Sie muß es schaffen. Das Wunderpferd aus Germany.
Aber San Franzisko schien es in sich zu haben. Laska riß dreimal — zwölf Fehler gegen acht von >White Star<.
Der Sieger stand fest.
Hinter der Sperre tanzte Romanowski herum wie ein Irrer.»Schiebung!«brüllte er.»Ick hab uffjepaßt. Wie'n Schießhund. Laska hat nie berührt. Beim Doppeloxer fiel de Stange, da war se schon uffn Weg zum Wassergraben. Schiebung!«
«Seien Sie still, Pedro«, knurrte Fallersfeld.»Man muß auch verlieren können. Kopf hoch, Jungs. Der dritte Platz ist ganz schön. Immer nur siegen ist langweilig, sagte schon Napoleon.«
Nach der Siegerehrung rannte Romanowski auf den Parcours. Beim Doppeloxer, wo er's genau gesehen haben wollte, stellten sich ihm die beiden Hinderniswärter in den Weg.
Aber wer kann einen Romanowski aufhalten, wenn er wie ein Stier ankommt? Es gab ein Handgemenge, die beiden Burschen flogen zur Seite, und ehe sie Romanowski erneut festhalten konnten, war er beim Hindernis und sah sofort den dünnen Nylonfaden. Er zog daran — und siehe da, die Stange polterte ins Gras, ohne daß ein Pferd in der Nähe war.
«Det habt ihr euch jut ausjedacht«, sagte Romanowski leise. Er duckte sich, schlug zweimal zu und hatte danach Ruhe.
Die Sensation am nächsten Tag war groß. >White Star< wurde nachträglich disqualifiziert, aber auch die Ergebnisse der anderen Reiter galten nicht, denn alle Fehler waren ja manipuliert gewesen. An eine Wiederholung war nicht zu denken, das Stadion gehörte jetzt den Football-Kämpfen. So wurde der riesige Pokal wieder in einen Tresor verschlossen.
«Bis zum nächsten Jahr«, hieß es.
Die Presse stürzte über diese Schiebung her, Rundfunk und Fernsehen hatten ihre Millionenberichte. Aber alles verlief im Sand. Wer die Idee mit den Nylonfäden gehabt hatte, man erfuhr es nie. Die achtundvierzig Hinderniswarte schwiegen wie die Fische. Mit Salti als Feind war das Leben verdammt kurz.
Aber die Amerikaner waren clever. Fünf Rundfunkanstalten finanzierten ein Privatturnier. Auf einer Wiese, die einem Fernsehboß gehörte, wurden die gleichen Hindernisse wie auf dem Parcours aufgebaut, dann surrten die Kameras, und vierzig Millionen Fernsehzuschauer erlebten mit, wie Horst Hartung mit Laska diese Hindernisse fehlerlos nahm.
«Das ist die Wahrheit«, sagte der Fernsehkommentator.»Wir sind es unserem Land schuldig, das festzustellen. Wir danken der deutschen Mannschaft, sie waren wirkliche Sportsleute.«
Gibt es in Amerika ein größeres Lob?
Der blinde Kurier
Das Ausladen hatte begonnen.
Mitten in einem Güterzug standen die vier hohen Transportwagen auf flachen Waggons, durch Seile zusätzlich gesichert, hölzerne Ställe, auf deren lackierten Seiten in großen Buchstaben gemalt stand:»Achtung! Turnierpferde. «Jetzt wurden Laufstege an die Waggons gelegt. Zuerst sollten die Pferde auf festen Boden geführt werden, dann würde man die Spezialwagen von den Ladeflächen rollen und an die großen Zugtraktoren ankoppeln, die ausgerichtet wie zu einer Militärparade auf der breiten Betonrampe warteten.
Pedro Romanowski stand draußen auf der eisenbeschlagenen Ladefläche und wartete, daß es weiterging. Laska war schon losgebunden und äugte nervös durch die heruntergelassene Luftklappe in den Himmel und über den großen Güterbahnhof.
Nun standen die Pferde der deutschen Springreiter-Equipe zum erstenmal auf russischem Boden. Moskau. Sawjolowski-Bahnhof Ein paar hundert Meter vom Dynamo-Stadion entfernt, dieser riesigen modernen Arena, in der es zum Wettstreit zwischen sowjetischen und deutschen Reitern kommen sollte.
Seit Wochen waren die Karten ausverkauft, seit vier Tagen berichteten alle Moskauer Zeitungen über dieses Ereignis. Ein Name wurde immer wieder genannt, um einen Namen rankten sich Spe-kulationen, ein Name war bald allen Moskauern ebenso bekannt wie die der Astronauten: Laska, das Pferd, das >Liebe< hieß. Noch bevor sie in Moskau eingetroffen war und Zeitungen und Fernsehen die ersten Bilder von ihr gebracht hatten, war Laska zum Liebling der Russen geworden.
