Выбрать главу

Der Wagen stoppte.»Ist es hier?«fragte der Fahrer.

«Ja, hier können Sie halten. «Betty sprang aus dem Auto, Hartung bezahlte vier Dollar und wollte gerade sagen:»Warten Sie!«, als das Taxi anfuhr und wegbrauste. Wer hier ausstieg, hatte Zeit.

«Sie waren so nett zu mir«, sagte Betty. Ihr Augenaufschlag hätte geeiste Butter geschmolzen.»Darf ich Sie zu einem Drink einladen? Man trinkt nicht jeden Tag mit einem Horst Hartung.«

Hartung sah auf seine Armbanduhr. Eine Stunde höchstens, dachte er. Dann ins Bett, fest geschlafen bis neun Uhr früh, gut ge-frühstückt und hinaus zum Platz. Dort brauche ich meine Nerven, denn Laska spürt sofort, wenn etwas nicht stimmt. Sie ist empfindlich wie ein Seismograph.

Betty verstand den Blick auf die Uhr falsch.»Nur ein Gläschen«, flötete sie.»Ich bin ja so froh, in Sicherheit zu sein. «Sie ging voraus, wippte mit dem Po und zog alle Register. Hartung folgte ihr. Sein Blick streifte über die Schönheit der Küste, die Klippen, das anbrandende Meer, die weißen Jachten auf dem Pazifik. Dann wunderte er sich über die Einrichtung des kleinen Bungalows. Sie war teuer, geschmackvoll, modern und farblich aufeinander abgestimmt. Salti hatte den besten Innenarchitekten mit der Ausstattung beauftragt. Hier verbrachte er ab und zu eine Nacht mit einem Girl, das für ihn nicht mehr bedeutete als ein Glas Wein. Mädchen, die er auf der Straße oder in den Lokalen auflas. Zufallsbekanntschaften, die auch so behandelt wurden. Aber der Rahmen mußte nach >Salti rie-chen<, wie er sagte.

«Wunderschön«, meinte Hartung und setzte sich auf die breite weiße Ledercouch. Der Blick auf das Meer durch das große Terrassenfenster war hinreißend.»Sie leben allein hier?«

«Ich bin Mannequin. «Betty mixte an der Bar zwei Cocktails in langen, schlanken Gläsern. Long Drinks, die mit viel Eis jetzt gerade richtig waren. Für Hartungs Glas benutzte sie ein Mixrezept, das von Joe Brollio stammte. Um die Gläser nicht zu verwechseln, steckte sie einen roten Rührquirl hinein. Mit strahlendem Gesicht setzte sie sich neben Hartung.

«Ich zittere innerlich noch vor Aufregung«, sagte sie.»Nie mehr gehe ich allein durch Chinatown! Wenn Sie nicht zufällig. Cheerio!«

Sie prostete ihm zu, Hartung nahm sein Glas, es fühlte sich herrlich kalt an, die Eiswürfel schwammen auf der rosa Flüssigkeit.»Wie heißt das Getränk?«fragte er.

«Mexikanische Nacht.«

«Klingt verlockend. Auf Ihre Rettung, Miss Simpson.«

Hartung trank. Es tat ihm gut, erfrischte, belebte ihn. Mit drei Zügen war das Glas leer, nur die Eiswürfel klirrten noch. Betty beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Nanu, er fällt nicht um? Hat Joe ein falsches Fläschchen erwischt? Stimmte die Zusammensetzung nicht? Wenn irgend etwas schieflief — Angst kroch in ihr hoch, denn Joe war ein Mann, den ein praller Busen nicht von Grausamkeiten ablenkte.

Hartung war fröhlich. Er erzählte vom Turniersport, von Abenteuern, die Betty mit» Oh «und» Ah «kommentierte — und plötzlich, als habe man den Tonarm von einer Schallplatte genommen, verstummte er und fiel seitlich von der Couch auf den dicken Teppich.

«Endlich!«sagte Betty erlöst.»Da hat er wieder ein Teufelsding auf Lager gehabt.«

Sie ließ Hartung liegen, schob ein Eisengitter vor die Terrassentür, ließ alle Fensterläden, die elektrisch reagierten, herunter und nahm den Schlüssel der Schaltung an sich. Um ganz sicher zu gehen, knüpfte sie um Hartungs Hände und Füße zwei Stricke und verließ dann das Haus.

Oben auf der Straße wartete ein weißer Cadillac. Joe Brollio steckte den Kopf durch das heruntergekurbelte Fenster.

«Alles okay, Baby?«rief er.

«Alles. Er träumt selig. Tausend Dollar her, Joe.«

«Bei Salti. Er wird sauer sein wie eine eingelegte Gurke.«

Aber Bruno Salti war durchaus nicht sauer, zahlte aber auch die fünftausend Dollar nicht.

