zweimal im Jahr verreiste sie mit unbekanntem Ziel, da wird sie sich austoben, wo keiner sie kennt. Geld genug hat sie ja als Erbin einer der größten Konservenfabriken Frankreichs.