«Gehen Sie schnell zum Oberdeck, Sir«, hatte er ihm zugeflüstert.»Der Rummel geht los. Die Weiber zerfleischen sich wegen Hartung.«
«Kapitän!«rief Eve Walkering.»Ihren Schutz! Ich bin beleidigt worden.«
Kapitän McClean nahm schweigend den Arm Eves und führte sie zurück in den Saal. Beim Weggehen warf er einen eindeutigen, entschuldigenden Blick zu Hartung zurück, der stumm den Kopf schüttelte.
Wir verstehen uns, besagte dieser Blick. Aber sie kann ihre Hysterie mit Millionen zudecken. Das ist ein vorzügliches Pflaster.
Von diesem Abend an sah man Eve Walkering nur noch selten an der Kapitäns-Tafel. Meist ließ sie sich das Essen in ihrer Kabi-ne servieren. Die herrlichen, sonnigen, von einem märchenhaften Blau überspannten Tage verbrachte sie in ihrem Liegestuhl und unter einem Sonnenschirm in einer Ecke des Oberdecks, wo sie der Steward Joshua Dunham, genannt >Blacky<, ein Neger aus Alabama, rührend bediente, als sei er Eves Mammi, Blacky war es auch, der nachts manchmal für alle Passagiere mit tiefer, rollender Stimme die Lieder seiner Heimat sang. Sehnsüchtige Liebeserklärungen an den Mississippi und die Baumwollfelder.
«Wer hätte das gedacht«, sagte Dr. Rölle konsterniert nach dem Streit auf Deck.»Das Weib hat ja zwei Seelen.«
«Welche Weisheit. «Hartung lächelte sarkastisch.»Nennen Sie mir eine Frau, die nicht zwei Seelen hat.«
«Sie haben's nötig. «Dr. Rölle sog hastig an seiner Zigarette.»Ich stand bis heute in Flammen. Wer löscht mich nun?«
Hartung lachte und zeigte auf den Swimming-pool. Aber es war ein gekünsteltes Lachen. Noch lagen fast zwei Wochen gemeinsamer Fahrt vor ihnen. Und ein Schiff, allein auf hoher See, ist eine kleine Welt für sich.
Vierzehn Tage Meer. Vierzehn Tage leichtes Wiegen und Stampfen der Maschinen. Vierzehn Tage eine blaugoldene Unendlichkeit. Ein Verschmelzen von Himmel und Erde. Die >Seemaid< durchfürchte den Ozean ohne Sturm, Regen und Gewitter. Es waren einmalig strahlende Tage.
Die Reiter arbeiteten wie bisher. Morgens Lockerungsübungen, nachmittags kleine Reitübungen. Die meiste Zeit aber standen die Pferde in ihren Boxen. Sie hatten sich an das Meer und an das leichte Schlingern des Schiffes gewöhnt. Sogar Laska legte die Ohren nicht mehr an, wenn sie auf das Deck geführt wurde. Romanowskis Kampf gegen die Seekrankheit war vorüber — er wunderte sich seit drei Tagen selbst, daß er nicht mehr über der Reling hing.»Det kommt davon, dat ick keenen Majen mehr habe«, erklärte er jedem.»Ick hab'n ausjekotzt. Bestimmt!«
An dem Nachmittag des sechzehnten Tages trafen der Steward Blak-ky und der chinesische Koch Hu-shai bei Laskas Box zusammen. Hu-shai saß vor dem provisorischen Stall und kochte auf einem Spirituskocher einen stinkenden gelben Brei.
«Was soll denn das?«fragte Joshua Dunham verblüfft.
«Pfeld sein klank!«antwortete Hu-shai. Chinesen können bekanntlich kein >R< sprechen, zuerst verstand niemand an Bord den kleinen, dicken Koch, aber später gewöhnte man sich daran und erriet, was er sagte.»Ich koche Blei.«
«Ein schöner Gestank, dein Brei. «Blacky sah sich um.»Weiß das Mr. Hartung?«
«Nein.«
«Pedro?«
«Auch Pedlo nicht. Aber Pfeld hat lechte dicke Bein. Am Knöchel. Da hilft alte Lezept von Oma. Ich gloße Pferleliebhabel.«
«Sofort hörst du auf!«Blacky wollte nach dem Topf greifen, aber Hu-shai drehte sich schnell um.»Mit einem Kocher bei den Ställen! Bist du verrückt? Soll das ganze Schiff brennen? Weg mit dir!«
«Du nichts zu befehlen!«schrie der kleine Chinese.»Ich wie du Mannschaft. Halt Maul, Niggel!«
Joshua Dunham war ein friedlicher Mensch, aber wenn ihn jemand Nigger nannte, auch mit chinesischer Zunge, wurde er wild. Er griff deshalb zu, packte Hu-shai hinten am Kragen und hob ihn hoch. Kreischend ließ der Koch den Topf und den Kocher fallen und trat um sich.
