«Keine Spur«, sagte er zu Hartung und Angela Diepholt.»Es ist uns äußerst peinlich, Mr. Hartung.«
«Und was jetzt?«fragte Hartung.
Verschuren hob die Schultern.»Glauben wir an den großen Detektiv Zufall. Mehr können wir nicht tun.«
In Deutschland erlitt Fallersfeld einen Schwächeanfall, als ihm durch Telegramm die Entführung Laskas mitgeteilt wurde.»Wir sehen sie nie wieder«, sagte er dumpf, als er sich etwas erholt hatte.»Ein Pferd verschwindet in Afrika — das ist, als wenn man ein Sandkorn in eine Kiesgrube wirft.«
«Hoffen wir auf Laska selbst. «Hartung saß auf seinem Klappstuhl in der leeren Box des Stallzeltes. Angela stand hinter ihm und strei-chelte seinen Nacken. So gefaßt sich Hartung gab, sie wußte, wie er innerlich litt.»Sie wird die nächste Gelegenheit wahrnehmen und ausbrechen.«
Es war ein schwacher Trost, denn wer Laska entführt hatte, verfügte auch über die Möglichkeiten, sie zu behalten.
Seit neun Stunden war Laska unterwegs. Unter der Plane eines alten, schnaufenden, schaukelnden und hüpfenden Lastwagens fuhr sie nach Norden, der Kalahari-Wüste entgegen. Man hatte sie mit einem Strick an eine eiserne Öse gebunden, so daß sie kaum den Kopfhochheben konnte, alle vier Beine waren mit Lederriemen gefesselt. Ein kleiner Bantu hockte aufdem Boden vor der Ladeklappe, gab Laska jede Stunde aus einem Eimer etwas Wasser zu trinken, kehrte den Kot zusammen und warf ihn aus dem Wagen. Niemand fiel der alte Lastwagen auf — so wie er rumpelten Tausende über die guten Straßen. Bis zur Farm Heerekamps waren es noch zwei Tage Fahrt, für afrikanische Verhältnisse eine kurze Strecke. Gegen Abend hielt der Wagen mitten zwischen kahlen Bergen. Laska bekam einen Haufen Heu, der kleine Bantu lockerte den Strick und sprang mit einem Satz zurück, als Laska blitzschnell den Kopfdrehte und zubiß.
«Mokirialuo akosakela bokako oa tuu mongo! Gott schicke dir einen dunklen Segen!«brüllte der Kleine und weigerte sich später, Laska wieder anzufassen. Vier Männer, durch Bretter geschützt, die sie vor sich hielten, gelang es endlich, Laska wieder kurz anzubinden.
«Der Bwana hat uns einen Teufel gekauft«, sagte der Fahrer des Lastwagens und bekreuzigte sich.»Ich bin froh, wenn wir sie im Stall haben, ohne daß sie uns die Knochen gebrochen hat.«
Und weiter ging die Fahrt. Immer nach Norden, dann westlich, der großen Wüste entgegen. Was niemand wußte, auch Heerekamp nicht — ein Hubschrauber der Polizei von Johannesburg war schneller, flog zunächst nach Vryburg und landete dann auf dem Gebiet der Heerekamp-Farm, in einem einsamen, kahlen, von Wüstensand bedeckten Tal, in das sich selbst die Bantus nicht verirrten, weil hier alles Leben unter der Glut der Sonne erstorben war. Das Tal gehörte zwar zur Farm, aber auch Heerekamp hatte es nur einmal aus der Luft betrachtet, als er seinen Besitz überflog, um sich ein Bild über die Größe des Gebietes zu machen, das ihm gehörte.
Hier, im Glutkessel weißgelber Felsen, errichteten die vier Polizisten ein Zelt, verfluchten ihren Beruf, tranken Eiswasser, das ein Batterieaggregat im Hubschrauber kühlte, und warteten. Über Funk teilten sie Kommissar Verschuren mit, daß die Landung gelungen sei, aber daß es auf dem Mond wohnlicher sein müsse als hier.
«Es wird nicht lange dauern«, sagte Verschuren.»Sie können Las-ka nur mit einem Lastwagen transportieren. In knapp zwei Tagen muß er sich der Farm nähern, dann steigt ihr auf und fliegt die Straße ab. Befehl kommt rechtzeitig.«
Es war ein qualvolles Warten in diesem Höllental. In der Nacht wehte ein Sandwind das Zelt bis zur Hälfte zu. Den Motor und das Getriebe der Rotorflügel hatten die Polizisten vorsorglich mit Plastikplanen abgedeckt. Sie konnten nicht versanden. Aber sonst drang der staubfeine Sand überall ein, jedes Wort knirschte im Mund, die Zunge drehte Sandkugeln im Gaumen, jeder Schluck kratzte in der Kehle.