«Nach dem Sieg von >White Star<, Freunde«, sagte er jovial.»Bis morgen mittag kann noch viel passieren. Ich zahle bei solchen windigen Geschäften nie im voraus.«

Manchmal hat man eben Vorahnungen.

Horst Hartung schlief fest bis zum nächsten Morgen. Niemand vermißte ihn, denn jeder in der Equipe wußte, daß er den Rest des Tages mit >Landerforschung< ausfüllte, wie es Fallersfeld nannte. Er war vor seinem Ausflug nach Chinatown noch auf dem Abreiteplatz gewesen, hatte Laska begrüßt, ein paar Runden geritten und war zufrieden mit ihr. Sie hatte den Flug gut überstanden, ging gehorsam, sprang wie ein Floh und ärgerte sogar Romanowski nicht. Dr. Röl-le untersuchte sie zum letztenmal, hörte sie ab, kontrollierte Hufe, Fesseln und alle Sprunggelenke.

«Topfit«, sagte er.»Aber mir gefällt sie trotzdem nicht. Haben Sie gesehen? Ich durfte ihren geheiligten Körper berühren, ohne daß sie nach mir biß oder trat. Irgendwie ist sie doch nicht in Ordnung.«

Hartung und alle anderen Reiter lachten. Sogar Fallersfeld, der schon viermal gebissen worden war. Die Stimmung war also blendend, und die Chancen der deutschen Equipe stiegen. In der Presse wurden sie zu den heimlichen Favoriten.

Es war fast zehn Uhr morgens, als Hartung erwachte. Zunächst wußte er gar nicht, wo er war, dann spürte er Kopfschmerzen und Ohrensausen, Übelkeit und Schlaffheit in allen Gliedern. Er versuchte, sich zu erheben, aber die Fesseln ließen das nicht zu — er rollte zurück. Da erst wurde er völlig wach, erinnerte sich und erkannte klar seine Lage.

«Ich Rindvieh«, sagte er.»Tappe in diese Falle wie ein Blinder.«

Er beugte sich vor, sah aufseine Uhr und erschrak. In einer Stunde mußte er auf dem Parcours sein. Longieren, abreiten, Lockerungsübungen, noch einmal Schrittübungen über die Cavalettis.

Er versuchte es zunächst mit Gewalt, zerrte an den Fesseln, aber sie gaben nicht nach, obwohl Betty sie dilettantisch geknüpft hatte. Dann rollte er sich über den Teppich zu einem schweren Schrank und begann, die Fesseln an den Vorsprüngen der geschnitzten Schrankfüße zu lockern.

Immer und immer wieder, mit verzweifelter Geduld, schabte er die Stricke über das Schnitzwerk und spürte, wie sich die Fesseln um die Handgelenke lockerten. Schließlich konnte er hinausschlüpfen und befreite auch seine Füße.

Aber das Haus selbst erwies sich jetzt als Gefängnis. Stahlrolläden, ein Scherengitter, dicke Türen. Hier wäre man selbst mit einem Brecheisen nicht weitergekommen.

Hartung lief durch den kleinen Bungalow und suchte ein geeignetes Werkzeug. Ein lächerlicher kleiner Hammer lag im Werkzeugkasten, eine Zange, ein Schraubenzieher. Aber auch ein Lötkolben.

Hartung steckte die Schnur in die Steckdose, heizte den Kolben aufund begann dann, um das Haustürschloß herum das Holz wegzubrennen.

Wer jemals mit einem Lötkolben gearbeitet hat, kann ermessen, wie mühsam das war. Das Holz wurde zunächst nur braun, der verbrannte Lack stank bestialisch, aber von einem tieferen Einbrennen war keine Rede.

Doch Hartung gab nicht auf. Er arbeitete sich durch das Holz, es war, als weiche er es auf, um es dann mit dem Schraubenzieher weiter zu durchbohren. Endlich, nach über einer Stunde, war er durch

— ein Loch, so groß wie der Schraubenzieher. Aber der Weg war frei. Mit dem Hammer schlug er jetzt das Schloß heraus, wobei er den Schraubenzieher als Meißel benutzte. Als die Tür aufsprang, war er schweißgebadet und völlig ausgepumpt. Die Betäubung lag ihm noch in den Gliedern — die ersten Schritte in der Morgenluft waren wie Gehübungen eines Schwerkranken.

Sie sind schon alle auf dem Platz, dachte er, als er wieder auf seine Uhr blickte: Fallersfeld wird dumme Witze machen. Kaum ist seine Braut nicht da, entdeckt Hartung den Wüstling in sich. Mein lieber Baron, wenn du wüßtest, was für ein Riesenrindvieh ich gewesen bin!