Aber das alles spielte sich außerhalb des Sawjolowski-Bahnhofs ab. Worüber Millionen Russen sprachen, ließ einen Mann kalt, der wartend vor den schnellen Zugtraktoren stand und kein Kommando gab, die Pferdetransporter zu öffnen und die Pferde über die Laufstege aus den Waggons zu holen: Leutnant der Miliz Igor Michai-lowitsch Stupkin. Vor den flachen Güterwagen waren seine Leute postiert. Keiner der Pferdepfleger durfte die Rampe betreten. In den Wagen wieherten die Pferde, schlugen gegen die gepolsterten Holzwände. Sie wußten: Wir sind da, wir können raus, wir bekommen Hafer und Heu, Wasser und werden gestriegelt. Warum fällt die große Türklappe nicht?
Romanowski überwand seine erste Scheu.»Ick mache den Anfang!«rief er den anderen Pferdepflegern zu.»Vielleicht warten die bloß, det eener kommt! Mehr als mir zurückschicken können se nich.«
«Mensch, Pedro, sei vorsichtig!«rief der Pferdehalter von Wilhelm Pegge. Wilhelm Pegge war neu in der deutschen Equipe, ein junger Reiter aus Münster, der langsam aufgebaut wurde und zwei hervorragende Pferde besaß.»Wir müssen hier ganz kleine Brötchen backen.«
«Aba ick back welche!«sagte Romanowski. Er klappte die Tür seines Wagens herunter, faßte Laska am Halfter und führte sie auf die Plattform des Waggons. Ihre Hufe klapperten auf dem Eisenboden.
Die Russen waren zunächst starr vor Staunen. Dann rannte Leutnant Stupkin herbei und wedelte mit den Armen.
«Stoj!«brüllte er.»Stoj! Nix ausladen!«
Romanowski zog Laskas Kopf herunter und erkundigte sich:»Warum stoj?«
«Befehl von Kommandant!«rief Stupkin auf deutsch.
«Warum Befehl?«
«Nix wissen.«
«Warum nix wissen?«
Stupkin starrte Romanowski an, wurde rot und wandte sich ab.
«Mensch, geh zurück mit deinem Gaul!«rief der Pfleger von Peg-ge.»Die werden ihren Grund haben! Mach doch kein Theater!«
Romanowski ließ Laska draußen auf der Ladefläche stehen, holte aus dem Futtersack zwei Handvoll Hafer und hielt ihn Laska hin. Leutnant Stupkin beobachtete es mit finsterer Miene.
Nach einer halben Stunde hielt abseits vom Sawjolowski-Bahnhof eine kleine Autokolonne. Horst Hartung, Fallersfeld, Dr. Rölle, Peg-ge und drei andere deutsche Reiter stiegen aus. Sie wirkten sehr erregt, und Fallersfeld liefzu einem großen, dunklen Moskwitsch, aus dem gemächlich ein Mann in einer blauen Uniform kletterte. Zwei andere Uniformierte folgten ihm. Sie trugen Mappen unter dem Arm, und ihre Gesichter waren maskenhaft starr.
«Was soll das, Herr Major?«rief Fallersfeld.»Man holt uns aus dem Hotel und fährt uns hierher, und unterwegs erfahren wir, daß die Pferde noch immer auf den Waggons stehen und wie Gefangene behandelt werden! Darf ich um Auskunft bitten?«
«Sie dürfen, Towaritsch Fallersfeld. «Major Jakow Nikitajewitsch Borolenko lächelte freundlich.»Wir haben einen Wink bekommen. «Er sprach vorzüglich Deutsch.»Verstehen Sie mich bitte. Wenn mir jemand etwas zuflüstert, werde ich neugierig. Die menschliche Natur, Towaritsch. Sehen wir nach, ob es stimmt.«
Fallersfeld lief zu Hartung zurück.»Verstehst du das? Er hat einen Wink bekommen! Was für einen Wink? Sollen unsere Pferde etwa krank sein? Doktor, was sagen Sie dazu?«
«Die Pferde sind gesund, topfit und extra für diese Rußlandreise geimpft worden. «Dr. Rölle schüttelte den Kopf.»An den Pferden können die Russen nichts aussetzen.«
«Da hört man es! Und trotzdem stehen die auf den Waggons wie bestellt und nicht abgeholt! Romanowski. Er hat Laska draußen. Als einziger. Horst!«Fallersfeld wirbelte herum.»Wenn dein schrecklicher Gorilla wieder auf eigene Faust — wenn er Schwierigkeiten ge-