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«Welch ein Pferd«, stammelte Fukujachi ergriffen.»Welch ein Pferd. Wer sagt da noch, ein Tier habe keine Seele?«

50.000 Dollar Lösegeld

In Mexiko ist alles sehenswert, begeisternd, anfeuernd — nur die Luft nicht. Sie ist dünn, und wer hier, in 2.240 Meter Höhe — denn so hoch liegt Mexiko City —, etwas schneller läuft als normal, wer sogar rennt, rasch Treppen steigt oder schwere Lasten hebt, fängt an zu keuchen und pumpt diese dünne Luft in sich hinein wie ein Maikäfer, bevor er zum Flug ansetzt. Die Mexikaner sind es gewöhnt, ihr Körper, ihr Blut haben sich auf diesen geringen Sauerstoffgehalt eingestellt, ein Mitteleuropäer jedoch, plötzlich in diese Höhe gebracht, wird weich in den Knien, wenn er auch nur einen lebhaften Tanzschritt macht. Und Pferde reagieren wie Menschen, und Springpferde zumal müssen in dieser dünnen Luft Unvorstellbares leisten.

Es zeigte sich gleich nach dem ersten leichten Konditionstraining. Laska rang nach Luft, ihre schönen Augen quollen aus den Höhlen, sie zitterte am ganzen Körper und stolperte beim Gang zum Stall über die eigenen Beine.

«Sauerstoffmangel«, stellte Dr. Rölle fest.»Die gleiche Erscheinung wie bei den anderen Pferden. Auch Laska ist hier kein Wundergaul. Nur die Russen haben keine Schwierigkeiten, die haben ihre Pferde vor dem Flug nach Mexiko im Kaukasus gedrillt.«

Also erhielt Laska eine Sauerstoffmaske. Es war ein merkwürdiges Ding, eine Eigenkonstruktion Dr. Rölles. Ein Trichter aus Kunststoff, groß genug, daß die Nüstern hineinpaßten, zwei Lederbänder, um ihn festzuschnallen, dann ein Gummischlauch, der an eine Sauerstoffflasche angeschlossen war. Hier saß Dr. Rölle vor dem Manometer, regulierte die Luftzufuhr, während Romanowski Laska zuredete, zu atmen und sich an die Maske zu gewöhnen.

«Nu schluck doch, Olle«, sagte er und klopfte ihr auf den Hals.»Is doch jut, wat? Mußte doch selbst merken. Aba uffn Parcours mußte dir selbst Luft holen, da kann ick dir nich mit'n Trichter vornewegrennen. Und wenn de Mauer zwei Meter hoch is, dann schnauf-ste ein und drüber. Haste mir vastanden?«

Nicht nur die Pferde, auch die Reiter hatten Schwierigkeiten mit der dünnen Luft. Hartung trainierte jeden Tag zweimal im riesigen Stadion von Mexiko City, morgens um sieben und abends um acht. Er rannte in mäßigem Tempo über die rote Laufbahn, assistiert von Angela, die merkwürdigerweise die Höhe besser vertrug als die Männer. Sie lief neben ihm her, und wenn er zu keuchen begann und die Arme empor warf, hielt sie ihm das kleine, tragbare Sauerstoffgerät vor den Mund, zwei, drei tiefe Atemzüge genügten, und Hartung rannte weiter, einmal um das Rund des Azteken-Stadions, auf dessen Rasen die Hindernisse schon aufgebaut wurden. In vier Tagen würde der unerbittliche Kampflosgehen. >Der große Preis von Me-xiko< — ein riesiger Silberpokal und 50.000 Dollar Geldprämie. Es wurde keine Nationen-, sondern eine Einzelwertung geritten. Auch wenn Hartung das Geld an den Deutschen Reitsport-Verband weitergeben mußte, um den Amateurstatus zu erhalten, war dieser Sieg für ihn wichtig. Er würde den Namen Laska bis in die fernste Ecke Mittel- und Südamerikas tragen.

Laska, das Pferd, das — wie die Mohammedaner sagen — Allah aus der Sonne gemacht hatte.

Niemand achtete darauf, daß bei diesem Training ab und zu zwei Männer oben auf einer der Rangbänke saßen und Hartung, Angela, Dr. Rölle und auch Laska mit Romanowski beobachteten. Der eine von ihnen trug einen weißen, eleganten Seidenanzug, einen ebenso weißen breitkrempigen Hut, ein blaßrosa Hemd und eine rote Krawatte. Dicke Goldringe mit großen, in der Sonne blitzenden Brillanten steckten an den dicken Fingern. Meistens hing dem Senor eine dünne, lange Zigarre zwischen den wulstigen Lippen, die er auch nicht herausnahm, wenn er sprach. War sie aufgeraucht, folgte die nächste. Gute Freunde behaupteten, er habe auch nachts ein solches Ding im Mund hängen, mit einer Ausnahme — wenn eine schöne Frau neben ihm im Bett lag.

