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Zu dieser Zeit war Bruno Salti in San Franzisko schon ein großer Mann. Er hatte mit seinem Startkapital eine Maklerfirma gegründet, handelte mit Grundstücken, die er billig erwarb, indem er die Besitzer unter Druck setzte, billig zu verkaufen oder selbst in die Erde zu kommen (was dreimal geschah, und die Witwen verkauften sofort), baute am Strand des Pazifiks südlich von San Franzisko kleine Bungalows, ganze Kolonien, die man später >Salti-Stadt< nannte und vollzog einen Zusammenschluß, der ihn unangreifbar machte: Er wurde Mitglied der >Cosa Nostra<. Zwar knabberte die Vereinigung der >Ehrenwerten Männer< an seinem Gewinn, aber niemand belästigte ihn mehr, er brauchte keine eigenen Schutztruppen mehr, er meldete unliebsame Zeitgenossen dem Liquidationskommando, dessen Einfallsreichtum in bezug auf Todesarten unerschöpflich war, stiftete ein Waisenhaus, wurde Präsident mehrerer Wohltätigkeitsvereine und schuf sich eine weiße Weste, wie sie reiner nicht sein konnte. Selbst seinen Alleingang in New York verzieh man ihm, denn er zahlte der Mafia die hunderttausend Dollar zurück.

Bruno Salti, das war ein Name, bei dem der Gouverneur von Kalifornien sich immer die Hände rieb. Und am Pazifik baute und baute die Firma Haus nach Haus — weiße, kleine Villen für die biederen Amerikaner, die gern das Meer rauschen hören und mit der Angel zwischen den Felsen sitzen.

Das war die eine Seite. Die andere war unbekannt und lag in Chinatown und am Hafen. Hier gehörten Salti jede Menge von Nachtlokalen, Bordellen und Spielsalons, die Dirnen lieferten seinen Kassierern die vereinbarten Prozente ab, von Mexiko landeten Schmuggelschiffe in einsamen Buchten, wo die Firma Salti gerade mit Ausschachtungen für neue Ferienkolonien begonnen hatte, und in den Wettbüros für Football und Pferderennen zogen die Buchmacher schon gleich von ihrem Gewinn die Anteile für Salti ab.

Bruno Salti war überall. Er besaß sogar vier Springpferde, war ein Pferdenarr und hatte seinen Wallach >White Star< als Favorit im >Grand National Cup< gemeldet. Es war undenkbar, daß er verlor, die Wetten liefen auf Hochtouren, und wenn Salti das Geld auch nicht mehr nötig hatte — er setzte seinen Stolz darein zu gewinnen. Er mußte gewinnen! Und wenn ein Salti das sagt, gibt es gar keine andere Möglichkeit.

Aber jetzt kamen die Deutschen. Nicht Winkler, Schockemöhle, Steenken oder Jarasinski, sondern eine neue Equipe mit Nachwuchsreitern. Nur einer war darunter, dem ein Ruf vorausging, daß selbst Salti die Ruhe verlor: Horst Hartung mit seinem Pferd Las-ka.

Salti wandte sich vom Schauspiel der sich an den Klippen brechenden Ozeanwellen ab und trat in das saalartige Zimmer zurück. In einem Sessel, mit echtem französischem Gobelin bezogen, hockte ein Mann mit dem Gesicht eines Frettchens. Er rauchte, indem er die Zigarette vom linken zum rechten Mundwinkel wandern ließ und bisher stumm dem nervösen Salti zugehört hatte. Er zog die Brauen hoch, als Salti vor ihm stehenblieb und laut sagte:

«Hartung darf nicht gewinnen!«

«Nichts leichter als das. «Das Frettchen grinste breit.»Man wird glauben, er sei verdunstet.«

«Blödsinn, Joe. «Salti schüttelte den Kopf. Joe Brollio war noch ein Gefährte aus den alten Tagen des Aufbaus. Irgendwie hing Salti an ihm, obgleich er die anderen Freunde im Laufe der Jahre verunglücken ließ, weil sie zuviel wußten. Nur Brollio blieb übrig, klein, schmal, fast knochig, vertrocknet, obwohl er literweise trinken konnte. Er arbeitete bis zur Stunde für seinen Herrn, ein Dackel, der in jeden Fuchsbau kriecht. Salti verschonte ihn vielleicht, weil er aus Chivinaro kam, dem Nachbarort von Saltis sizilianischem Hei-matdorf. Manchmal leistete er sich solche Sentimentalitäten, wie er auch immer in Tränen ausbrach, wenn er irgendwo ein Bild von Sizilien entdeckte.