«Ich dich umblingen! Umblingen!«brüllte er.»Du nul neidisch, weil nicht viel im Kopf!Ha!«
Entsetzt starrten sie hinter sich. Der Spiritus war aus dem Kocher ausgelaufen, hatte sich entzündet und floß nun als feuriger Bach durch das Stroh. Im Nu stand es in Flammen, fraß sich, vom Wind angetrieben, rasend schnell weiter, ergriff die Bretter und Planen und wurde zu einer Feuerwand, ehe Blacky und Hu-shai noch aus ihrer Erstarrung erwachten.
«Weg!«sagte Blacky zähneknirschend.»Weg, du gelbes Aas, da-mit man uns nicht sieht.«
«Du Schuld, du Niggel!«stammelte Hu-shai.»Ich übelfallen von dil.«
Sie rannten in verschiedenen Richtungen davon und verschwanden blitzschnell in Luken, die hinunter in die haushohen Ladebunker führten. Als sie untertauchten, hörten sie schon die gellende Sirene.
Feuer an Bord!
Das Vorschiff war bereits in dichten Qualm gehüllt, als die Matrosen die Schläuche ausrollten und mit den Schaumlöschern herbeirannten.
Hartung, Dr. Rölle, Romanowski und die anderen Reiter halfen, die Motorspritzen heranzuschaffen. Alle Pferde waren bei Ausbruch des Feuers jenseits des Bretterzaunes auf dem >Übungsdeck< gewesen, nur Laska stand allein in ihrer Box. Ihre Arbeit sollte in einer halben Stunde beginnen. Seit zwei Tagen wurde sie geschont, der geschwollene Knöchel, den Hu-shai mit Omas Mittel behandeln wollte, war eine Tatsache. Dr. Rölle hatte ihn entdeckt, als Laska kaum sichtbar lahmte. Bei einem unglücklichen Tritt gegen die Boxendielen mußte sie ihn sich verstaucht haben.
Jetzt stand Laska allein hinter der Feuerwand — einem Flammenmeer, das schneller in ihren Stall hineinkroch, als man die Schläuche ausrollen und anschließen konnte. Die Schaumlöscher, die zischend ihren weißen Schnee in die Flammen spritzten, waren bereits unwirksam geworden, überall lag leicht brennbares Material herum, Stroh, Heu, Holzstapel, Kisten, Tücher, Leinwand, Stricke, und der brennende Spiritus floß überallhin.
«Meene Olle!«schrie Romanowski und starrte auf die Feuerwand vor sich.»Ick häng mir uff, wenn se nich rauskommt. Anjebunden is se, ick muß zu ihr, ich muß hin!«
Er warfsich in einen Wasserstrahl, ließ sich vollspritzen und wollte sich durch die Flammen zu dem Stall stürzen. Vier Matrosen hielten ihn fest. Der Erste Offizier hatte das Löschkommando übernommen, Kapitän McClean stand neben Hartung, der wie versteinert
in das Feuer starrte.
«Loslassen!«brüllte Romanowski.»Ick hol ihr raus!«Er schlug um sich, trat und stieß die Matrosen mit dem Kopf, riß sich los, rannte auf die Feuerwand zu, wurde eingeholt und zurückgeschleift.»Se verbrennt! Laska! Laska!«heulte Romanowski.»Laß mir doch los!«
«Es ist Wahnsinn«, sagte McClean zu Hartung. Sie standen neben der großen Motorspritze. Ein dicker Strahl zischte in die Flammen, aber er zeigte keine Wirkung. Nur undurchdringlicher Qualm entwickelte sich, beißend, Tränen in die Augen treibend. Angela Diepholt rannte von den Kabinen herbei. Sie trug Hartungs dicken Mantel über dem Arm. Entsetzen hatte alle Züge ihres Gesichtes verwischt.
«Hier!«keuchte sie.»Hier! Zieh ihn an, Horst!«
McClean starrte sie ungläubig an. Er begriff noch nichts, aber Hartung verstand Angela sofort. Er schlüpfte in den Mantel, knöpfte ihn zu und warf sich wie Romanowski in den Strahl der Spritze. Im Nu durchnäßte der dicke Wasserstrahl ihn völlig. Er taumelte unter der Wucht des Anpralls hin und her und schwankte dann zur Seite. Da verstand auch McClean, was Hartung wollte.
«Festhalten!«schrie er. Er griff zu, hielt Hartung am Ärmel fest, der Erste Zahlmeister und sogar Dr. Rölle folgten und klammerten sich an Hartung.
«Das ist Irrsinn, Horst«, brüllte Dr. Rölle ihm ins Ohr.»Auch wenn Sie hinüberkommen — zurück schaffen Sie es nie mehr. Das ganze Stroh brennt, der Stall.«
Hartung befreite sich mit einem heftigen Ruck. Bis zur Feuerwand waren es zwanzig Schritte, die Glut war schon jetzt fast unerträglich, in sie hineinzutauchen schien unmöglich. McClean rannte Hartung nach, als er zum Lauf ansetzte, der Erste Zahlmeister klammerte sich fest an Hartung, von Romanowski, den jetzt fünf Matrosen bändigten, kamen zwei Männer herüber und stellten sich Hartung in den Weg.