Der andere Hombre war lang und dürr; er wirkte irgendwie ausgehungert und vertrocknet. Seine Haut war gelbbraun, auf dem schmalen Kopf trug er einen topfartigen schwarzen Filzhut und um den Oberkörper einen gestreiften indianischen Poncho. Er kaute getrocknete, zu kleinen Kugeln zusammengerollte Blätter, die Meskalin enthielten und eine Art Euphorie erzeugten. Seine Augen glänzten wie poliert und waren von einer unnatürlichen Starre.

«Sie sind zäh, diese alemanes«, sagte der elegante Mann. Seine lange Zigarre wackelte zwischen den Lippen.»Sie gehen wissenschaftlich vor, das ist gefährlich. Pedro, haben sie eine Chance zu gewinnen?«

Pedro Calabozo, der Dürre, nahm seinen runden Hut ab, fächelte sich Kühlung zu, denn jetzt am Abend strömte alles die Hitze des Tages aus, das Holz, die Steine, sogar der Boden waren wie ein Backofen. Er starrte hinunter auf die rote Bahn, auf der Hartung mit ausgreifenden Schritten sein Pensum herunterlief, schwitzend, mit zusammengebissenen Zähnen. Neben ihm her fuhr Dr. Rölle auf einem kleinen, niedrigen Fahrrad. Angela, in Shorts und weißem Polohemd, lief zwei Schritte hinter Hartung.

«Sie essen zu gut, Horst!«rief Dr. Rölle, als Hartung ins Gehen zurückfiel und mit den Armen ruderte.»Und abends ein Bierchen, jetzt rächt sich das.«

«Sie haben gut reden, wenn Sie mit dem Rad nebenher fahren. Los, runter vom Sattel, Doktor, und mitgelaufen!«

«Bin ich ein Sportsmann?«Dr. Rölle winkte lachend ab.»Ich habe nie Ambitionen gehabt, über meterhohe Hindernisse zu springen. Ich muß nur eure Knochen in Ordnung halten. Also weiter, noch vierhundert Meter!«

Ein paar Züge aus dem Plexiglastrichter, reiner Sauerstoff, Kraft und neuer Mut. Horst Hartung rannte weiter.

«Die alemanes können immer gewinnen, Senor Laredo. «Calabo-zo setzte seinen Topfhut wieder auf.»Denken Sie an die Olympiaden. Zuerst sehen sie aus wie ein hombrecillo (Männchen), und plötzlich, wenn's darauf ankommt, sind's die Helden. Und ihre Pferde sind genauso. Haben Sie Laska gesehen? Mit jedem Training fühlt sie sich wohler.«

«Es geht um 50.000 Dollar, Pedro.«

«Ich weiß es, Senor Laredo. «Pedro Calabozo, für die Allgemeinheit der Sekretär des reichen Caballero Fernandez y Laredo, in Wahrheit ein kleiner mieser Dieb und Meskalinverteiler, der für Laredo den Verbindungsmann zu anderen organisierten Rauschgifthändlern abgab, dunkle Kanäle, in denen das Fleisch und der Saft der auf der Hazienda Laredos angebauten Peyotl-Kakteen verschwanden und gute Dollars einbrachten, faltete die Hände vor seinem Poncho.»Aber was soll man tun? Unsere Mannschaft ist gut, die Alemanes dagegen sind vorzüglich. Wir können nur theoretisch gewinnen.«

«Wir müssen praktisch gewinnen, Pedro. «Laredo, der überall bekannte und geschätzte Edelmann, zog die buschigen Brauen zusammen. Er dachte nach, und Calabozo störte ihn nicht. Er wußte genau, daß dabei etwas Gesetzwidriges herauskommen würde.»Erinnere dich, was die Zeitungen schrieben.«

«Sie wissen, Senor Laredo, daß ich nur mühsam lesen kann.«

Laredo lächelte breit. Mühsam! Er kann überhaupt nicht lesen. Als er vor zehn Jahren aus der Sierra Madre del Sur zu mir auf die Hazienda kam, abgerissen, halb verdurstet, ein Skelett mit Haut, kannte er gerade seinen Namen. Seine Mutter war eine Indianerin, sein Vater ein durchziehender Saisonarbeiter, der danach wieder das Weite suchte. Buchstaben waren für Pedro ein Rätsel mit sieben Siegeln, aber er war ein Genie im Aufreißen immer neuer Abnehmer von Peyotlsaft.

«Es ist jedesmal mißlungen, wenn man Laska von einem Turnier fernhalten wollte. Alles hat man versucht. Betäuben, vergiften, entführen, sogar töten, einmal hat man Hartung gekidnappt, dann wieder das Pferd, sie haben diesen Romanowski überfallen — er heißt übrigens auch Pedro —, oder in die Hindernisse Tricks eingebaut. Alles umsonst. Laska siegte. Hombre, und jetzt geht es um 50.000 Dollar.«