«Ich habe im Leben alles erreicht, weil alle meine Geschäfte so abliefen, daß die Polizei nie auf meinen Namen stieß — höchstens bei Stiftungen für ihre Waisenkasse. «Joe Brollio lachte leise.»Wir müssen Hartung anders ausschalten. Mit Ideen!«

«Die beste ist immer noch eine Frau!«

«Er soll in dieser Richtung stur wie ein Panzer sein.«

«Wir machen das Pferd krank.«

«Das ist schon in Rom mißlungen. Denk an unseren armen Bo-nelli. Um über diesen Pedro Romanowski an Laska zu kommen, muß man ihn schon in die Luft sprengen. Genau das wollen wir nicht. >White Star< soll so siegen, daß jeder daran glaubt. Er wird gegen Laska antreten! Und gewinnen, mit Bravour gewinnen!«

«Dann flieg nach Rom, bete im Petersdom und bitte um ein Wunder«, spottete Brollio. Er konnte sich das leisten, Salti nahm ihm nichts übel. Er lachte höchstens.

«Ich habe Waldon Harris herbestellt. «Salti goß sich ein Glas Rotwein ein und leerte es langsam und genußvoll.»Waldon ist der Turnierleiter. Ein anständiger Mann, nur hat er eine Geliebte, die viel Geld kostet. Jane Shrivers.«

«Oha! Etwas anderes konnte er sich nicht aussuchen?«Brollio drückte die Zigarette aus.»In Hollywood erfolglos, aber bekannt in allen Betten.«

«Waldon braucht immer Geld. Ich könnte ihn kaufen.«

«Springt Harris über die Hindernisse oder Laska?«

«Wir sollten uns etwas einfallen lassen, Joe.«

«Mit Waldon? Der steht im Glaskasten und quasselt ins Mikrophon. Warum sollten wir diesen Hartung sich nicht in San Fran-zisko verirren lassen?«

«Und wie, mein kluger Junge?«

«Wir haben doch Betty.«

«Himmel noch mal, er macht sich nichts aus Weibern! Er ist glücklich verlobt und einer jener deutschen Typen, die morgens nach dem Duschen die Treue unters Hemd schnallen. Idee gestorben.«

«Wir werden ihm Betty nicht im Bett servieren, natürlich nicht. «Brollio beugte sich vor. Wenn er dachte, wurde sein Gesicht noch runzliger, jetzt bestand es nur noch aus Falten.»Er wird bei Betty den deutschen Helden spielen! Das ist eine Rolle, der kein Deutscher ausweicht. Der Ritter vom goldenen Schwert!«

«Joe, trink einen, du redest irr!«

Brollio sprang aus dem Sessel. Er reichte Salti bis zur Schulter und war so dünn wie ein Hosenbein seines Herrn.

«Fünftausend Dollar.«

Salti tippte sich an die Stirn.»Wofür?«

«Ich bringe Hartung mit Betty zusammen, und er verschläft das Turnier.«

«Angenommen. Und ich kümmere mich mit Waldon Harris um eine Möglichkeit, daß >White Star< gegen Laska siegt. Das heißt, daß du verlierst und Hartung reiten wird.«

Joe Brollio blickte Salti versonnen an. Zum erstenmal hatte er ein merkwürdiges Gefühl in der Brust. Eine Wette ohne Gegenleistung — das war nicht Saltis Art.

«Was kann ich verlieren?«fragte er vorsichtig.

«Fünftausend Dollar.«

«Sonst nichts?«

Salti lächelte breit. Er verstand die Frage.»Du wirst an Altersschwäche sterben, Joe, genügt dir das?«

Joe Brollio nickte und verließ mit eingezogenem Kopf das Zimmer. Ein Insekt, dachte Salti, wahrhaftig ein Insekt. Wer glaubt ihm, daß er siebzehn Menschen auf dem Gewissen hat?

Das Ausladen der Pferde, die Kontrollen auf Transportschäden, das Tränken und das Umladen in die breiten, gepolsterten Turnierwagen war beendet. Romanowski zwängte sich zu Laska in den Transporter und winkte mit beiden Händen dem Fahrer ab, der auf ihn

einbrüllte.

«Quatsch du man nur amerikanisch«, sagte er gemütlich.»Ick va-steh dir nich. Ick bleibe bei Laska, ooch wenn dir de Zunge rausfällt.«