«Hol dich der Deibel!«schrie Romanowski auf der Erde.»Herrchen, mit der erleben wir noch unser blaues Wunder! Det is ja keen Pferd nich. Det hat der Satan ausjeschissen!«
Eine Stunde später fuhr Angela Diepholt mit ihrem kleinen Sportwagen auf den Innenhof von Gut Hartung. Als sie Laska vor dem Stall stehen sah, gesattelt, in der Sonne glänzend wie bronziert, blieb sie im Auto sitzen und hupte nur dreimal. Hartung erschien in der Stalltür.
«Ich sehe, die Geliebte ist zurückgekommen!«rief sie ihm zu.»Dann kann ich ja wieder fahren?«
«Blödsinn. Steig aus und trink mit mir Kaffee. Ich habe das erste Frühstück auf die Erde gekippt.«
«Laska wird auch das zweite Frühstück umwerfen. «Sie schwang sich aus dem Wagen. Laska legte die Ohren zurück. Ihr Blick wurde böse. Hartung bemerkte die Veränderung des Tieres und packte es an der Trense.
«Das hört auf, mein Mädchen«, sagte er ernst.»Angi gehört zu uns, wie du jetzt zu uns gehörst. Es gibt keine Feindschaft, sonst rasseln wir beide aneinander. Und das wird schlimm für dich, mein Liebling. Benimm dich also.«
Er ließ die Trense los. Laska senkte den Kopf, scharrte über den Boden und sah Hartung nicht mehr an. Nur als Romanowski kam und sie wegführen wollte, stieß sie den Kopf nach vorn und schnaubte laut. Romanowski blieb in respektvollem Abstand vor ihr stehen.
«Deibel!«knurrte er leise.»Deibel verfluchter!«
Es war eine Haßliebe zwischen den beiden, wie es sie selten zwischen Mensch und Pferd gibt.
Langsam setzte sich Laska in Bewegung. Romanowski folgte ihr, eine aufgerollte Longe über dem rechten Arm. Laska ging um das Haus herum, immer im gleichen Abstand von Hartung und Angela, und blieb unterhalb der Treppe zur Terrasse stehen. Von dort blickte sie unverwandt auf Hartung, wie er mit Angela Kaffee trank, sein Frühstück aß und die Morgenpost öffnete. Wie ein vergoldetes Denkmal stand sie da, unbeweglich, nur der Wind spielte in ihrer Mähne, und ab und zu verscheuchte ein Schwanzschlag die Fliegen.
«Ich bringe keinen Bissen 'runter«, sagte Angela leise und legte beide Hände auf Hartungs Rechte.»Sie sieht mich an wie ein Mensch. Sie wird mir unheimlich.«
«Das stimmt. So ein Pferd habe ich noch nie gehabt. «Hartung stand auf, brach ein großes Stück Brot und hielt es Laska hin. Sie nahm es ganz vorsichtig, mit weichen Nüstern und voll Zärtlichkeit.
«Wann beginnst du mit dem Training?«
«Morgen.«
«Morgen schon?«Angela sah Laska fast mit Schaudern an.»Glaubst du, daß du sie noch umerziehen kannst?«
«Ja. «Hartung setzte sich wieder. Der Blick Laskas war voller Sanftmut.»Es wird einen mörderischen Kampf geben. Auf Biegen und Brechen. Der Stärkere wird siegen, wie immer. Und der andere wird sich unterordnen müssen.«
«Und du wirst der Stärkere sein?«»Ja.«
«Und wenn nicht?«
«Ich muß es sein. Laska und ich werden einmal die Reiterwelt erobern.«
«Und wenn sie doch die Stärkere ist?«
Hartung blickte auf Laska. Ihr Kopf war erhoben, die Nüstern blähten sich, es war, als rieche sie die Sonnenstrahlen.
«Wir werden kämpfen, bis uns der Atem wegbleibt«, sagte er.»Und morgen früh beginnen wir.«
Sizilianische Liebe
Sie hieß Luisa Gironi, und ihr langes, lockiges schwarzes Haar fiel offen bis auf die Schultern. Sie trug enge, kurze Röcke und riesige Sonnenbrillen, beide farblich aufeinander abgestimmt. Wenn sie ging, wiegte sich der ganze Körper wie nach einer unhörbaren Melodie. Sie war auf allen Turnierplätzen bekannt, stand vor den Springprüfungen am Rande der Abreiteplätze und beobachtete die Reiter mehr als die Pferde. Später tauchte sie dann auf den Haupttribünen auf, immer auf den teuersten Plätzen, von den Männern bewundert, von den Frauen mit hochgezogenen Augenbrauen mißbilligend gemustert.
