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Hartung stieg auf. Laska öffnete die Augen und hob den Kopf. Ihr Blick war klar wie immer. Romanowski schnaufte laut, er erlebte ein Wunder, das sein Pferdeverstand nicht mehr fassen konnte.

«Det is nich möglich«, stotterte er.»Ick jeh in Pension. So wat jibt et nich.«

Es gab es tatsächlich.

Nach zwei Stechen gegen Nelson Pessoa gewann Laska den Großen Preis von Baden-Baden. Mit hocherhobenem Haupt trabte sie aus dem Stadion. Aber draußen, auf dem Abreiteplatz, fiel sie einfach um. Und Hartung küßte sie auf die zitternden Nüstern.

Flucht durch die Wüste

Ich gebe Ihnen eine Million«, sagte Joe Heerekamp mit einer so ruhigen Stimme, als bestelle er eine Tasse Kaffee.»Eine Million in bar. Ich glaube, das ist ein Angebot, wie Sie es nie wieder erhalten.«

Horst Hartung musterte den Mann, der mit einer Million rechnete wie andere mit hundert Mark. Es war ein kleiner, dicklicher, gemütlich wirkender Mann in einem khakifarbenen Anzug und mit einem breitkrempigen weißen Hut auf dem spärlich behaarten Kopf. Mit der rechten Hand stützte er sich auf einen Spazierstock, an der linken baumelte ein Fotoapparat, mit dem er gerade Laska fotografiert hatte. Angela Diepholt führte das Pferd hinüber zum Übungsgarten, wo einige mittelschwere Hindernisse aufgebaut waren. Romanowski stand bereits in der Mitte des Platzes und beschäftigte sich mit der Longe. Die Morgenarbeit begann. Lockerungsübungen und das Gewöhnen an das ungewohnte afrikanische Klima.

Seit fünf Tagen waren die deutschen Springreiter in Johannesburg, der Millionenstadt im Süden Afrikas, der Stadt, deren Reichtum von den Goldfunden im Witwatersrand und noch südlicher von den Diamantenfunden rund um Kimberley stammte. Eine moderne Stadt mit breiten Straßen und Hochhäusern, Parks und äußerst gepflegten Golfplätzen, eleganten Geschäften und Restaurants, aber auch elenden Slums der farbigen Minenarbeiter und staubigen Dörfern am Rande der Großstadt, wo die Bantus hausten.

Rund um den Rennplatz des Johannesburger Turf-Clubs, wo die große Springreiterkonkurrenz ausgetragen werden sollte — der >Gro-ße Preis von Südafrika< —, waren die Lager der einzelnen Länder aufgeschlagen. Die Pferde waren in Zelten untergebracht, in denen sich die Hitze staute wie in einem Backofen. Romanowski, der wie immer neben Laska schlief, liefnur noch in der Badehose herum, bis er am dritten Tag einen Sonnenbrand bekam, der ihn vor schwere Probleme stellte.

«Hinlegen kann ick mir nich«, sagte er zu Hartung.»Wenn ick sitze, kann ick mir ooch uff'ner Herdplatte etablieren. Wat wer ick tun? Im Stehen schlafen! Sieht so harmlos aus, diese Sonne, verdammt noch mal!«

Von da ab trug er ein leichtes Hemd und einen riesigen geflochtenen Hut, den er in einem Bantuladen gekauft hatte. Laska gefiel dieser Hut nicht, sie biß Romanowski ein Stück aus der Krempe heraus und fraß es. Das war kein Kunststück, denn der Hut war aus Stroh.

Horst Hartung, dem gerade das Millionenangebot gemacht worden war, betrachtete Joe Heerekamp mit jenem Unglauben, der einen Menschen immer überfällt, wenn ihm etwas Unerklärliches begegnet.

«Eine Million? Für Laska?«fragte er gedehnt.

«Ja. «Heerekamp klopfte mit dem Spazierstock auf die Erde. Hinter ihm stand ein riesiger, breitschultriger Bantu in kurzen Hosen und einer geflickten Leinenjacke. An den Beinen aber trug er Reitstiefel. Der Bantu grinste, die beiden Zahnreihen leuchteten in der Sonne wie Zahnpastareklame.»Eine Million. Ich habe über Laska viel gelesen, ich habe sie vier Tage lang beobachtet, ich bin ein Pfer-denarr. Irgendeine Narrheit muß der Mensch haben. Der eine sammelt Bierdeckel, der andere Zuckerstückchen. Wem's gefällt, der ruiniert sich durch die Weiber. Ich liebe Pferde, schöne Pferde, seltene Pferde, berühmte Pferde. Laska fehlt mir in meiner Sammlung. Ich nehme an, daß Ihnen noch niemand eine Million für sie geboten hat, und es wird auch keiner mehr bieten.«

«Bestimmt nicht«, sagte Hartung abweisend.