Einen Tag später flog Heerekamp mit einer Privatmaschine von Johannesburg nach Vryburg. Dort stand sein Auto, ein Landrover. Der >Stadtwagen< blieb in Johannesburg. Petelo Nsombo tankte voll, während Heerekamp einen Besuch beim Bürgermeister machte.
«Falls er Laska entführt hat, verhielt sich Heerekamp überaus geschickt«, sagte Verschuren voll Anerkennung.»Eine Meisterleistung an Kaltblütigkeit. Er muß damit rechnen, daß wir ihn beobachten, und was tut er? Er ißt mit dem Bürgermeister von Vryburg zu Mittag und besichtigt die neuen Viehhöfe und Verladerampen.«
«Wir sollten auch nach Vryburg fliegen«, sagte Hartung.
«Das fiele sofort auf. Außerdem wissen wir ja gar nicht, ob Heerekamp wirklich. «Verschuren hob die Hände und wiegte den Kopf.»Es ist ein vertrackter Fall, der delikat behandelt werden muß. Tun wir Heerekamp Unrecht, kann das unabsehbare Komplikationen geben. Er ist mit allen maßgebenden Persönlichkeiten des Landes gut Freund.«
«Er ist der einzige, der ein Zwei-Millionen-Interesse an Laska hat«, rief Hartung.
«Irrtum. Ungezählte Pferdeliebhaber würden sich um Laska reißen. Es gibt Pferdenarren genug, auch bei uns, die jeden Kniff anwenden würden, um sie zu entführen. Es ist sogar möglich, daß herumstreunende Bantus Ihre Laska geklaut, geschlachtet und längst gefressen haben.«
«Daran wollen wir gar nicht denken«, sagte Angela leise und tastete nach Hartungs Hand.»Das wäre zu furchtbar!«
In der Nacht schlüpfte Angela in Hartungs Zimmer. Er war noch wach, saß am Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus. In den Zweigen der Parkbäume des Sunnyside Park-Hotels kreischten Nachtvögel. In der Bar wurde noch getanzt, leise tönte die rhythmische Musik durch die warme Nacht.
«Laska wird wiederkommen«, flüsterte Angela an der Tür.
Hartung drehte sich nicht um. Seine Schultern fielen nach vorn. Von hinten sah er alt und sehr schwach aus.
«Es ist gut, daß du kommst«, sagte er.
«Soll ich dir etwas zu trinken bringen?«
«Nein, danke. «Hartung starrte in den Park. Seit Laska zum >Wun-derpferd< erklärt wurde, hatte er schon viele Schwierigkeiten überwunden. Erfolge züchten Mißgunst, Siege zeitigen Gegner, Triumph zeugt Haß — er hatte mit Laska alles überstanden. Aber jetzt spürte er, daß die Trennung endgültig war. Laska war verloren.»Ich werde nie wieder reiten«, sagte er leise.
«Horst, bitte, verlier nicht den Mut. «Angela lief zu ihm und umarmte ihn. Ihre Zärtlichkeit war wohltuend, aber gleichzeitig erinnerte sie ihn an Laska.
«Ich werde alles aufgeben«, sagte Hartung und lehnte sich zurück. Sein Kopf lag zwischen Angelas Brüsten, und er war froh, daß sie jetzt hier war; sie war der einzige Mensch, der ihn trösten konnte.
«Alles, Angi! Das Gut, die Zucht — ich will nichts mehr um mich haben, was mich an Pferde erinnert. Ich beginne wieder von vorn, irgendwo weit weg vom jetzigen Leben.«
«Das würdest du nie aushalten, Horst.«
«Ausgerechnet du sagst das? Wer hat die Reiterei verdammt?«
«Hast du das jemals ernst genommen?«
«Manchmal ja. Was ist das für eine Frau, habe ich mich oft gefragt. Sie liebt mich, und ich liebe sie, und trotzdem scheitert unser Zusammenleben an den Pferden. Wie lange wartest du jetzt?«
«Sieben Jahre.«
«Du bist ein Wunder, Angi.«
«Nein, ich liebe dich nur. Und ich habe in diesen sieben Jahren gelernt, mit deinen Pferden zu leben. Es war schwer, glaub es mir! Immer zuerst die Pferde, dann ich, welche Frau hält das aus? Dann kam Laska, ich habe sie verflucht, denn mit ihr sank meine Chance, dich ganz für mich zu haben, auf den Nullpunkt. Bis ich auch hier erkannte, welchen Platz ich hatte. Zwei Jahre brauchte Laska, um mich anzuerkennen; jetzt gehören wir zusammen.«