Man wußte von ihr eigentlich nur, daß sie Italienerin war, genauer Sizilianerin, aus Palermo, der Stadt der heißesten Liebe und der blutigsten Blutrache. Sie mußte reich sein, aber woher ihr Geld kam, war ebenso unbekannt wie ihr sonstiges Leben. Zu keiner Zeit sah man sie in männlicher Begleitung auf den Turnieren, sie kam allein und ging allein. Was man munkelte, von ihren Nächten nämlich, war und blieb Gerücht. Immer lächelte sie, still in sich versunken, geheimnisvoll.
Auch an diesem Tag, einem sonnigen Vormittag, stand Luisa Gi-roni schon lange vor Öffnung des Turnierplatzes von Aachen an der Holzeinzäunung des Abreitefeldes und sah den Vorbereitungen der Reiter zu. Die deutsche Equipe hatte gerade ihre Arbeit aufgenommen. Die Pferde wurden im leichten Arbeitstrab locker gemacht, galoppierten an, wurden durch Tempowechsel in Trab und Galopp, Paraden, Rückwärtsrichten und Hinterhandwendungen gehorsam, gelöst und geschmeidig für den schwierigen Parcours.
Fallersfeld hatte beide Hände in den Taschen seiner braunweiß karierten Reithose versenkt und die Sportmütze tief ins Gesicht gezogen. In ihrem Schatten sah er hinüber zu der jungen Frau mit den langen, im Morgenwind wehenden schwarzen Haaren und der großen, runden Sonnenbrille. Sie war orangefarben wie ihr enger, kurzer Rock. Lange, schlanke Beine, ein Körper wie ein Modell, unter dem spitzenähnlichen Stoff der Bluse die Wölbungen der Brüste. Fallersfeld zog deutlich hörbar die Luft ein.
«Was will die denn hier?«fragte er den Platzwart Fritz Schmitz.
Schmitz sah hinüber zu Luisa Gironi. Sie hatte die Arme auf die obere Latte des Zaunes gelegt, warf jetzt den Kopf zurück und lachte, als einer der Reiter bei einem Probesprung schief im Sattel landete.
«Dat is en Pferdche, wat?«sagte Schmitz anerkennend.»Die is mir lieber als die Halla.«
«Was will sie hier?«fragte Fallersfeld kurz.
«Die steht schon seit 'ner halben Stunde rum. «Fritz Schmitz blickte auf seine Uhr.»Dat hätten Sie mal sehen soll'n, die Italiener! Dat war dat reinste Schaureiten. Aber die, keine Miene verzojen, wie 'ne Puppe im Schaufenster. Und der Brasilianer hat sojar en Jespräch mit ihr bejonnen. Und wat macht die? Läßt den steh'n. Jeht einfach weiter, een paar Meter, und stellt sich wieder hin.«
Luisa Gironi hob den Kopf. Sie nahm die Arme vom Zaun, ihr Körper spannte sich.
Auf den Platz kam, zu Fuß, Horst Hartung. Hinter ihm führte Pedro Romanowski am kurzen Zügel ein goldbraun glänzendes, tänzelndes, unruhiges Pferd — Laska.
«Aha!«sagte Fallersfeld.»Nun wissen wir es! Horst Hartung soll abgeschossen werden. Auch das noch! Schmitz, wenn ich vorzeitig weiße Haare bekommen habe, dann nur, weil ich so wahnsinnig war, mich zum Vater dieser Reiter zu machen. Und sehen Sie sich Laska an, verdammt, mit dem Gaul will H.H. über den Parcours! Das ist kein Pferd mehr, das ist bloß noch ein hinterhältiges Nervenbündel.«
Er wandte sich ab, vergrub die Hände noch tiefer in den Hosentaschen und ging Horst Hartung entgegen. Romanowski hatte Laska abseits geführt, sie beobachtete mit ihren schönen, großen Augen die anderen Pferde, blähte die Nüstern und schnaubte verhalten, aber voll Kampfeslust. Mit dem rechten Vorderhuf kratzte sie das Gras auf.
«Nu dreh nich wieder durch, olles Luder«, sagte Romanowski leise und zog Laskas Kopf herunter.»Auswechseln tut er dir, det sach ich! Warum haste ihn och jebissen, du Rindviech? Beißt man 'nen Equipenchef?«
Fallersfeld und Horst Hartung trafen sich mitten auf dem Abreiteplatz. Der Baron hatte kurz vorher sein Monokel ins linke Auge geklemmt, ein Zeichen, daß er amtlich und unter Vermeidung des vertrauten Du mit Hartung sprechen wollte. Man kannte das in der deutschen Equipe: Wenn Fallersfeld sein Monokel zog, hieß es: Jetzt holt Papa die Rute 'raus!