«Also machen wir das Geschäft, Mr. Hartung?«

«Nein.«

Heerekamp sah verwundert hoch. Es war ihm neu, daß er nicht alles kaufen konnte, was ihm gefiel. Das Glück hatte ihn verwöhnt, er besaß eine Farm im Norden, am Rande der Kalahari-Wüste. In Vryburg, der Kreisstadt, war sein Name bekannter als der des Ministerpräsidenten der Republik Südafrika, und auch sein Wort galt mehr. Der Präsident war weit weg in Pretoria, Heerekamp aber war nah, immer zugegen, und wenn er befahl, war das wie ein Gesetz. Denn nicht allein seine Farm hatte ihn zum vielfachen Millionär gemacht, sondern auch die Entdeckung einer Diamantenmine in einem kleinen Felsental, das zu seinem Landbesitz gehörte. Da keiner so nördlich Diamanten vermutete und geologische Untersuchungen auch ergaben, daß nur dieser Felsen Edelsteineinsprengungen enthielt, während drum herum nur Weideland und später glühender Sand lagen, ein Kuriosum der Natur also, baute Heerekamp mit Regierungserlaubnis gewissermaßen als >Handwerksbetrieb< seine glitzernden Schätze ab und wurde täglich reicher, ohne sich groß zu bemühen. So hatte er sich daran gewöhnt, daß man alles auf der Welt kaufen kann, wenn nur der Preis stimmte. In Vryburg wußte man das. Heerekamp war vierundfünfzig Jahre alt, hatte die vierte Frau, eine blonde Schönheit von fünfundzwanzig Jahren, von der er selbst sagte:»Gekauft mit der Erbaussicht von vier Millionen. Wer würde mich dicken, schwitzenden Menschen schon ehrlich lieben?«

«Sie glauben, ich scherze?«fragte Heerekamp verwirrt.»Ich bin in der Lage, Ihnen innerhalb von zwei Stunden eine Million in Scheinen auf den Tisch zu legen.«

«Ich glaube Ihnen das gern. «Hartung blickte hinüber zu Laska. Angela führte sie am langen Zügel über die Cavalettis, sie lief neben ihr her, ihr langes Haar wehte im heißen Wind.

Sie haben sich zusammengerauft, dachte Hartung. Früher, noch vor drei Monaten, wäre es unmöglich gewesen, daß Angela auch nur an die Trense faßt. Laska hätte sofort gebissen oder getreten. Jetzt läuft sie mit Angela zusammen über den Trainingsplatz und gehorcht sogar ihren Zurufen. Und wenn Angela abschirrt, fährt Laska mit ihren weichen Nüstern über die früher so verhaßten Hände. Nur eins darf Angela noch nicht: in Laskas Gegenwart Hartung umarmen oder küssen. Dann schnellen die Ohren zurück, und die schönen braunen, sprechenden Augen werden starr und böse.

«Mit einer Million haben Sie keine Sorgen mehr. «Heerekamp riß Hartung aus seinen Betrachtungen.

«Das deutsche Finanzamt nimmt mir 550.000 Mark davon weg«, sagte Hartung voll Sarkasmus.»Also ein mieses Geschäft, Mr. Heerekamp.«

«Gut, daß Sie mich daran erinnern. «Heerekamp schlug wieder mit dem Spazierstock auf den Boden.»Sie sollen sorglos leben. Zwei Millionen. Dann bleibt Ihnen trotz Ihres räuberischen Finanzamtes noch genug! Schlagen Sie ein.«

«Nicht für zehn Millionen, nicht für den britischen Kronschatz, Mr. Heerekamp. «Hartung steckte die Hände in die Taschen seiner Reithose.»Laska ist unverkäuflich.«

«Das glaube ich einfach nicht.«

«Bei mir müssen Sie umlernen.«

Joe Heerekamp sah sich um. Der Bantu hinter ihm, sein Stallmeister, grinste noch immer.»Hau ab. Petelo!«schrie Heerekamp.»Warte am Wagen!«Mit rotem Kopf wandte sich Heerekamp wieder an Hartung.»Sie wissen gar nicht, was Sie eben angerichtet haben«, sagte er. Seine Stimme klang etwas schrill.»Petelo Nsombo, für den ich der zweite Herrgott bin, hat erlebt, daß man mir etwas abschlägt. So etwas ist völlig unbekannt bei Heerekamp. Ich habe einen Teil meines Gesichtes verloren. Er wird überall erzählen: >Der

Herr ist nicht der Größte! Auch er muß nachgeben.< Das ist unmöglich. Mr. Hartung. Sie müssen mir Laska verkaufen.«

«Ich denke nicht daran. «Hartung lachte etwas gequält. Diese Augen, dachte er plötzlich. Wenn man Heerekamp unbefangen ansieht, ist er ein kleiner, dicker, gemütlicher Mensch, den das Leben verwöhnt hat. Aber dann diese Augen — hart, mit einem eiskalten Glanz, ohne einen Funken Seele. Augen eines menschlichen Automaten, eines Roboters, eines Irren! Ein Fanatiker, den seine Leidenschaft zum Wahnsinn treibt. Er sammelt Pferde wie andere Briefmarken. Gibt es nicht auch Briefmarken, die über hunderttausend Mark kosten? Laska ist ihm zwei Millionen wert.